Und wieder gibt es einen Neuzugang in der Schramberg-Abteilung meiner kleinen Privatbibliothek: ein kleines Büchlein, das den Titel „Vom Bosporus zum Nesenbach. Und zurück? Die Geschichte einer erfolgreichen Integration“ trägt. Es ist die Autobiographie des Diplom-Ingenieurs und Maskenschnitzers Ergun Can. Auch wenn es der Titel nicht vermuten lässt, handelt ein Großteil des Buches von Schramberg, denn der Verfasser verbrachte einen großen Teil seiner Kindheit und Jugendjahre in Schramberg im Schwarzwald. Das Buch legt Zeugnis ab über die erfolgreiche Integration eines sogenannten „Gastarbeiterkindes“ in die deutsche Nachkriegsgesellschaft.
Beim Lesen des Buches fragte ich mich immer wieder, warum man bisher keine Kritiken in den Feuilletons unserer überregionalen Tageszeitungen zu diesem Buch findet. Schließlich ist die Integrationsfrage eine der zentralen Fragen unserer heutigen Gesellschaft. Doch auch in der regionalen Presselandschaft Baden-Württembergs konnte ich keinerlei Rezensionen zu Ergun Cans Buch entdecken. Trotz aller Widrigkeiten und Widerstände hat es Ergun Can mit viel Fleiß und Hingabe geschafft, nicht nur Teil dieser deutschen Gesellschaft zu werden, ohne seine eigene Identität zu verleugnen, sondern durchaus auch als Vorbild zu dienen. Und fürwahr war dieser Weg nicht immer einfach für ihn. Darüber legt sein Buch ebenfalls Zeugnis ab.
Ich teile eine Gemeinsamkeit mit Ergun Can: Wie Can verbrachte ich große Teile meiner Kindheit und Jugendzeit in Schramberg. Das Buch erlaubt es einem, das Schramberg der 1960er und 1970er Jahre aus einem neuen, anderen und doch so bekannten Blickwinkel wieder neu zu entdecken. Ergun Can lernte bei Siegfried Schaub, dem Vater eines Klassenkameraden, das Maskenschnitzen. Inzwischen sind die Fasnetsmasken von Ergun Can Ausstellungstücke und Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen (siehe u.a. Lixfeld 2024). Aber auch viele andere Namen aus Ergun Cans Schramberger Zeit sind für mich nicht unbekannt.
Natürlich geht es im Buch nicht nur um Integration, Schramberg und Fasnetsmasken, sondern auch um das langjährige Wirken von Ergun Can in der SPD. In diesem Sinne findet man im Buch von Ergun Can auch „Innenansichten“ zur Parteigeschichte der SPD des „Südweststaates“.
Ich habe das Buch gern gelesen. Besonders gefallen hat mir die Erwähnung des Ehepaars Otto und Inge Schütz und ihrer Kinder auf Seite 21. Wer erinnert sich in Schramberg noch an den Bankdirektor Schütz und seine Familie? Wie Ergun Can verbrachte ich einen Teil meiner Jugend mit den Kindern des Ehepaares Schütz, vor allem mit Thomas. Wobei das natürlich später war – da wohnten die Schützens, wie meine Eltern auch, oben auf dem „Sulgen“ im Lärchenweg. Die Familie Schütz war wirklich eine sehr weltoffene und gastfreundliche Familie.
Und dann gibt es noch etwas ganz Besonderes, das ich mit Ergun Can teile nämlich das Bekenntnis zum Schwäbischen[1]: Immer, wenn man mich fragt, woher ich komme, sage ich: aus Schramberg im Schwarzwald – dort, wo man inmitten von Schwarzwaldtannen immer noch echtes „Schwäbisch“ schwäzt[2].
Frommer, Heike: „Gabel – çatal, Brot – ekmek, Teller – tabak.“ Familiensaga Can. In: Frommer, Heike/Mohn, Brigitte (Hg.): Zwischen zwei Welten. Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in Schramberg. Begleitbuch zum Forschungs-, Ausstellungs- und Mitmachprojekt des Stadtmuseums Schrambergs und des JUKS in Kooperation mit dem Eine-Welt-Forum Schramberg (= Schriften des Stadtmuseums Schramberg 24). Schramberg 2011, S. 28–37.
Lixfeld, Gisela: Ergun Can als Maskenschnitzer, in Landesmuseum Württemberg (2024), (Hrsg.): feld & wege: 100 Jahre Forschung und Dokumentation – von der Volkskunde zur Alltagskultur, Heidelberg: arthistoricum.net, 2024, S. 146–151. https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1405.c20020
[1] „Ich habe über sechzig Jahre wieder und wieder das Lob erhalten, dass ich gut Deutsch spreche, »aber woherkommen Sie denn?«. Da erwidere ich stets gelassen, dass ich nicht gut Deutsch, sondern Schwäbisch spreche und aus Schramberg käme (Can, Ergun, 2025, S. 79)“.
Ich fahre, wie so oft, nach Frankenthal an den Bahnhof, um jemanden aus der Familie abzuholen. Angesichts der „Kettenverspätungen“ der Bahn ist das Umsteigen in die Regionalbahn nach Grünstadt in Frankenthal ein richtiges Glücksspiel – und wenn man Pech hat, wartet man eben „ewig“ auf den nächsten Anschluss. Diesmal hole ich meine Schwägerin und ihren Ehemann ab. Sie leben eigentlich in einem französischsprachigen Land, wo die Züge in der Regel pünktlich sind. Diesmal kommen sie jedoch aus dem Norden, aus der Hansestadt Hamburg, und haben bereits mehr als zwei Stunden Verspätung, als ich ins Auto steige.
Im Radio läuft auf SWR Kultur die Sendung „Der Soldat des Kinos – Ehrenlöwe für Werner Herzog“, ein SWR-Kultur-Forum unter anderem mit Rüdiger Suchsland als Mitdiskutant[1]. Suchsland ist so etwas wie der „Monsieur Cinéma“ des Südwestrundfunks. Früher, in meiner Jugend, war das Herbert Spaich. In meiner Oberstufenzeit weckte mich das Radio – mein damaliger Lieblingssender SWF3 – mit den Filmtipps von Herbert Spaich oder mit Gisela Eberles Gesundheitsansprache „Guten Morgen – positiv sollen Sie den Tag beginnen“. Irgendwann begann ich dann auch aufzustehen und lief dann das „Steighäusle“ vom Sulgen hinab in die Talstadt zur Schule ins Gymnasium Schramberg um dort irgendwann nach Schulbeginn auch anzukommen. Das war noch die Zeit, als der kürzlich verstorbene Frank Laufenberg den „Popshop“ in SWF3 moderierte.
Ich war damals – wie auch später während meines Studiums – ein richtiger Cineast, ein Kinogänger, der ein- bis zweimal pro Woche ins Kino ging. Lange Zeit war „Fitzcarraldo“ einer meiner Lieblingsfilme, vielleicht ist er es sogar immer noch. Für „Fitzcarraldo“ bin ich sogar mit dem Fahrrad von Schramberg nach Paris gefahren[2]. Das ist lange her, und im Kino war ich seitdem Abschluss des Studiums nur noch selten. Zuletzt sah ich „Anselm – Das Rauschen der Zeit“ von Wim Wenders und viele Jahre zuvor „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ von Edgar Reitz, Film in dem Werner Herzog in einer Gastrolle den Alexander von Humboldt spielt.
In Grünstadt gibt es zwar einen sehr schönen Kinokomplex, „die Filmwelt Grünstadt“, doch meistens wird nichts gezeigt, das meinem Filmgeschmack entspricht. Filme in Originalfassung gibt es so gut wie nie. Im letzten Frühjahr hätte ich mir gerne das Original des brasilianischen oscarprämierten Films „Ainda Estou Aqui (Für immer hier)“ angeschaut. Er wurde tatsächlich in einem Mainzer Kino gezeigt, doch die Komplikationen, die mit der „maladie de Mitterrand“ verbunden waren, verhinderten diese Kinofahrt nach Mainz. Kinofilme sehe ich mir meistens später im Fernsehen an – in den meisten Fällen auf Arte oder, wie zuletzt im ZDF, „An einem Tag im September“. Dieser Spielfilm berührt in gewisser Hinsicht meine eigene deutsch-französische Familiengeschichte[3].
Mein Fahrtweg ist gesäumt von Windkraftanlagen. Wegen der Komplikationen mit der „maladie de Mitterrand“ beschränkt sich mein aktueller räumlicher Radius auf Fahrten ans Klinikum Worms oder auf „familiäre Taxifahrten“ von oder zum Frankenthaler Hauptbahnhof. Die Landschaft, die ich durchquere, gehört laut der „Naturräumlichen Gliederung Deutschlands“ zur „Frankenthaler Terrasse“. Wie beim „Unterem Pfrimmhügelland“ gibt es auch hier keinen Wikipedia-Artikel über diesen Naturraum[4]. Die Funktionsweise eines Naturraums hat in Deutschland kaum noch gesellschaftliche Relevanz. Sonderbarerweise berufen sich die Proteste gegen den geplanten Windpark bei Dirmstein genau auf den Schutz des Naturraums zwischen Obersülzen und Dirmstein[5].
Das Windrad ist zum Symbol des Landschaftswandels, aber auch zum Symbol für „Nutzungskonflikte“ in der Landschaft Mitteleuropas geworden. Nicht umsonst ziert das Buchcover der Zweitauflage von „La théorie du paysage en France“von Alain Roger das Foto eines Windrads. Als ich mich vor Jahrzehnten auf der „Frankenthaler Terrasse“ in Richtung Grünstadt bewegte, konnte man nachts die hellerleuchtete amerikanische Raketenstellung auf dem Quirnheimer Berg sehen[6]. Die Raketenstellung ist verschwunden – nun leuchten dort nachts die Positionsleuchten der Windräder.
Meine Schwägerin bemerkt während der Autofahrt nach Frankenthal, dass sie das Gefühl habe, es gebe bei jeder Reise nach Grünstadt mehr Windräder. Sie wüchsen förmlich wie Pilze aus der Landschaft. Ich pflichte ihr bei und sage: „Ja, das Gefühl ist bestimmt nicht ganz falsch.“ Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass man Energie nicht zum umweltpolitischen Nulltarif bekommt – und Energie verbrauchen wir alle. Doch meine Schwägerin hat nicht unrecht: Die Windräder sind längst zu einem markanten Landschaftelement geworden. Zwischen Grünstadt und Frankenthal sieht man sie überall – in der Nähe und in der Ferne. Man kann ihnen visuell kaum noch ausweichen.
Ich denke an Werner Herzog und versuche mir vorzustellen, wie ein Film von ihm über Windkraft und Windkraftlandschaften aussehen würde. Weltweite Windenergielandschaften aus Herzogs filmischer Erzählperspektive. Tatsächlich gibt es eine wissenschaftliche Arbeit über die Landschaften im Werk Werner Herzogs: „Les paysages intérieurs de Werner Herzog“, eine französische Abschlussarbeit von Manon Levet im Fach Kunstgeschichte, die man im „Halopenarchive“ finden und herunterladen kann. Dass diese Arbeit in Frankreich verfasst wurde, wundert mich nicht. Ich habe den Eindruck, dass Herzogs künstlerisches Werk dort erheblich mehr gewürdigt wird als in Deutschland.
In diesem Sommer gab es im „Le Monde“ eine lesenswerte Sommerserie über das Leben von Isabelle Adjani[7] – und darin war eine Episode dem Film „Nosferatu – Phantom der Nacht“ und den Dreharbeiten mit Werner Herzog und Klaus Kinski gewidmet. Auch in diesem Blog verfasste ich bereits einen Beitrag über einen Herzog-Film auf Französisch: „Souvenirs d’une soirée de samedi passé devant le petit écran : Au cœur des volcans, requiem pour Katia et Maurice Krafft, documentaire de Werner Herzog“. In Frankreich genießt Herzog doch ein anderes Renommee als in Deutschland. Ich glaube hierzulande ist er nur noch ein „Geheimtipp“ für eingefleischte Cineasten und Boomer. In der Generation meiner Kinder, oder auch bei meinen Studierenden, kennt ihn wohl kaum noch jemand.
Werner Herzog hat auch eine bemerkenswerte Autobiographie verfasst: „Jeder für sich und Gott gegen alle. Erinnerungen“. Als ich mit meiner Schwägerin und meinem Schwager an den Windrädern entlang durch die „Frankenthaler Terrasse“ nach Grünstadt fuhr, hatte ich gerade mit der Lektüre dieses Buches begonnen. Inzwischen weiß ich: Wer mehr über die „paysages intérieures“, also die inneren Landschaften Werner Herzogs, erfahren möchte – und darüber hinaus ein vollständiges Werkverzeichnis (Filmographie, Operninszenierungen) sucht –, der sollte dieses Buch lesen. Ich erlaube mir daraus die letzten Sätze zu zitieren „An ihrem Fuß ist sie achtundzwanzig Meter dick und aus besonders gehärtetem Stahlbeton gegossen. Dieser untere Teil stünde noch mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, majestätisch, ohne etwas verkünden zu können, keine Botschaft an niemanden. Dort am Fuß der glatten Betonwand, gäbe es kristallklares Sickerwasser aus den Felsen zur Seite, aufgesucht von Rudeln von Hirschen, als wäre (Herzog, Werner: 2022, p. 329)“
Levet, Manon (2016): „Les paysages intérieurs de Werner Herzog“. Art et histoire de l’art. HAL Id: dumas-01438354
Roger, Alain (Hrsg.) (2009): „La théorie du paysage en France : 1974–1994“ (Réédition). Seyssel: Champ Vallon, ISBN 978-2-87673-508-8.
Nachwort zur Texterstellung
Den vorliegenden Text entwarf ich am 28.08.2025 bei der familiären Taxifahrt Grünstadt- Frankenthal HBF- Grünstadt im Auto und speicherte es als Gedächtnisprotokoll ab. Die Niederschrift fand dann im Laufe des Septembers statt. Photos von den Windrädern des Windpark „Dirmstein-Groß-Kleinniedesheim-Heuchelheim“ sind auch in den Beiträgen „Wintersonnenwende 2024“ und „Blognotice 11.01.2022 : les liens perdus du blog paysages“ zu finden. Man kann die Windräder dieses „Windparkes“ von erhöhten Standorten in Grünstadt sehr gut sehen. Tatsächlich bin ich die „Wegstrecke“ Grünstadt – Frankenthal HBF – Grünstadt so oft gefahren, dass ich fast jeden Baum und Busch am Wegerand dort kenne. Die gartenflüchtige Pallisadenwolfsmilch (Euphorbia characias)[8] am Straßenrand in Dirmstein, der Mandelbaum in Obersülzen auf dem die Halsbandsittiche sich verpflegen und rasten[9], den Paradiesvogelbaum in Dirmstein der im Spätsommer & Herbst blüht[10].
Deux jours après avoir publié mon billet « Ces images insoutenables qui me rappellent les souvenirs des enfants du Biafra », je découvre l’article « Vivre l’Histoire : mon parcours du Biafra à la compréhension de Gaza » du cinéaste nigérian Newton Ifeanyi Aduaka dans les blogs de Mediapart. Quelle coïncidence ! En plus, je retrouve dans l’article d’Aduaka les souvenirs de l’écrivain Chinua Achebe. Contrairement à moi, l’enfant du « Biafra du Schoren » à Schramberg- Sulgen en Forêt-Noire, Newton Ifeanyi Aduaka est un véritable enfant de la guerre du Biafra. On dit que les blogs, la blogosphère traditionnelle, sont mourants, mais le texte de Newton Ifeanyi Aduaka montre que de nos jours les blogs ont encore un mot à dire ! Et quel témoignage. Sûrement un des meilleurs billets de blog que j’ai découverts durant ces dernières années. Je me permets de citer ces phrases du billet de Aduaka :
« Plus important encore, les deux tragédies soulignent le coût humain de permettre aux disputes politiques d’escalader en catastrophes humanitaires. Les enfants qui ont souffert au Biafra — y compris mon moi nourrisson — et ceux qui souffrent à Gaza aujourd’hui méritent mieux que d’être les symboles des échecs de leurs sociétés à trouver des solutions pacifiques à des problèmes complexes et la lâcheté flagrante, la cupidité et l’hypocrisie de nations puissantes avec des intérêts acquis. Mon parcours d’un bébé de guerre biafrais à un cinéaste documentant d’autres conflits africains m’a appris que le trauma connecte à travers le temps, la géographie et les expériences individuelles.[1]»
Personnellement, ce qui s’est passé à Gaza est une véritable catastrophe humanitaire et les gouvernements des deux États dont je possède la nationalité, les gouvernements français et allemand, ne font pas assez pour stopper la folie meurtrière du gouvernement de Benjamin Netanyahou. Les enfants victimes de la famine à Gaza ne sont pas responsables des crimes perpétrés le 7 octobre 2023 par le Hamas[2].
Am Morgen, des Donnerstag 12 Juni erfahre ich im Radio, dass es einen Welttag des Tagebuches gibt (Kurzform Tag des Tagebuchs)[1]. Also zwei Tage nach meinem 61. Geburtstag. Tagebuch schreibe ich schon seit gefühlten Ewigkeiten, ich würde mal sagen, so ca. 45 Jahre. Über das Tagebuch schreiben hatte ich auch schon vor ein paar Wochen im Beitrag „Blognotiz : Palmsonntag 13.04.2025“ ein paar Zeilen verfasst. Abgesehen davon, dass ich selbst Tagebuch schreibe, hatte ich mich schon immer fürs Tagebuchschreiben interessiert, wusste dass es in Emmendingen ein deutsches Tagebucharchiv gibt[2], aber von einem Tag des Tagesbuches hatte bis zu diesem Donnerstagmorgen noch nie etwas gehört. Nach dem „Hören“ des besagten Tagebuchrundfunkbeitrags suchte ich nach einem Eintrag „Welttag des Tagebuches“ bzw. „Tag des Tagebuch“ in der deutschen Wikipedia, aber da scheint dieser Tag doch noch nicht vorhanden zu sein. Eine Suche auf Französisch unter „Journée mondiale du journal intime“ führt auch zu keinem besseren Ergebnis. Hingegen finde ich bei Weka France einen Hinweis auf eine „Journée mondiale du blog 2025“, also sozusagen einen Welttag des Blogs. Auch auf Englisch konnte ich unter „World Diary Day“ nichts Verwertbares finden.
Der Tag des Tagebuches bzw. der Welttag des Tagebuches scheint wohl nur im deutschen Sprachraum bekannt zu sein. Er soll an den 12 Juni 1942 erinnern, als Anne Frank von ihrem Vater ein Notizbuch erhielt und mit dem Tagebuchschreiben begann[3]. Dieses Notizbuch sollte die Grundlage des berühmten „Tagebuches der Anne Frank“ werden. Wer diesen Tagebuch Gedenktag, den man wohl nur im deutschsprachigen Raum kennt, initiiert hat, das konnte ich bei meiner kleinen Recherche nicht herausfinden. Ich habe das Tagebuch der Anne Frank zum ersten Mal wohl als „Unterstufenschüler“ gelesen, so in der 6. oder gar 7. Klasse. Das Buch hatte mich ziemlich aufgewühlt, aber zum Tagebuch schreiben hat es mich bestimmt nicht bewegt. Ich hätte es auch schon fast als verwerflich empfunden mich an Anne Franks Tagebuch zu orientieren.
Überhaupt – was bewegt einem zu Tagebuch schreiben ? Was hat mich als Mittelstufenschüler des Gymnasium Schramberg Anfang der 1980 Jahre, oder sogar früher, bewogen ein Tagebuch zu führen? Tagebuch, welches ich bis zum heutigen Tage mehr oder weniger regelmäßig bis zum heutigen Tag mit „Tagesnotizen“ fülle.
In meinem persönlichen Umfeld gab es meinen französischen Großvater Jean Migliori, der regelmäßig ein „Journal“ führte. Er notierte mit Akribie das lokale Wettergeschehen, – und kommentierte das Weltgeschehen. Das Weltgeschehen das war vor allem die Lektüre seiner geliebten Tageszeitung – dem Le Monde. Wetteraufzeichnungen, das Festhalten seines Gesundheitszustandes und die Kommentare zu einzelnen Artikel aus der „Le Monde“ – und hier und da ein paar Zeichnungen – das war sein Tagebuch. Manchmal las er mir auch abschnittsweise daraus vor. Und für uns seine deutsch-französischen Enkelkinder aus Schramberg-Sulgen en „Forêt –Noire“ hat er auch mal eine ganze Bildergeschichte gezeichnet[4]. Heute würde man das als eine Graphic Novel bezeichnen. Ich denke, dass zumindest bei mir das Tagebuch Schreiben meines Großvaters Jean Migliori einer der Beweggründe war, dass ich selbst eines führte. Und ich wurde durch die gemeinsame Lektüre des Monde zum Le Monde Leser, und irgendwann dann auch zum Abonnenten von Le Monde. Und dieser Blog begann ja auch im Mai 2009 als Abonnentenblog der Tageszeitung Le Monde[5] vor über 16 Jahren.
Und was den Blog paysages betrifft – angesichts der derzeitigen Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Amerika – muss ich leider feststellen – dass meine Befürchtungen, die ich in „Blognotice “27.10.2024” : America where are you going ?“ niedergeschrieben hatte leider immer mehr zur Realität werden. Ich hätte es mir anderes gewünscht – und ich hoffe trotz allem, dass die USA immer noch eine Demokratie bleiben! Der aktuelle Spiegel, – hat den Entwicklungen in den USA – seine aktuelle Titelstory gewidmet „ Will man da noch hin“? Soweit die USA eine liberale Demokratie bleiben, würde ich bestimmt einmal dahin wollen. Als Kind und Jugendlicher habe ich ja immer von einer Reise in die USA geträumt. Aber zurzeit erscheint mir eine Reise unter der Präsidentschaft von Donald Trump weder wünschenswert noch durchführbar.
Am Tag des Tagebuch 2025 schrieb ich dann auch noch einen kurzen Tagebucheintrag. Ich verbrachte auch wieder viel Zeit bei der Hausärztin/meiner Urologin. Die Maladie de Mitterrand, – und die ganzen damit verbunden postoperativen Komplikationen bestimmen meinen Tagesablauf. So hatte ich mir das vor über einem Jahr, Ende Juni 2024 kurz vor der totalen Prostatektomie bestimmt nicht vorgestellt. Aber grundsätzlich habe ich ja eine gute Prognose, – und man muss trotz aller Widrigkeiten die einem Begegnen das Beste daraus machen. In Deutschland ist der Begriff „Maladie de Mitterrand“ quasi unbekannt, ich hatte schon im Winter darüber geschrieben[6]. Dafür hat die Diagnose Prostatakrebs durch Veröffentlichung der Prostatakrebsdiagnose des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Joe Biden auch in Deutschland einer erhöhte Medienaufmerksamkeit bekommen[7]. In diesem Zusammenhang fand ich den Artikel der Spiegeljournalistin Irene Berres „Prostatakrebs ertasten? Was Männer über Früherkennung wissen müssen“ besonders gelungen. Im Grunde genommen sollte jeder Mann über 40 diesen Artikel lesen.
Im Tagebucheintrag des 14 Juni findet sich auch eine Notiz über den Air India Absturz, also den Absturz des Air-India-Flug 171 am Morgen des 12. Juni. Ich musste da gleich an Kindheitstage denken, denn für mich war damals der Name Air India mit Flugzeugkatastrophen im Montblanc Massiv verbunden. Das war der Air-India-Flug 245, also die Lookheed-749A « Malabar Princess » die am dritten November 1950 am Rocher de la Tournette Montblanc Massiv zerschellte. In Frankreich wurde dieses Flugzeugunglück „Accident du Malabar Princess“ genannt. Dieses Ereignis hat auch das kulturelle Gedächtnis Frankreichs geprägt, – so schrieb Henry Troyat den Roman „la neige en deuil“ – der dann die Vorlage für den amerikanischen Spielfilm „der Berg der Versuchung (the mountain)“ von Edward Dmytryk mit Spencer Tracy in der Hauptrolle bildete. Mich hatte dieser Spielfilm, den ich auch als Kind mehrfach gesehen hatte schwer beeindruckt. Sechzehn Jahre später , am 24 Januar 1966, zerschellte dann eine weitere Air India Maschine im Montblanc Massiv, – es war der Air-India-Flug 101.
Am Welttag des Tagebuches habe ich auch noch ein bisschen gelesen, so wie ich es fast jeden Tag tue. Die Anfrangskapitel des Buches„Das Camembert-Diagramm – Ein etwas anderes Frankreich Porträt“ der Spiegel Journalistin Nadia Pantel. Das Buch ist eine Art neuer geographische Landeskunde im Sinne einer „Gastogeographie“ – „géographie gastronomique“ Frankreichs[8]. Das Buch entdecke ich durch den im Spiegel abgedruckten Auszug „Steak frites und Nationalismus“. Auch schon vor der Lektüre dieses interessantes Text war mir klar, dass Steak frites – und in manchen Gegenden Frankreich auch Moules frites den Charakter eines Nationalgerichtes haben. Ich selbst verbinde die beiden Gerichte auch mit der gastronomischen Geographie Frankreichs bzw. der Frankophonie da man ja Moules frites durchaus auch Belgien zuordnen könnte und beide Gerichte schmecken mir außerordentlich gut. Wobei man sagen muss, dass es immer noch schwer ist ein gutes Steak frites – und das Steak wohlgemerkt „saignat“ in Deutschland im Restaurant zu finden. Gleiches gilt auch für ein schönes Moules frites Gericht. Aber dazu könnte man auch hinzufügen, dass man außerhalb Schwabens in Deutschland keinen guten Wurstsalat finden kann[9]. Vielleicht schreib ich ja irgendwann etwas mehr über dieses interessante Buch von Nadia Pantel. Abschließend sollte man noch bemerken, dass es in der deutschsprachigen Wikipedia keinen Artikel über das Steak Frites gibt, – hingegen findet man ein kleines Artikelchen über die Moules frites.
Und dann las ich auch noch ein paar Seiten in „Marseille – Die große Flucht der Literatur“ des Publizisten Uwe Wittstock[10]. Das Buch hatte mir ein Freund vor der Prostataop geschenkt, – und ich hatte auch schon ein paar Seiten darin gelesen, – und nun habe ich es ein Jahr nach der OP endlich zu Ende gelesen. Es ist ein hervorragendes Buch, über das vielleicht auch einmal mehr schreiben sollte. Es ist ein Buch das auch meine eigene persönliche Familiengeschichte tangiert, ja das Tagebuch schreiben in einem gewissen Sinne berührt. Es waren die Ereignisse in Montoire, also die Entrevue de Montoire am 24.10.1940 die meine französischen Großeltern in die Résistance trieben[11]. Montoire das war der Beginn der Kollaboration zwischen Vichy – Frankreich und Nazi-Deutschland. In Uwe Wittstocks Buch begegnet man den „Ereignissen von Montoire“ auf der Seite 231. Diese offizielle Kollabaration zwischen Vichy-Frankreich und Nazi-Deutschland empörten das Volkschulslehrerehepaar Jean Migliori und Germaine Migliori née Monasse so sehr, dass Sie sich der jungen Widerstandbewegung der Résistance anschlossen. Und so kam ich als Enkel des „Instituteur“ und „Resistant“ Jean Migliori, Sohn italienischer Einwanderer, zum Tagebuch Schreiben. Durch meinen Großvater der mir die Freude am Schreiben, am Tagebuch führen an seinem Schreibtisch in Aubord in den 1970er Jahren vermittelte. Tagebuch hat er wohl mindestens seit Mitte der 1930er geführt als er seine Stelle als Volkschullehrer in Hussigny antrat. Und dieses Tagebuch fütterte er relativ regelmäßig bis zu seinem Tod im Jahr 1980 im südfranzösischen Nîmes mit Tagebuchnotizen und Bildskizzen.
Abschließend sei noch hinzugefügt, dass das „Tagebuch Schreiben“ angeblich zur Zeit eine kleine Renaissance erfährt. Die Coronaepedemie und die daraus folgenden Lockdowns sollen zu vermehrten Tagebuch führen geführt haben[12]. Ich habe da doch so meine Zweifel, ob diese sogenannte „Tagebuchrenaissance“ wirklich nachhaltig war, ja ob sie überhaupt jemals stattgefunden hat. Ich kenne jedenfalls niemanden aus dem erweiterten Freundes und Bekanntenkreis der dauerhaft über Jahre ein Tagebuch führt.
Bibliographie:
Anne Frank Fond (Hrsg); Frank, Anne; Pressler Mirjam (Übers.) (2024): Anne Frank Gesamtausgabe : Tagebücher – Geschichten und Ereignisse aus dem Hinterhaus – Erzählungen – Briefe – Fotos und Dokumente.Anne Frank ; herausgegeben von Anne Frank Fonds, Basel ; aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler ; mit Beiträgen von Gerhard Hirschfeld, Mirjam Pressler und Francine Prose, Fischer Taschenbuch Verlag Juni 2024, ISBN 978-3-596-71077-5 (Paperbackausgabe), ISBN 978-3-10-402068-6 (E-Book/epub)
Heute ist Palmsonntag und ich erinnere mich an die Palmsonntage während meiner Kindheitstage, – Kirchgänge in St. Laurentius in Schramberg – Sulgen, – manchmal auch in der alten Kirche in Leucate wo ich ja auch viele Osterferien verbrachte. Eigentlich hatte ich auch vor diesen Palmsonntag in den Palmsonntagsgottesdienst in St.Peter in Grünstadt zu gehen, aber irgendwie wollte das heute nicht klappen. Im Schwarzwald waren in meiner Kindheit ja die „Palmwedel“ oft Stechpalmenzweigen – in Leucate natürlich aus echten Palmen, das waren meist Palmwedel der kanarischen Dattelpalme, – der rote Palmrüsselkäfer wütet ja damals noch nicht im mediterranen Südfrankreich.
Immerhin gehe ich ja seit der Kommunion meiner Kinder, soweit ich Ostern in Grünstadt verbringe, regelmäßig zur ökumenischen Auferstehungsfeier auf dem Grünstadter Friedhof. Vor lauter Osterhasen, Ostereiern, – den Weihnachtsrummel und Weihnachtskommerz im Winter – wird es allzu oft vergessen, – Ostern ist immer noch der höchste Feiertag im katholischen Kirchenjahr, – und bei vielen anderen christlichen Kirchen ist es wohl ähnlich. In der Osternacht wird der Auferstehung Christi gedacht, der Auferstehungsglaube als die große christliche Herausforderung und Hoffnung.
Ich halte mich zwar nicht für besonders gläubig, – aber ich fühle mich irgendwo den christlichen „Ritualen“, vor allem den katholischen irgendwie verbunden. Hinzu kommt, dass das erste Buch, – was ich als Kleinkind von Anfang bis Ende durchgelesen hatte – das war eine Kinderbibel. Das war die „Bibel für Junge Menschen“ aus dem Delphin Verlag. Eigentlich eine Übersetzung aus dem amerikanischen, – im Original hieß die Bibel „The Children’s Bible: the Old Testament, The New Testament“ und wurde von Joseph E. Krause, Samuel Terrein, Rabbi David H. Wice herausgeben und im Goldenpress Verlag in New York 1965 verlegt[1]. Mein eigenes Kinderexemplar welches, soweit meine Erinnerung, wurde mir wohl Ende der 1960 Jahre Anfang der 1970 von meinen Eltern geschenkt wurde als wir noch auf dem Schoren in Schramberg – Sulgen wohnten ist irgendwie nicht mehr auffindbar, so habe ich mir vor einiger Zeit ein etwas jüngeres Exemplar bei Medimops nachgekauft. Seit meinen Kindertagen habe ich die „echte Bibel“ bzw. Auszüge daraus in verschiedenen Ausgaben immer wieder auf Französisch oder auf Deutsch gelesen – zuletzt vor über einem Jahr beim Verfassen des Blogbeitrages „Pensées pascales 2024 : Eloi, eloi, lamma sabacthani?“ .
Gestern hörte ich in SWR-Kultur einen interessanten Radiobeitrag über das Tagebuch schreiben und die Bedeutung von Tagebüchern für die historische Forschung, eigentlich ja eine Wiederholung aus dem Oktober 2024[2]. Das „Bloggen“ ist ja auch nichts anders als ein öffentliches Tagebuch. Auch wenn die große Zeit des Bloggens schon längst vorbei ist, Facebook und andere soziale Netzwerke haben die Bedeutung des Internetblogs im WWW bestimmt minimiert, – es gibt sie immer noch die Blogs und sie werden auch immer noch gelesen. Den Paysagesblog gibt es ja nun auch schon seit Mai 2009[3]. Und manchmal gibt es sogar „Neuzugänge“ in der deutschsprachigen Blogosphäre – so lese ich seit einigen Monaten regelmäßig die „erbaulichen Unterredungen“ von Hasnain Kazim und „der siebte Tag“ von Nils Minkmar, beides Blogs (auch wenn das nicht mehr so heißt) die auf der Plattform steadyhq veröffentlicht werden. Durch das Lesen des heutigen Blogbeitrag von Nils Minkmar „Der Fluch der letzten Meter“ habe ich auch den von Anne Urbauer, Elke Jeanrond-Premauer, Nils Minkmar verfassten offenen Brief an Emannuel Macron „Merci“ zur deutsch-französischen Freundschaft und Europa entdeckt und dann auch unterschrieben.
Und was das Tagebuch schreiben betrifft, völlig unabhängig vom paysagesblog führe ich nun seit über 45 Jahren ein Tagebuch. Eine Vielzahl von „Schreibkladen“ die vollgekritzelt warten, dass man sie mal wieder zu Hand nimmt. Angefangen habe ich das ganze wohl auch weil ich erste biographische Materialien und Eindrücke sammeln wollte weil ich u.a. mit dem Gedanken spielte „Reiseschriftsteller“ oder was ähnliches Journalistisches zu werden. Reiseschriftsteller wurde ich nie, aber immerhin habe ich dann Geographie an der Universität Mannheim studiert. Das hatte zumindest in der Zeit als ich es studierte noch etwas mit Reisen, viel Lektüren und auch viel „Schreiben“ – also dem Verfassen von unzähligen Seminararbeiten, Exkursionsberichten, Praktikumsberichten etc. zu tun[4]. Geblieben von den Träumen von der Schriftstellerei ist also der Blog Paysages und das Führen eines privaten nicht öffentlichen Tagebuches auf Schreibkladden.
Die Ereignisse in den USA haben Spuren in beiden hinterlassen, – im nicht öffentlichen Tagebuch als auch in diesem Blog. Mein letzter Blogbeitrag über den Beginn des akademischen Exodus aus Amerika „Blognotice 30.03.2025 : „Timothy Snyder au Canada : Le Début d’un Exode Académique Américain ?“ wurde in der frankophonen Welt & Blogosphäre häufig gelesen, vor allem in Frankreich und Kanada. Der „Auszug“ von Timothy Snyder, Marci Shore und Jason Stanley von der Universität Yale an die Universität Toronto hat wohl in der frankophonen akademischen Welt für Schockwellen gesorgt, – und nicht nur dort. Marci Shore hat auch zwischenzeitlich in der deutschen Presselandschaft einige lesenswerte Interviews gegeben[5]. Dem ist eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Ich habe das zwar in gewisser Weise kommen sehen, – man kann das auch hier „America where are you going ?“ immer noch nachlesen, das macht es auch nicht besser und vor allem ändert es nichts am Geschehen. Was mich hingegen schon sehr verwundert wie wenig vorbereitet unser Politik, die Politikberatung aber auch viele Journalisten sind und waren. Es scheint als wäre die zweite Amtszeit von Donald Trump für diese „Berufspolitiker & Amerikaexperten“ quasi wie ein unvorhersehbares Naturereignis vom Himmel gefallen. Letztlich ist man auf dieser Seite des Atlantik nur ein interessierter Beobachter manchmal auch ein erschrockener Beobachter, – der irgendwie hoffte, dass es den Bürgern der USA doch noch irgendwie gelingt die liberale Demokratie über die Trumpjahre zu retten. Besonders erschrocken hat mich der Angriff der Trumpadministration auf das kollektive Bildgedächtnis der USA, das erinnert doch sehr stark an die Stalinistische „Bildretusche“[6]. Die Auswirkungen der Trumpschen „Säuberung“ des kollektiven Bildgedächtnis des USA werden ja schon im Regionalteil der Rheinpfalz diskutiert, das wirkt ja schon bis in die tiefste deutsche Provinz, die Pfalz hinein[7].
Letztlich lebt man dann doch in Europa. Deshalb ist es gut, dass wir in Deutschland wohl demnächst eine neue Regierung haben. Ich hätte mir lieber eine andere Regierung gewünscht[8], aber nun muss man hoffen, dass es zu dieser Regierungsbildung kommt. Immerhin wird es keinen CSU-Verkehrsminister geben, – das ist ja schon mal was. Von einer CDU-geführten Regierung hätte ich schon erwartet, dass sie die Wehrpflicht oder auch ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr einführt. Ich bin wohl einer der wenigen SPD-Mitglieder, die das für sinnvoll halten, was ich ja auch in diesem Blog schon dargestellt habe[9], wobei ich bisher innerhalb der SPD nie mitbekommen habe, dass das die „Wiedereinsetzung der Wehrpflicht oder die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres “ irgendwie innerparteilich diskutiert wurde. Marina Kormbaki hat zur Wiedereinführung der Wehrpflicht übrigens einem sehr guten Leitartikel in einem der letzten Spiegel verfasst[10].
Ich bin zwar nicht begeistert vom Programm dieser „designierten“ schwarz – roten Regierung, – auch nicht vom designierten Kanzler Merz, – aber die Alternative zu dieser Regierung, wäre ein politisches Chaos von dem nur die AFD profitieren würde. Man muss sogar hoffen, dass die Regierungsbilanz dieser neuen Regierung erheblich besser wird, als die der gescheiterten Ampel, denn ansonsten wird man wohl damit rechnen müssen wird dass die AFD die stärkste politische Kraft in Deutschland werden könnte.
Immerhin eines ist sicher, – trotz instabiler politischer Weltlage, der erratischen Zollpolitik der Trumpadministation, der Frühling lässt sich nicht mehr vertreiben, – ein paar letzte Mandelbäume blühen noch im Leiningerland und an der Unterhaardt, ansonsten blühen überall die Kirschbäume und auch die ersten Apfelblüten sind schon zu sehen.
Den gestrigen Frühlingstag habe ich u.a. auch dazu genutzt mit einem meiner Kinder „Bärlauch“ zu sammeln, – den Rest des Tages verbrachte ich mit der sehr interessanten Lektüre des Buches „Souvenirs d’un apatride“ – den politischen Memoiren von Daniel Cohn-Bendit die er zusammen mit Marion van Renterghem verfasst hat. Ich denke, dass eine deutsche Übersetzung bestimmt irgendwann folgen wird. Ich könnte mir auch vorstellen, dass dieses Buch in Deutschland einen großen Leserkreis finden würde!
„Mein Schwaben – Leben und Speisen im Ländle des Eigensinns“ so heißt das neueste Buch von Vincent Klink. Die erste Spur des Buches entdeckte ich in einem Spiegelbeitrag über die Erfahrungen von Barbara Supp als „Handlangerin“ in Kliniks Wielandhöhe[1]. Beim Lesen des interessanten Artikels von Barbara Supp, erinnerte ich mich daran, dass ich irgendwann in meinem Leben mal vorgehabt hatte vor meinem sechzigsten Geburtstag dort einen schönen Abend mit Studienfreunden aus Mannheim und Stuttgart zu verbringen. Aber dann erwischte mich u.a. anderem die Krankheit die schon Mitterrand zu Fall brachte, – die „Maladie de Mitterand“ – und irgendwie war es auch dann wieder vergessen[2]. Meinen sechzigsten verbrachte ich dann im Schwarzwald, in Buchenberg[3] nicht weit von der Schwarzwaldstadt Schramberg in der ich aufgewachsen bin. Mit schönen Wanderungen durch den Schwarzwald und gutem Essen. Auch in Buchenberg sowie der gesamten Raumschaft Schramberg kann man gut essen, wie beispielsweise im Café Rapp in Buchenberg, dem Hirsch in Schramberg, dem Adler auf dem Fohrenbühl um einfach ein paar Namen zu nennen. Natürlich kann man diese Gasthöfe nicht mit der Wielandshöhe in Stuttgart vergleichen. Anders, aber dennoch gut. Und dann gibt es auch noch die Friedhofskapelle St. Nickolaus in Buchenberg, – die zu meiner Schulzeit als einer ältesten Kirchen im Schwarzwald zählte. Von Buchenberg kann man schön auf den Mönchhof[4] und dann weiter aufs „Hardt“ spazieren gehen. Man kann das natürlich auch in umgekehrter Richtung laufen. Bei guter Sicht hat man auf dieser Spazierstrecke abschnittsweise einen schönen Blick auf die Schweizer Alpen, den Säntis und viele andere Berggipfel der Ostalpen. Früher gab es an diesem Weg am Waldrand auch mal eine Bank mit dem Namen „Alpenblick“. Erwähnenswert ist auch die im Jahre 2000 vom damaligen Hofbauer und Wirt Martin Flaig im Mönchhof erbaute Hofkapelle namens St. Martin[5].
Je nachdem wie man „Schwaben“ oder das „Schwäbische“ definiert, bin ich ja mitten im „Schwäbischen“ aufgewachsen. Und mit dem „Schwäbischen“ hat es ja schon eine besondere Bewandtnis bei mir. Als Kind, zu Grundschulzeiten, meinten wiederholt Freunde meiner Eltern „der Bua kann kei Hochdeutsch, – sondern nur Französisch und Schwäbisch[6]“. Hochdeutsch lernte ich dann erst in der Grundschule und später im Gymnasium in Schramberg. Schwäbisch lernte ich „uf der Gass“ – wobei man eigentlich sagen müsste ich lernte das auf den Höfen[7], den Wiesen und Wäldern auf dem Schoren, der Hutneck[8] und dem Feuerenmoos in der Bergvorstadt Schramberg-Sulgen und bei der Verwandtschaft, also meinen Großeltern und den vielen Neff’s in der Karlstraße vis à vis des Saulgauer Bahnhofes[9]. Und wahrscheinlich ist mein Deutsch doch immer noch dialektal „schwäbisch“ gefärbt, obwohl ich ja schon seit Jahrzehnten in der Kurpfalz lebe.
Als ich das Buch „mein Schwaben“ zum ersten Mal in der Hand hielt überlegte ich, wie Klink eigentlich „Schwaben“ definiert und wie ich es definieren würde. Für mich entspricht „Schwaben“, also der schwäbisch-alemannische (dialektale) Sprachraum im weitesten Sinne der Region Mitteleuropas in dem der „Wurstsalat“ zu Hause ist, wobei der Wurstsalat im Elsass nicht „Wurstsalat“ heißt, sondern als „salade de cervelas“ oder „salade alsacienne de cervelas[10]“ bezeichnet wird[11]. Letztlich entspricht diese, meine „géographie grastronomique imaginaire[12],[13]“ angelehnte kognitive Definition „Schwabens“ auch der von Klink gewählten räumlichen Abgrenzung Schwabens, die letztlich wie auch die erste Vorsatzkarte in Klinks Buch zeigt, sich an den Grenzen des mittelalterlichen Herzogtum Schwaben orientiert – was Klink dann auch im Prolog seines Buches in Worten darstellt. Das ist schon eine besondere räumliche Abgrenzung, wenn man bedenkt, dass man wohl im alltäglichen Sprachgebrauch, Schwaben mit Württemberg oder gar dem Königreich Württemberg gleichsetzt, – was wohlgemerkt historisch falsch ist. Klink ist mit der geographischen Abgrenzung „Schwabens“ historisch auf der sicheren Seite. Wobei in diesem Sinne, das Blutgericht zu Cannstadt, doch auch irgendwie zur Sprachen kommen müsste, aber vielleicht ist es im Buch auch erwähnt und ich habe es auch „überlesen“. Und soweit man Vincent Klinks Ansatz folgt, oder eben auch der „Gastrogeographie“ des Wurstsalates bzw. der Salade de Cervelas, dann wird die badisch-württembergische Landesgrenze die ja früher auch über den Fohrenbühl verlief zur Makulatur. Das Badenerlied ist ja auch erheblich jünger als das Volkslied „uf der schwäbischen Eisenbahnen“. Und selbstverständlich zählen dann auch die nördlichen Kantone der Schweiz zu diesem Schwaben, auch wenn Klinks Buch da keinen Fuß setzt.
Weiterhin überlegte ich mir, was für mich eigentliche „Schwäbische Speisen und Gerichte[14]“ sind, – und befragte dazu auch noch meine Geschwister. Abgesehen vom „Wurstsalat“ fielen mir da ein, – schwäbischer Kartoffelsalat, Maultaschen, Flädle und Flädlesuppe, saure Nierle und Bratkartoffeln[15], Linsen mit Spätzle, der schwäbische Zwiebelrostbraten, die „Seelen“ Oberschwabens und die fast vergessenen weißen Kalbsbratwürste, die als „Nackerten“ in Oberschwaben bezeichnet wurden[16], – die im Hause meiner Großeltern im oberschwäbischen Saulgau in den 1960 und frühen 1970 Jahren als besondere Delikatesse galten. Und nicht zur vergessen, der Träubleskuchen[17] und die „Springerle“. Vielleicht sollte man auch hinzufügen dass die Heidelbeerkuchen und auch die Zwetschgenkuchen, die ich als Kind in Raumschaft Schramberg immer gern gegessen habe, – doch sehr der elssäsischen „Tarte aux Myrtille“[18] , [19] bzw. „Tarte aux Quetsch“[20] geähnelt haben. In Klinks Buch findet man zu einigen dieser schwäbischen Speisen, aber längst nicht zu allen, Kochrezepte zum „selber kochen“.
Klinks Buch ist eine interessante Mischung, aus rezenter Landeskunde, historischer Geographie und Gastrogeographie eines Landstriches des südwestlichen Mitteleuropas welches man „Schwaben“ nennt. Man könnte es auch als moderne Landeskunde Schwabens ohne wissenschaftlichen Anspruch bezeichnen. Ein Geographiebuch der schwäbischen Landschaften mit kulinarischem Hintergrund. Ja, hier und da habe Neues lernen können, obwohl ich mich ja auch beruflich mit den Südwestdeutschen Landschaften, besonders mit dem rezenten Landschaftswandel befasse, und auch in der universitären Lehre den Zusammenhang von Naturraumausstattung und regionaler Küche immer wieder thematisiere.
Dass „Sebastian Blau“ das Pseudonym von Josef Eberle dem späteren Herausgeber der Stuttgarter Zeitung war, unter dem er während der Naziherrschaft schwäbische Gedichte herausgab, das wusste ich. Aber beispielsweise hatte ich nie von der Widerstandsgruppe „Schlotterbeck“ in Stuttgart während der Zeit des Nationalsozialismus gehört. Else Himmelheber und Friedrich Schlotterbeck widmet Klink auch ein paar Seiten in seinem Buch. Man entdeckt mit Wilhelm Rieber und seinen Tourbillons einen „horloger independant“ wie man ihn doch eher irgendwo in Genf, oder im Schweizer Jura in der Vallée de Joux oder in der Umgebung von La-Chaux-de-Fonds vermutet hätte, aber doch nicht in Tiefenbronn am Rande des Nordschwarzwaldes im Enzkreis. Ja und in diesem Buch lässt sich noch weit mehr entdecken, – oder Altbekanntes wiederentdecken, wie zum Beispiel „Die Liebe höret nimmer auf[21]“ und begegnet Katharina Pawlowna der Königin von Würrtembergund ihrem untreuen Gemahl Wilhelm. AuchFriedrichHölderlin, sowie die anderen Dichter der schwäbischen Dichterschule wie z.B. Justinus Kerner, Eduard Mörike werden nicht vergessen. Besonders gefreut hat mich in dem Buch das Gedicht „Hälfte des Lebens“ [22] von Hölderlin wiederzufinden. Ich halte es für eines der schönsten Gedichte der deutschen Sprache.
Letztlich hat mir das Buch sehr gut gefallen. Natürlich hat Vincent Klink eine sehr subjektive Auswahl getroffen, aber das halte ich für normal. Schwäbisch Gmünd und die Ostalb schildert Klink so anschaulich, dass ich mir bei der Lektüre dachte, da müsste ich doch mal hinfahren, da ich die Gegend nur sehr oberflächlich kenne. Gefehlt haben mir etwas die Wilhelma, der Modellbahnhersteller Märklin[23] aus Göppingen, die schwäbischen Lokomotivbauer von der Maschinenfabrik Esslingen und das Volkslied „uf der schwäbische Eisenbahnen“, die Schwarzwälder Uhrenindustrie, das sind alles Begriffe die ich persönlich mit „Schwaben“ verbinde. In die Wilhelma machte ich als kleiner Bub meine erste größere Reise, – eine Tagesreise Ende der 1960 Jahre von Schramberg in die Landeshauptstadt Stuttgart, – den Onkel Ewald der mit komplizierten Beinbruch in einem Stuttgarter Krankenhaus lag, – danach die Wilhelma entdeckt, – und auch die gelben Straßenbahnen, sowie die Zacke gesehen habe. Der Nachmittag in der Wilhelma war ein unvergessliches Erlebnis für den kleinen Buben, der ich damals war. Und ich bin danach immer wieder gekommen, – auch als Erwachsener, habe sogar während meiner Assistentenzeit in Mannheim dorthin botanische Exkursion durchgeführt, – denn das ist weniger bekannt, – die Wilhelma ist auch ein sehenswerter botanischer Garten.
Abschließend noch ein Punkt, der mich besonders berührt hat. Das Buch von Klinik ist natürlich hier und da eine Beschreibung der Wirtshaus bzw. Gastwirtschaftskultur „Schwabens“ – bzw. dem was davon heute noch übrig geblieben ist[25]. Dementsprechend gibt es auch eine subjektive Liste von empfehlenswerten Gasthäusern aus dem Schwabenland die Klink an den Schluss seines Buches gestellt hat.
In meinen Kindheitstagen gingen wir mit den Eltern fast an jedem Sonntag irgendwo ins Gasthaus essen. In Schramberg, wo ich aufwuchs, – hatte das sonntägliche Essen in der „Wirtschaft“, vielleicht auch etwas mit der Uhrenindustrie[26] zu tun,in der auch viele Frauen arbeiteten. Den arbeitenden Frauen in der Fabrik bzw. der Heimarbeit, wollten die Familien soweit sie es sich leisten konnten, einen „Koch“ und „Arbeitsfreien“ Sonntag schenken. Bei meinen Eltern traf das ja sowieso nicht zu, denn sie waren ja gar nicht beim „Junghans“, sondern im öffentlichen Dienst beschäftigt[27]. Aber das sonntägliche Essen gehen, das kannte mein Vater auch von seinem Zuhause im Oberschwäbischen Saulgau. Da ging man halt sonntags ins „Gasthaus“. Meistens nach dem Kirchgang. Und dann gab es auch noch die Stammtische abends, an den dann auch „gevespert[28]“ wurde. So nahmen meine Eltern jahrzehntelange am Französischlehrerstammtisch des Gymnasium Schramberg teil. Diese wurde u.a. von Irmgard Ströhle[29], unsere Familien waren befreundet – ja wir hatten quasi gemeinsam im Neubeugebiet Eckenhof im Lärchenweg gebaut[30], organisiert. Diese Französischlehrerstammtische fanden dann entweder im Schwanen auf der badischen Seite der Passhöhe Fohrenbühl, – oder im Schraivogel in der Talstadt in etwas unregelmäßigen Abständen statt. Essen gingen meine Eltern oft in Lauterbach, – ins Gedächtnishaus Fohrenbühl dem „Turm“ zum Mutschler, – manchmal auch in den Adler auf dem Fohrenbühl – der württembergischen Seite des Fohrenbühl, manchmal in den „Hasen“ im Sulzbachtal. Oft gingen sie auch mit Freunden in die Hirschbrauerei in Flözlingen, die ja Jahrzehnte lang als kleinste gewerbliche Brauerei Deutschland galt. Hier war dann oft das Ehepaar Harald und Gabi Frommer mit dabei, auch ein Lehrerehepaar vom Gymnasium mit denen meine Eltern auch befreundet waren und die darüber hinaus noch ähnliche politische Ansichten wie meine Eltern teilten. Und natürlich gab es noch andere Gastwirtschaften die mit anderen Freunden oder auch mit den Genossen der Schramberger SPD, aber die Gasthäuser der Schramberger SPD das wäre dann doch noch ein eigenes Kapitel wert, regelmäßig besucht wurden, denn Gasthäuser gab es damals rund um Schramberg wie in großen Teilen des Schwabenlandes noch mehr als genug. Diese kleine „Wirtschaftswelt“ findet man auch im Buch von Vincent Klink zwischen den Zeilen wieder. Und was die „historische Wirtschaftsgeographie“ der Raumschaft Schramberg betrifft, – da könnte man ein ganzes Buch füllen, – ein Buch was man erst noch schreiben müsste[31]. Tatsächlich gibt es solch eine „Wirtschaftgeographie“ für das kleine oberschwäbische Saulgau, man findet in dem Buch „ Saulgau Stadt und Landschaft“ (Eck & Höhfeld 1989) im Kapitel „kleine „ Wirtschafts“ – Geographie“ (S.162-192) tatsächlich ein Verzeichnis der Gastwirtschaften incl. historische Kurzbiographie der einzelnen Lokalitäten.
Manche dieser Wirtschaften aus meinen Kindheitstagen gibt es heute noch[32], manche sind auch verschwunden, und das gilt sowohl für Bad Saulgau als auch die Raumschaft Schramberg in der ich aufgewachsen bin. In den Adler auf dem Fohrenbühl gehe ich selbst immer noch sehr gerne, ein oder zweimal im Jahr soweit es sich einrichten lässt. Der Adler ist schon eine regelrechte Institution auf dem Fohrenbühl, – seit 1780 wird dieser Gasthof von der Familie Moosmann geführt. Irgendwann sollte ich doch etwas mehr in diesem Blog über den Adler schreiben. Wie Vincent Klink so schön schreibt „Es gibt sie aber noch, die guten Gasthäuser, man muss sie nur finden“ (Klink, 2024, 309)[33].
Als ich das Buch „Mein Schwaben“ las ging es mir gesundheitlich nicht sehr gut, – aber vielleicht waren es auch diese kleinen Ausflüge in die Welt der ländlichen Gasthäuser Schwabens die man hier und da verstreut über das ganz Buche findet, die mich persönlich so angesprochen haben. Ja, ich muss es gestehen, die Lektüre des Buches „Mein Schwaben“ von Vincent Klink, die hat mir richtig gut getan! Wie die „Flädlesuppe“ aus meinen Kindheitstagen …..
Bibliographie & Quellen:
Cohen, Ute (2024): Der Geschmack der Freiheit. Eine Geschichte der Kulinarik. Ditzingen, Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, ISBN 978-3-15-962278-1
Evangelische Kirchengemeinde Buchenberg (Hrsg)(2001): Todt-Druck Villingen, 2001/2002 im Auftrag der evangelischen Kirchengemeinde Buchenberg. ISBN 3-927677-32-9
Kohlmann Dieter (2024): Die Kindheitserinnerungen der Anna Braitsch – Zur Geschichte der Gastwirtschaft „Hammerhäusle“ im Stadtteil Höfle (1). In : D’Kräz, Beiträge zur Geschichte der Stadt und Raumschaft Schramberg 2024, 44, 5- 19.
P.S.: Den ersten Entwurf dieses Textes verfasste ich am 23.01.2025, also genau am 80 Todestag von Eugen Bolz, dem letzten Staatspräsidenten des Volksstaates Württemberg, der am 23.01.1945 in Berlin Plötzensee von den Nazis hingerichtet wurde.
[3] „Leben im Dorf – Schmackhaftes und Liebenswertes aus Buchenberg“ so heißt eine durchaus lesenswerte kulinarisch-historische Dorfchronik dieses inzwischen zu „Köngigsfeld“ gehörenden Schwarzwalddorfes welches 2001 durch die Evangelische Kirchengemeinde Buchenberg herausgegeben wurde.
[4] Der Weiler Mönchhof gehört auch zu Buchenberg, dort befindet sich auch ein gleichnamiger Gasthof, der Mönchhof. Der eigentliche Möchhof geht wahrscheinlich ursprünglich auf eine Siedlung der Klosters St. Georgen zurück, deren Spuren sich bis ins 11 Jahrhundert verfolgen lassen. Im gleichnamigen Gasthaus kehrten meine Eltern oft mit Freunden und mit uns Kindern in den 1970 Jahren nach dem Pilzesammeln ein.
[5] Zur Geschichte des Mönchhofes und der St. Martin Kapelle siehe auch die reichbebilderte Internetseite „Krippe in der Mönchhof-Kapelle“ der Griesshaber – Family aus Tennenbronn. Erstaunlich ist das es keine Wikipediaseite zum Weiler Mönchhof gibt.
[7] Höfen, im Sinne von landwirtschaftlichen Anwesen, also Bauernhöfen.
[8] Interessante geographisch-landeskundliche Hinweise zur Hutneck findet man auf Internet-Seite „Hutneck – der Stadtteil von Schramberg“ und zwar hier unter: „Hutneck und deren Geschichte“.
[11] Laut dem „Atlas gastronomique de la France“ als „Salade de Cervelas au Gruyere“ (Pitte, J.-R.2017, Karte S. 97) bezeichnet, was wohl weitestgehend dem im Schwarzwald als « Straßburger Wurstsalat » Gericht entspricht. Wobei das Verbreitungszentrum der „Salade de Cervelas au Gruyere“ sich bei Pitte in den Hochvogesen befindet.
[12] Eine sehr schöne rezente „géographie gastronomique“ Frankreichs ist das Buch „On va deguster la France“ (Gaudry 2017). Solch eine „géographie gastronomique“ von Deutschland wäre auch ein schönes Buchprojekt.
[13] Eine deutschsprachige historische Geographie der „Kulinarik“ bietet das Buch von Ute Cohen „Der Geschmack der Freiheit – eine Geschichte der Kulinarik“ – welche die historisch-geographische Entwicklung der Kulinarik beidseits des Rheines in Frankreich und Deutschland und darüberhinaus durchleuchtet
[14] Es gibt ja bei Wikipedia ja tatsächlich eine Seite namens „Schwäbische Küche“, die ich bei der Korrektur dieses Textentwurfes dieses Blogbeitrag entdeckte.
[15] „Sauere Nierle“ findet man an Fasnacht noch relativ regelmäßig auf Speisekarten der „Wirtschaften“ in der Raumschaft Schramberg. Aber ansonsten, sind sie doch sehr selten auf Speisekarten in Südwestdeutschland zu finden, hingegen findet man „Rognons“ in Frankreich schon etwas öfter. Vor kurzem konnte jedoch im „Ochs & Schwan“ in Kirchheim an der Weinstraße vorzügliche Kalbsnieren in Cognacsrahm genießen, – hier ein Link zur Winterkarte 24/25.
[19] Einen solchen Heidelbeerkuchen, der sehr der elsässichen „Tarte aux Myrtilles“ ähnelt, mit selbstgepflückten Heidelbeeren vom Fohrenbühl gibt es im mehrfach in diesem Text erwähnten Adler auf dem Fohrenbühl.
[26] Eine sehr kompakte Darstellung der Geschichte findet man u.a. in dem Buch „Junghans. Uhren – Federn – Zünder ein Kaleidoskop“ von Gernot Stähle (2022). Eine Kurzrezension dieses Buches kann man hier in diesem Blog im Artikel „Blognotiz 24.11.2024: Worms im Nebelmeer“ finden.
[27] Mein Vater unterrichte Französisch, Geschichte und Politik am Gymnasium Schramberg. Meine Mutter leitete einen Kinderhort in Schramberg, – und war daneben sehr in der SPD sowohl landespolitisch als auch kommunalpolitisch aktiv.
[28] Schwäbisch „Vespern gehen“, – Abends in die Gastwirtschaft essen gehen,- und meist einen Wurstsalat, Bratwürste oder eine kalte Wurst bzw. Speckplatte verzehren.
[29] Irmgard Ströhle unterrichte Französisch und Geographie am Gymnasium Schramberg. Sie absolvierte zusammen mit meinem Vater das Referendariat am Seminar Rottweil. Sie war mit Karl Ströhle verheiratet, der am selbigen Gymnasium Mathematik und Physik unterrichtete. Ihn hatte es sozusagen von Laichingen von der „Alb ra“ nach Schramberg in den Schwarzwald geweht.
[31] Zur Bedeutung der Wirtschaft bzw. des Gasthauses für die Geschichte der Stadt Schramberg siehe u.a. auch Kohlmann Dieter (2024): Die Kindheitserinnerungen der Anna Braitsch – Zur Geschichte der Gastwirtschaft „Hammerhäusle“ im Stadtteil Höfle (1). In : D’Kräz, 44, 5- 19.
Ayant plus au moins vécu chez elle à Aubord dans le Gard durant les années 1980 et 1990[2], – j’avais pris l’habitude de lire en plus du « Monde » que je cherchais ou à Nîmes ou à Générac, parfois « le Monde » se trouvait aussi à Aubord, de lire ces lectures, – qui fut le mensuel catholique « le Pèlerin » et « la Croix du Midi (Croix du Gard) ». Je crois aussi de me souvenir qu’elle contribuait aussi de temps en temps avec des articles sur la vie religieuses entre Vauvert, Bernis, Aubord et Nîmes à la Croix du Midi. Et naturellement elle pratiquait aussi une sorte parfois très spéciale du culte marial. Et comme « Tante Jeanne » , elle aussi était une « fille de l’Est ». Je me souviens encore bien, que quelques mois avant de mourir elle entonnait « On ira pendre notre linge sur la ligne Siegfried » devant ma fille, qui n’avaient même par dix ans, ou lui parlait du « serment de Koufra » du colonel Leclerc « « Jurez de ne déposer les armes que lorsque nos couleurs, nos belles couleurs, flotteront sur la cathédrale de Strasbourg. ». Drôle de coïncidence, aujourd’hui, le jour que j’écris ces lignes, on fête le 80e anniversaire de la libération de la ville de Paris. On se souvient des exploits de la résistance, on se souvient du général Leclerc, de « La Nueve», – si naturellement on veut bien se souvenir, qu’on a un certain sens historique !
La « guerre », « l’occupation allemande », « la résistance », – mort et déportation faisait aussi partie de ce monde. Ma grand mère attendait jusqu’à la fin de ses jours le retour du cousin de son mari (mon grand – père) déporté « Libéro Casciola » du camp de Bergen-Belsen[3]. Ce monde des souvenirs de la deuxième guerre mondiale on le trouvait aussi bien dans le Monde de Tante Jeanne de Simone Morgenthaler comme chez ma propre Grand Mère. Même dans la Forêt Noire entre Durbach et Offenburg on trouve encore des vestiges de ces terribles années, le mémorial pour les résistantes Henriette Amable, Lucienne Barnet, Marie-Therese Mengel et Simone Pauchard qui fut fusillées le 27. Novembre 1944, victimes de la « Schwarzwälder Blutwoche ».
Une chose qui m’a particulièrement plu dans le livre de Simone Morgenthaler ce sont les passages en Alsacien (qui sont traduit en français dans le livre). Je lis et je comprends et je peux même parler un peu l’Alsacien, – en fait l’Alsacien est phonétiquement assez proche du Schramberger Schwäbisch (le dialecte souabe qu’on parlait à Schramberg dans les années 1950 – 2000). Quand j’étais petit les amis de me parents, disait souvent « der bua kann kei Hochdeutsch, – nur Französisch und Schwäbisch (le garçon ne pratique pas le « Hochdeutsch » seulement le français et le schwäbisch (le souabe)) – le français était ma langue maternelle – le « schwäbisch » je l’avais appris « uf de gass[4] » (dans la rue) et finalement le Hochdeutsch à école primaire au « Sulgen »[5]. Mais il faut aussi préciser que le « Schramberger Schwäbisch » que j’ai apris « uf de gass » – et aussi en train de disparaitre peu à peu au profit du « Hochdeutsch » et « Honorationenschwäbisch[6] ». Et comme j’ai grandit dans cette langue, – ce qui me permait même de lire le « Yiddish » en transcription latine ce qui est en fait qu’une version écrite du « Yiddish alsacien » [7], les passages en alsaciens dans Tante Jeanne m’ont réellement touché au cœur. Je pense que l’alsacien comme le Schwyzerdytsch est un train de devenir un véritable langue qui s’éloigne de plus en plus du « Hochdeutsch » . Il faut savoir qu’une grande partie des films de télévisions provenant de la Suisse alémanique sont sous-titrés en Allemagne, ou même comme les « Tatort Suisse » synchronise en « Hochdeutsch »[8]. Simone Morgenthaler dans son récit utilise souvent l’expression de culture germanique, peut être « Tante Jeanne » était une française de culture germanique, – mais de nos jours – je pense que les personnes maitrisant encore l’alsacien sont plutôt de culture franco-alémanique – et dans ce sens il me semble que le prix Johann-Peter-Hebel-Preis fut récemment décerné à Pierre Kretz. Et pour revenir à ma Grand-mère, chez elle à table à Eckbolsheim on parlait que le français. A sa table on ne parlait pas de langues « étrangères », c’était même plus ou moins « interdit » ! . Ici donc tout un autre monde que chez « Tante Jeanne » à Lochwiller. Mon grand-père, d’origine italienne, – quand il s’énervait, – et cela arrivait assez souvent – tombait dans l’italo-romagnole d’Hussigny – le dialecte qu’on parlait dans la « Basse-Italie » de Hussigny[9] ! L’alsacien à Eckbolsheim pendait ma petite enfance je le parlais surtout avec le frère de ma mère l’oncle Jean-Pierre, – et avec Edouard le fiancé et marie de ma tante Chantal!
On peut aussi lire le livre de Simone Morgenthaler comme voyage dans le temps, décrivant les paysages ruraux de la France du début des années 2000, du III ième millénaire, sorte de livre de géographie de la France profonde pendant les années de la présidence de « Jacques Chirac ». Et en parcourant la France avec le récit de Simone Morgenthaler on découvre aussi la vie « Nicolas de Flüe (Niklaus von Flüe/ Bruder Klaus)», on rencontre Robert Bengel[10], juste parmi les nations qui fut curée à Lochwiller de 1945 à 1959. On fait aussi la connaissance de Pierrette Bideau première méhariste et résistante et de son époux Henri Brandstetter, résistant et Chef d’état-major de la Brigade indépendante Alsace-Lorraine. Ces deux personnages qui ont façonnées l’histoire de France aurait largement méritée un article dans la Wikipedia francophone, – jusqu’à présent on ne retrouve pas beaucoup d’informations sur les deux, – sauf cette petite biographie militaire « Henri Brandstetter Schatzy» écrite par Marie Noèl Diener-Hatt sur le site du Comité pour la mémoire de la Brigade Alsace-Lorraine. Je pourrais longtemps continuer de décrire mes découvertes dans les lignes du récit de voyages de Simone Morgenthaler. Mais pour cela il faudrait peut-être même écrire un livre entier à part – « paysages historiques & histoires entre Strasbourg, Marmoutier, Lochwiller et Lourdes – sur les traces de Tante Jeanne et Simone Morgenthaler à travers la France profonde».
J’ai beaucoup aimé le livre « sur la route avec Tante Jeanne » écrite par Simone Morgenthalter. Petit B-Mol, – les éditions « la Nue bleues » aurait pu présenter une version électronique « epub » pour les « liseuses », car comme je l’ai déjà écrit dans ce blog, – je manque de place dans ma bibliothèque[11] !
Je suis géographe et j’ai donc une « carte cognitive » assez précise de la France – mais je pense qu’une petite carte de la France où on retrouve « Lochwiller » le centre du Monde de Tante Jeanne, et le tracé du voyage de pèlerinage de Lochwiller à Lourdes allez et retour à travers la France pourrait certainement enrichir le livre.
Durant mes derniers jours à la clinique de réadaptation à Durbach j’ai gravi le Ölberg pour voir si je pourrais apercevoir Lochwiller, mais je n’ai pas réussi à reconnaitre le centre du Monde de Tante Jeanne, – mais j’ai quand même pu reconnaitre la Cathédrale de Strasbourg depuis mon point de vue. Peut être un jour je ferai un petit tour vers Lochwiller, visiter Église Saint-Jacques-le-Majeur de Lochwiller, pour déchiffrer un peu les paysages qui ont fait partie de la vie de Tante Jeanne et d’une certaine manière de Simone Morgenthaler.
Et pour finir, – une traduction allemande serait certainement la bienvenue – en n’oubliant pas de traduire les parties alsaciennes en « Hochdeutsch ».
Le récit de voyage « sur la route avec tante Jeanne » écrite par Simone Morgenthaler était une lecture qui d’une certaine façon m’a permis de partir en voyage virtuel à travers la « France profonde » loin des réalités parfois étranges d’une clinique de réadaptation, un ouvrage à lire sans modération.
Bibliographie :
Minczeles, Henri (2022) : Histoire générale du BUND. Un mouvement révolutionnaire juif. Troisième édtion. Préface de Constance Pâris de Bollardière. Édition l’échappée Paris 2022, ISBN 978-23730910-9-0
[6] «Honorationenschwäbisch » literalement le « souabe » des notables, – originellement le Hochdeutsch des notables ayant fait des etudes universitaires avec une conotation dialectale suabe, – c’était le parlé des pasteurs protestants, des medicins, avocats, professeurs qui avait fait leurs etudes universitaire à Tübingen. Dans un certains sens les vestiges de la langue parle par Schiller, Hegel, Hölderlin, Mörike …..
Es ist Wochenende, Samstagmorgen im Cafe Steidler an der unteren Steige in der Talstadt Schramberg. Ruhe im Himmel, keine Düsenjäger die über den Schwarzwald jaulen, keine Starfighter die über das Heckengäu ziehen, keine Mirage die im Konturenflug durch’s Kinzigtal und dann durch das enge Schiltachtal braust, über dem Schramberger Talkessel hochzieht, über dem Sulgen weiter über die Muschelkalkhügel des Heckengäu gen Osten fliegt, um die imaginären roten Panzerkolonnen, die an den Rhein, die französische Grenze drängen, noch vor dem Neckar zum Stehen zu bringen. Wir sind in der Hochzeit des kalten Krieges, – und kurz nach Elf treffen wir uns im Steidler um die Welt zu diskutieren.
Was sagt der letzte Spiegel, was sagt vor allem die Zeit, – und im Steidler so wie auch im Bruckbeck und im Cafe Brantner konnte man auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung lesen. Ich habe Freunde, die wurden damals FAZ Leser, – ich wurde es nicht. Und der Walser hat gesagt, – und der Walser hat geschrieben, und der Walser meint, und der Augstein sagt …..
Wir, das waren ein paar Freunde aus der Oberstufe, – manche hatten auch schon ihr Abi in der Tasche, waren bei Bund – den man damals den Barras nannte, – Zivis – also Zivildienstleistende gab es kaum, denn damals musste man noch ein aufwendiges Prüfungsverfahren die sogenannte Gewissensprüfung durchlaufen und das hat sowieso kaum jemand geschafft …. und ein paar machten auch schon ein Volontariat beim Boten (Schwarzwälder Bote), dem Tagblatt (schwäbische Zeitung), der Südwestpresse ….
Daran musste ich denken, als ich vor etwas über einem Jahr vom Tod des Martin Walser erfuhr. Wir waren mitten im kalten Krieg, Anfang der 1980 Jahre, – ich war damals noch Oberstufenschüler und besuchte das Gymnasium in Schramberg, an dem ich 1984 das Abitur ablegte. Walser wurde viel gelesen, – und war, in den überregionalen Medien mit seiner gewichtigen Stimme, die viel zu sagen hatte damals in der westdeutschen Nachkriegszeit sehr präsent. Als ich von Martin Walsers Tod erfuhr, musste ich an den kalten Krieg denken – die Düsenjäger über Schwarzwald, Alb und Bodensee, – und unsere „Samstagsitzungen“ im Cafe Steidler an der Steige. Damals war ja noch an jedem zweiten Samstag bis kurz nach Elf Schule. Letztes Jahr als ich vom Tod Walser erfuhr, wollte ich erst etwas für paysages schreiben, aber dann ist es im Alltagstrubel etwas untergegangen, das Schreiben wurde vergessen, und dennoch bleibt die Erinnerung an Walser als meinungsstarken Chronist der Nachkriegsjahre.
Stattdessen kaufte ich mir sein letztes Buch mit den Illustrationen von Cornelia Schleime – „das Traumbuch Postkarten aus dem Schlaf“ und die Taschenbuchversion von „ein springender Brunnen“. Ich war doch sehr erstaunt, dass es den springenden Brunnen nicht als Epub gibt, – denn ich versuche seit dem ich einen Tolino besitze[1], – möglichst die meisten meiner Buchanschaffung in Form eines ePub zu tätigen, da ich gar nicht mehr weiß, wohin mit allen meinen Büchern. Wobei die Lektüre des springenden Brunnen auch auf sich warten ließ. Ich war in meinen jungen Jahren bestimmt kein Martin Walser Fan, – sowie beispielsweise mein Vater, der bis zu seinem frühen Tod 1992 wohl alle bis dahin erschienenen Werke von Walser in der Reihe edition suhrkamp in seinem Arbeitszimmer im Lärchenweg stehen hatte. Mein Vater hat wahrscheinlich einen Großteil dieser Bücher gelesen, – nicht nur gelesen, sondern regelrecht studiert, wie ich viele Jahre später feststellen musste als ich ein paar dieser Walser Werke in die Hand nahm, und die handschriftlichen Anmerkungen meines Vaters in den Büchern entdeckte. Ich selbst hatte bis zum Tod Martin Walsers im letzten Jahr nur wenig vom ihm gelesen, – „Die Gallistl’sche Krankheit“, „Ein fliehendes Pferd“, „Über Deutschland reden“, „Finks Krieg“ mehr überflogen als gelesen. Von diesen überflogenen Büchern hat sich nachhaltig nur Finks Krieg in der Erinnerung festgesetzt, denn handelte sich ja um die literarische Verarbeitung der Affäre Gauland. Und Alexander Gauland sollte ja später noch als Gründungmitglied der Wahlalternative 2013 aus der dann die AFD entstand werden, richtig berühmt werden. Richtig „auf der Zeile“ gelesen, – habe ich eigentlich nur „Die Verteidigung der Kindheit“, die Erinnerung an diesen Roman von Walser ist mir positiv im Gedächtnis verblieben.
Zeit für die Lektüre des springenden Brunnen habe ich nun Anfang Juli gefunden. Wie schon in zwei vorhergehenden auf Französisch verfassten Blogbeiträgen beschrieben, leide ich an der gleichen Krankheit wie einst François Mitterrand[2] und musste in diesem Zusammenhang Anfang Juni einen Klinikaufenthalt hinter mich bringen. Zeit zum Lesen gab es da natürlich genug – und hier habe ich mich dann auch der Lektüre des autobiographischen Romans „ein springender Brunnen“ widmen können. Ja, ich muss es gleich zu Anfangs gestehen, das Buch hat mir außerordentlich gut gefallen, wohlwissend, dass das Buch bei Erscheinen 1998 durchaus heftig kritisiert wurde.
Die Lektüre Buches tauchte mich in eine vergangene Welt ein, – deren letzte Jahre ich selbst Ende der 1960 und Anfang der 1970 siebziger Jahre als Kind noch erleben durfte. Die Welt des katholischen Oberschwabens wie man sie auch im Werk von Arnold Stadler wiederfindet. Ich habe mich beim Schreiben des Kapitels „Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg“ für das von Conny Scheck und Maria Gelder herausgegebene Zeitzeugen Buch „Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte“ über die Zeit des zweiten Weltkrieges in Bad Saulgau intensiv mit dieser Welt auseinander gesetzt. So intensiv, dass ich parallel dazu mehrere Blogbeiträge darüber schrieb[3] . Eigene Erinnerungen kreuzen sich mit Örtlichkeiten im Buch Walsers wie beispielsweise hier „Sie würde sich hinausstürzen aus diesem Leben. Ins tiefste Kloster hinein. Nach Sießen zu den Franziskanerinnen. Sie musste morgen früh, vor dem Kommunizieren, noch einmal beichten (Walser, M. 2021, 318)“. Mein Urgroßvater Wilhelm Schramm hat während der NS-Herrschaft, obwohl selbst NSDAP Mitglied, die Flucht der Franziskanerinnen in die Schweiz mit organisiert[4]. Abgesehen davon war das Kloster Sießen ein wichtiger Dreh und Angelpunkt im Alltagsleben meiner Saulgauer Verwandtschaft, insbesondere für meine Großeltern.
Oder das Kohleausfahren in Wasserburg von dem Walser berichtet. Kenne ich auch noch. Natürlich nicht mit dem Handwagen wie bei Walser sondern mit dem Lastwagen. Mein Opa Anton Neff war Geschäftsführer der Wilhelm Schramm KG, einer Möbelspedition die ursprünglich aus einer Bahnspedition hervorging, – und die noch in den 1970 Jahren die Kohlen und das Heizöl, welches rund um Saulgau vertrieben wurde, per Bahn im „Wagenladungsverkehr“ erhielt. Wenn wir die Großeltern in Saulgau besuchten habe ich viele Male meinen Onkel Ewald, der ja später Geschäftsführer dieser Spedition wurde, beim Kohleausfahren begleitet[5]. Kartoffeln, Obst und Wein wurde auch gehandelt, aber das war wohl mehr ein Hobby meines Opas, das lief so nebenher.
Wasserburg gehört zu Bayern, und deshalb sind die im springenden Brunnen romanhaften Lebenserinnerungen nach Bayern, dem Allgäu und Tirol ausgerichtet. Aber diese politischen Landesgrenzen waren ja im katholischen Schwaben weniger relevant, – die Donaustädte, Oberschwaben, das katholisch bayerische Schwaben, Tirol, Nieder und Oberbayern – die Klöster und Priesterseminare waren die Wegmarken dieser vergangen Welt.
So führte der Weg des Joseph[6], einer der vielen Brüder meines Großvaters, mit dem man mich im Familienkreise in meiner Kindheit oft verglich, von Munderkingen über Gars am Inn nach Deggendorf. Dieser Joseph Neff war Redemptorist und verstarb im Redemptoristenkloster Deggendorf am 9. Oktober 1925 an den Folgen einer Kriegsverwundung aus dem ersten Weltkrieg[7]. Das Redemptoristenkloster im niederbayrischen Deggendorf ist übrigens längst Geschichte, ja vergessen, – in den 1970 Jahren abgerissen, findet man nicht mal eine Artikel über dieses Kloster in der deutschsprachigen Wikipedia, – nur im Regiowiki Niederbayern findet man einen interessanten Artikel über das Kloster.
Während ich am Zeitzeugenkapitel über das Kriegsende in Bad Saulgau schrieb, wurde mir aus Verwandtschaftskreisen eine kleine Bilderkiste vermacht, – mit persönlichen Photographien, Zeitungsausschnitten, Todesanzeigen – die letztlich auch ein Blick in das katholischen Schwaben, vom Beginn des ersten Weltkrieges bis in die Nachkriegszeit Ende 1940, gewährt. Letztlich eine ähnliche Welt wie Martin Walser ihn im springenden Brunnen beschreibt. Was mich hingegen in dieser Welt schon immer verblüfft hat, wie wenig Rom und die Kurie in dieser Welt eine Rolle spielten. Der Kaplan bzw. der Vikar (Pfarrvikar), der Pfarrer, der Weihbischof, der Bischof, sowie das Klosterleben der oberschwäbischen Klöster waren im Alltagsleben dieser katholischen Welt weit wichtiger als das ferne Rom.
Und dann noch der Krieg, – der erste und der zweite waren in meiner Saulgauer Familie omnipräsent, ich habe das auch ausgiebig im schon erwähnten Zeitzeugenkapitel „Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg“ dargestellt. Aber die Kriegszeit und die Erinnerung daran sind mir auch in meinen Kindheitsjahren in Schramberg, der Schwarzwaldstadt in der ich aufgewachsen bin, immer wieder begegnet. Nicht nur in der Kindheit, – vor ein paar Jahren fuhr ich zur Trauerfeier und Beerdigung eines Schulfreundes auf den Sulgen. Es war ein schöner sonninger Wintertag, – Feuerenmoos und Sulgen, Hintersulgen schneebedeckt, – und dann in der Trauerfreier, war er plötzlich wieder da – der Krieg, als der Pastor vom Bruder des Verstorbenen sprach, der als Pilot im Krieg gefallen war. Eine Wunde die nach über 70 Jahren nach Kriegsende noch schmerzte.
„ Johann holte den Ortsgruppenleiter ein, als der die Stiefelspitze auf die oberste Stufe setzte. Die Mutter, gerade im Gang, gerade unter der geöffneten Tür von Zimmer vierzehn. Auch geteilt. Fünfköpfig war da eine Familie untergebracht. Die Frau stand mit ihrem Achtjährigen, die Mutter stand mit Anselm, alle hörten die Ortsgruppenleiterstiefel auf den ächzenden Stufen. Drehen sich um. Ihm zu. Die Mutter sieht ihn und schreit. Und Anselm auch. Die Mutter rennt den Gang entlang ins geteilte Zimmer acht. Johann bleibt hinter dem Ortsgruppenleiter. Der Schrei hört nicht auf. Ein einziger Ton. Von Anselm hört man nichts mehr. Johann spürt selber nichts. Er erlebt nur, was die Mutter erlebt. Der Ortsgruppenleiter geht in die zur Küche gemachte Zimmerhälfte. Die Mutter hat die Tür offengelassen. Die Mutter steht, sieht dem Ortsgruppenleiter entgegen, gibt keinen Ton mehr von sich …. (Walser, M. 2021, 339)“
Als ich diesen Abschnitt, in dem der Ortsgruppenleiter der Familie mitteilt, dass der Sohn Joseph gefallen ist las, erinnerte ich mich daran, dass ich diese „Szenen“ wenn die Todesbotschaft über den im Krieg gefallen Sohn nach Hause überbracht wurde, das Schreien der Mütter, – das habe ich tatsächlich erzählt bekommen – und zwar in der Grundschule, die damals noch Volksschule hieß. In der vierten Klasse beim Lehrer Hunzinger[8] in der Grundschule am Kirchplatz auf dem Sulgen. Samstagmorgens in der letzten Stunde gab es immer die „Stunde“ Sagen und Geschichten aus der Heimat. Da wurde uns vom Romäus aus Villingen, dem Hans vom Rechberg mit seinem berühmten Spruch Hostamadostha[9], manchmal klassische Sagen oder auch die Fabeln von La Fontaine. -. Nebenbei erklärte er uns auch, dass ein Krattenmacher, also die Vorlage der Sulgener Narrenfigur, dem Sulgener Hansel, ein Korbmacher sei, von denen früher wohl einige auf dem Sulgen, sprich Sulgau und Sulgen gegeben habe. Die Kratte ist eine längst vergessene schwäbisch-alemannische Bezeichnung für Korb – ein Wort, welches Walserer u.a. auch im springenden Brunnen verwendet „ Der Großvater sagte, Johann könne einen Kratten holen und die gefallenen Äpfel auflesen, fürs morgige Apfelmus. Johann holte aus dem oberen Stock der Remise, wo alles herumlag, was man nicht mehr brauchte, aber dann doch wieder brauchte, einen Korb und las aus dem Gras unter allen acht Apfelbäumen das gefallene Obst (Walser, M, 2021, 36).
Und beim Erzählen kam der Lehrer Hunzinger manchmal auf von Leben auf dem Sulgen während der Kriegszeit zu sprechen. Er glitt sozusagen von den Krattenmachern, den einst getrennten Ortsteilen Sulgau und Sulgen die auch konfessionel getrennt waren, Sulgau war altwürttembergisch und evangelisch und zum Kirchgang mussten die Sulgauer zu Fuß ins mehrere Kilometer entfernte Schönbronn laufen, – und der Sulgen war schon immer katholisch, langsam aber stetig in die Zeit des Zeit des zweiten Weltkrieg. Und da hat er mehr als einmal von den Vorahnungen der Mütter vom Nahen Tod des Sohnes, vom Eintreffen der Todesnachricht, dem ländlichen Leben zwischen Sulgen, Haardt, Aichhalden und Dunningen berichtet. Die Angst vor einem unergründlichen Schicksal dem man nicht entkommen konnte, – der Krieg bringt Angst, Tod und Verzweiflung über das Land und die Städte und Dörfer zwischen Schwarzwald und Alb, und selbst in den hintersten Ecken vom Sulgen, dem Lienberg, der Hutneck, wird niemand verschont, keiner kann sich vor dem Schicksal welches der Krieg einem vorsieht verstecken. Dem Schreien der Mutter auf dem Lienberg, als die Todesnachricht des Sohnes der in Russland gefallen war im Bauernhaus ankam, ein Schrei den man wohl auf dem ganzen Sulgen zu hören glaubte. Auf unvergessliche Art vom Lehrer Hunzinger erzählt, sodass ich mich noch heute daran erinnern kann.
Der vorliegende Text ist ein Auszug meiner Gedanken die mir bei der Lektüre des autobiographischen Romanes „ein springender Brunnen“ während meines Aufenthaltes im Klinikum Worms Anfang Juli 2024 so durch den Kopf gingen. Es ist keine Literaturkritik und auch keine Buchzusammenfassung. Eine sehr gelungene von Hajo Steinert verfasste Zusammenfassung des Inhaltes des Buches kann man hier im Archiv des Deutschlandfunkes finden.
Würde man mich fragen, welches Buch ich empfehlen würde, um Einblick in das Alltagsleben des katholischen Oberschwaben und des Bodensees von den 1930 bis 1950 Jahre zu bekommen, dann würde ich bestimmt das Buch „ein springender Brunnen“ von Martin Walser empfehlen. Ein meisterhaft geschriebener Roman, der bei mir persönlich sehr viele Erinnerungen weckte.
Zusätzlich zum „Buchdeckelbild“, der von mir gelesenen Taschenbuchausgabe „ein springender Brunnen“ habe ich noch das Titelbild des letzten von Walser geschriebenen Buches „Das Traumbuch“ ausgewählt, weil dort sowohl im Text als auch in den von Cornelia Schleime gestaltenen Bildern Wasserburg und der Bodensee eine bedeutende Stellung einnehmen. Zuletzt auch noch ein von mir am Neujahrstag 2024 von der Uferpromenade in Überlingen mit Blick auf den Bodensee und im fernen Hintergrund gerade noch erkennbar die Alpen. Weiterhin noch eine Aufnahme aus dem winterlichen Feurenmoos, – welches ich am Tag der Beerdigung des Vaters des Schulfreundes machte.
Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg)(2023): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht. Menschen erinnern sich an eine schwierige Zeit, aber auch an den hoffnungsvollen Neubeginn. Ihre Wege kreuzen sich in Saulgau und Umgebung. Mit einem Vorwort von Wolfgang Schneiderhahn. Ausgabe in drei Bänden im Schuber. Bad Saulgau Mai 2023.
[4] Dazu siehe auch Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259.
[7] Vgl Deggendorfer Donaubote Nr. 233, Samstag 10. Oktober 1925 Nr 233, 54 Jahrgang S.2 „Lokales Allseitige Teilnahme wendet sich dem hiesigen Redemptoristen Konvente ob des raschen Hinscheidens des jugendlichen allbeliebten hochwürdigen P. Josef Neff. …. „
[8] Der Lehrer Hunzinger was Rektor der Grundschule am Kirchplatz auf dem Sulgen.
[9] Hostamadostha = Verballhornung von Hora mea adest, – angeblich von Hans von Rechberg getätigter Spruch angesichts der nahen Todes. Nach Ditter, R. (1993) „hora matura“ = die Zeit ist reif.
In Tübingen am Neckar bin ich geboren. Ich verbrachte dort, d.h. in Tübingen und in der näheren Umgebung meine ersten drei Lebensjahre, danach zogen wir nach Schramberg in den Schwarzwald, und zwar in die Bergvorstadt Sulgen, auf dem Schoren neben dem Feurenmoos, später dann in das Neubaugebiet Eckenhof in selbiger Schramberger Bergvorstadt . Fast zwanzig Jahre später wohnte ich keine 50 m Luftlinie vom Neckarufer entfernt in Mannheim-Neuostheim, – von 1986 bis 1993 studierte ich Geographie an der Universität Mannheim[1]. Bei guten Wetter lief ich oft am Neckar entlang in die Mannheimer Innenstadt, stärkte mich mit einem „Fleischsalatbrötchen“ beim Grimminger auf den Planken und widmete mich danach dem Studium der Geographie an der Schlossuniversität[2]. Es gab auch Tage da lief auch einfach nur über die Riedbahnbrücke um auf die Maulbeerinsel zu gelangen, – und verbracht dort lange Stunden mit Lektüren, sah den Zügen auf der Riedbahnbrücke und erschloss mir dabei wohl einen Großteil der europäischen und amerikanischen Literatur. So viel Zeit zum Lesen würde ich wohl nie mehr haben werden, das war mir schon als Student bewusst. Und immer wieder führt es mich an den Neckar zurück. Ich habe noch Familie am Neckar im Schwäbischen, am Rande der Schwäbischen Alb, gar nicht weit weg von Niederstetten dem Geburtsort von Berthold Auerbach dem Erzähler der „Schwarzwälder Dorfgeschichten“[3]. Mannheim besuche ich immer wieder gern, – ja manchmal führe ich sogar noch Exkursionen ans Neckarufer durch. In diesem Sinne habe ich bestimmt eine fast schon lebenslang andauernde Beziehung zum Neckar dessen Literaturgeschichte Jan Bürger in seinem Buch der Neckar eine literarischen Reise von der Quelle bis zu Mündung geographisch und literarisch beschreibt,
Eigentlich wollte ich mir ja nur noch in Einzelfällen „Papierbücher“ kaufen. Meine Bücherregale quellen über, einen „Tolino“ habe ich mir auch schon gekauft und nutzte diesen auch regelmäßig[4]. Jan Büger‘ s „der Neckar – eine literarische Reise“ hatte ich schon im Jahre 2013 gekauft und gelesen. Vor einigen Wochen hatte ich mitbekommen, dass es von dem Buch eine erweiterte Neuausgabe in als Taschenbuch gibt, – aber eben nicht als epub – und weil mich so viel wie oben geschildert mit diesem Fluss verbindet, habe ich mir es dann doch als echtes Papierbuch zugelegt. Dann das neue Kapitel „Herbst 2023, Neckarbiotop Zugwiesen“ verschlungen, – und danach noch den Rest des Buches wiedergelesen um herauszufinden ob mir das Buch immer noch so gefällt wie bei der ersten Lektüre im Jahre 2013. Wäre Jan Bürger im Herbst 2023 irgendwo zwischen Mannheim und Heidelberg am Neckarufer entlangspaziert, so wären ihm vielleicht die Kanadagänse auf dem Neckar[5] und vor allem die Edelsittiche, die grünen Alexandersittiche am Neckarufer aufgefallen. Ich hatte tatsächlich über diese großen grünen exotischen Vögel schon in einer Veröffentlichung über die urbane Vegetation Mannheims in den 1990 Jahren eine Randbemerkung veröffentlicht[6]. Dreißig Jahre danach kann man wohl sagen, dass das Neckarufer zwischen Mannheim und Heidelberg ein regelrechtes „Papageienland“ geworden ist. Die grünen Vögel finden sich inzwischen auch in Ludwigshafen, Frankenthal und Worms, – manchmal kann man sie auch schon über den Dächern von Grünstadt fliegen sehen, – hingegen scheinen sie in Karlsruhe noch nicht dauerhaft beobachtet worden. Darüber hinaus breiten sich auch neue Pflanzen in Wälder in Fluren aus, – rund um Stuttgart vor allem Kirschlorbeer (Prunus laurcerasus) und Runzelblättriger Schneeball (Viburnum rhytidophyllum) … Man kann das schön bei einer Fahr auf der „Panoramastrecke“ der Gäubahn vom Stuttgarter HBF, also das was vom alten Bonatzbau noch übrig geblieben ist, rauf nach Vaihingen sehr schön sieht. Auf solch einer Zugfahrt, die man ja irgendwann so nicht mehr machen kann, weil mit Fertigstellung von Stuttgart 21 die „Panormabahn“ sterben soll, – kann man auch sehr gut in die Gärten in der Hauptmannsreute, Herdweg und Lenzhalde schauen, – und dabei auch hier und da – Hanfpalmen (Trachycarpus fortunei) und andere exotische Pflanzen entdecken. Palmen in Stuttgarts Gärten, das hätten sich Mörike und Schiller um nur zwei Namen zu nennen, wohl so nicht vorstellen können. Ähnliches gilt ja auch für Mannheim, – welches ich ja vor Jahren in einem Blogbeitrag als „Mannheim les Palmiers“ bezeichnete. Mannheim war schon seit Beginn der Industrialisierung ein „Hotspot“ der Ausbreitung von exotischen Pflanzen in Mitteleuropa. Inzwischen breitet sich ja im Mannheimer Hafengebiet das Pampagras (Cortaderia seollana) aus (Junghans, T. 2024).
Literarisch ist dieses neue Kapitel auch aufschlussreich, wobei mir „Felix Huby“ und „Anna Katharina Hahn“ fehlen. Man kann natürlich lange über den literarischen Wert von Huby‘s Kriminalromanen diskutieren, aber die Lektüre von „Bienzle und die schöne Lau“ und der „Atomkrieg in Weihersbronn“, – beide Kriminalromane las ich tatsächlich auf der „Maulbeerinsel“ im Neckar zwischen Neuostheim und Feudenheim, hat mir das Werk Eduard Mörikes neu erschlossen. Ich gehöre ja noch zu der Generation von Gymnasialschülern die den „Feuerreiter“ und „Er ist’s“ auswendig lernen musste[7]. Ich halte auch das erste der autobiografischen Romantrilogie von Huby, also die „Heimatjahre“, für ein sehr gelungenes Buch. Ja was Anna Katharina Hahn betrifft, „wer wenn nicht sie“ wurde zum literarischen Chronisten des Zeitgeschehens der Landeshauptstadt Stuttgart. Sie greift auch famos alte Begrifflichkeiten wie Beispielsweise den „Pietcong“ wieder auch, – ich hatte das Wort ja fast schon vergessen – und durch die Lektüre von „Aus und davon“ – ist es mir wieder ins Gedächtnis gerufen worden. Natürlich gibt es da noch andere „neuere“ Bücher aus den Neckarlanden, Herkunft von Saša Stanišić oder das deutsche Krokodil von Ijoma Mangold. Oder auch „Wem sonst als Dir“, (Kriminal) – Roman von Uta Maria Heim, der mich vom Hölderlinturm in Tübingen zurück in den Lärchenweg, die Dr. Helmuth Junghans Strasse in die Bergvorstadt Schramberg – Sulgen führte.
Aber letztlich ist das natürlich auch alles Geschmackssache, – und weiterhin muss die neue deutsche Literaturgeschichte des Südweststaates auch erst noch geschrieben werden. Und diesen Anspruch hat natürlich Jan Bürgers Buch auch nicht. Bausingers im Jahre 2016 verfasste sehr lesenswerte „Schwäbische Literaturgeschichte“ kann man auch im neuen Buchkapitel finden. Jan Bürger ist ein guter Naturbeobachter, aber die Bedeutung der an den Ufer des Neckars wirkenden Schriftsteller für die heute im Naturschutz gängigen Leitbilder von schützenwerter Natur und Landschaft im deutschsprachigen Raum, werden im Buch nicht thematisiert. Die „Schönheit“ der Landschaften rund um den Neckar, sowie sie die Dichter der „schwäbischen Dichterschule“, aber eben nicht nur diese „besangen“, – finden sich in den heutigen in Deutschland gängigen Naturschutzleitbilder wieder. Im Grunde genommen waren das keine „natürlichen Landschaften“ – sondern es waren die Erinnerungsbilder der idealisierten Agrarlandschaften rund um den Neckar vor dem Beginn der Industrialisierung im deutschsprachigen Südwesten. Und schön zu Leben war es in diesen Württembergischen Landen auch nicht immer. Der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im Jahr 1815 verursachte das Jahr ohne Sommer im darauffolgenden Jahr 1816. Massenarmut und Auswanderungswellen hielten in Süddeutschland Einzug, und das Königreich Württemberg wurde besonders hart vom Jahr ohne Sommer getroffen.
In diesem Zusammenhang musste ich auch an ein Buch denken, was ich vor vielen Jahrzehnten als „Pennäler las, die „Reise durch das Königreich Württemberg“ von Karl Julius Weber, denken. Mein Vater hat es mir einst als Lektüre empfohlen. Darin findet man die vorindustriellen Landschaften Württembergs recht eindrücklich beschrieben.
„Der Neckar – eine literarische Reise“ ist ein rundum gelungenes Buch. Ich habe das ganze „neue“ Buch mit dem Zusatzkapitel jedenfalls sehr gern wieder gelesen, – und kann es allen die den „Neckar“ literarisch erwandern wollen sehr zur Lektüre empfehlen. Und sollte es irgendwann mal eine Neuauflage des Buches geben, würde ich mir einen farbigen Abdruck der Abbildungen wünschen, drucktechnisch ist das heute problemlos machbar und das würde auch den Preis des Buches nur unwesentlich erhöhen.
Junghans, T. (2024): Kurze Notiz zur Verwilderung des Amerikanischen Pampagras (Cordaderia selloana) im Mannheimer Hafen. In: Pollichia Kurier 1 (40), 2024, 14-15.
Neff, C. (1996): Neophyten in Mannheim – Beobachtungen zu vegetationsdynamischen Prozessen in einer Stadtlandschaft. In: Anhuf, Dieter; Jentsch, Christoph (Hrsg): Beiträge zur Landeskunde Südwestdeutschlands und angewandten Geographie, Mannheimer Geographische Arbeiten ; 46, 65-110. (U.a. hier in Researchgate hinterlegt)
Weber, Karl Julius (1978): Reise durch das Königreich Württemberg. Vorwort von Franz Georg Brustgi. Erläuterungen zu den Illustrationen von Rudolf Henning, Stuttgart : Steinkopf, 1978, ISBN 3-7984-0381-3
[6] Neff, C. (1996): Neophyten in Mannheim – Beobachtungen zu vegetationsdynamischen Prozessen in einer Stadtlandschaft. In Mannheimer Geographische Arbeiten ; 46, 65-110.
Sebastian Rogler : „Stand with Israel!“ 15x22cm, Lapislazuli/Gummi Arabicum/Tusche auf Karton / 15x22cm, lapis-lazuli/gomme arabique/encre sur carton 25.10.2023, permission de publication de Sebastian Rogler par email le 04.01.2024
„Stand with Israel! (Solidarité avec Israël) [1]“ c’est un tableau que l’artiste Sebastian Rogler a réalisé le 25.10.2023 comme acte de solidarité avec Israël[2]après les massacres commis par le Hamas le Samedi sept Octobre 2023. Je publie une copie de ce d’œuvre d’art ici,- car ces massacres en terre d’Israël m’ont personnellement très marques, – c’était un peu comme une déchirure intérieure, une profonde blessure et j’avais déjà écrit un billet de blog sur cette attaque « Souvenirs des chants d’Israël, « La Caravane des Cavaliers (Chayreth Harochvim) » le 17 octobre 2023 – attaque qui me rappelle les Einsatzgruppen de la SS pendant la deuxième guerre mondiale, – un crime contre l’humanité que je n’oublierai jamais. C’est aussi les souvenirs, du Strudel de Madame Abramovitz, déportée juive et survivante de la Shoa, qui fut le professeur de piano de ma mère à Dieuze. Les tempêtes balayaient les cimes des Sapins, Pins et Epicéa dans la Forêt du Feurenmoos avec un boucan d’enfer[3], ma mère jouait du Schubert au piano, nous servait du Strudel faite d’après la recette de Madame Abramovitz, – un vrai « Strudel yiddish ou Studel juive» – et puis il y avait encore le disque, – un petit single avec la « Prière pour les morts d’Auschwitz : EL MOLE RAHAMIME[4] » interprété par Shalomon Katz[5], [6]. C’est ainsi qu’avec d’autres récits que j’appris comme petit gamin de 5 où 6 ans l’histoire l’existence de la Shoa, des camps d’exterminations comme Auschwitz au milieu des paysages & forêts de Forêt Noire. Même si je me sens beaucoup plus proche du « Bund[7] » que du Sionisme, – j’ai toujours perçu Israël comme terre de refuge pour le peuple juive. Cette vocation de terre de refuge pour le peuple juif a été terriblement mise en question par les massacres commis le 7 octobre 2023. La première fois depuis la guerre d’indépendance d’Israël de 1948-49.
Sebastian Rogler : „Stand with Israel!“ 15x22cm, Lapislazuli/Gummi Arabicum/Tusche auf Karton / 15x22cm, lapis-lazuli/gomme arabique/encre sur carton 25.10.2023, permission de publication de Sebastian Rogler par email le 04.01.2024
Bibliographie :
Minczeles, Henri (2022) : Histoire générale du BUND. Un mouvement révolutionnaire juif. Troisième édtion. Préface de Constance Pâris de Bollardière. Édition l’échappée Paris 2022, ISBN 978-23730910-9-0
Christophe Neff, Grünstadt, écrit le 04.01.2024 publie le 04.01.2024
[1] „Stand with Israel!“ Sebastian Rogler, 15x22cm, Lapislazuli/Gummi Arabicum/Tusche auf Karton / 15x22cm, lapis-lazuli/gomme arabique/encre sur carton 25.10.2023
[7] Pour l’histoire du Bund voir aussi la réédition du livre de Henri Minczeles de 2022 : Histoire générale du Bund – un mouvement révolutionnaire Juif », Paris 2022