Im wunderschönen Monat Mai – Mai 1945 Weltkriegsende in (West) – Europa

Ein Klavier steht in der Trümmerwüste, – ein paar Löwenzahnblüten schimmern gelb im grauen Schutt, – und dann erklingt eine Stimme und man hört die Dichterliebe, die Worte Heinrichs Heine in der Vertonung von Robert Schumann …..

Im wunderschönen Monat Mai[1],

Im wunderschönen Monat Mai,

Als alle Knospen sprangen,

Da ist in meinem Herzen

Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,

Als alle Vögel sangen,

Da hab ich ihr gestanden

Mein Sehnen und Verlangen.

(Heinrich Heine, Buch der Lieder, Lyrisches Intermezzo , Hamburg 1827, Hoffmann und Campe)

So stellte ich mir manchmal als Jugendlicher das Kriegsende im Mai 1945 vor. Bildlandschaft ähnlich der Bilder aus dem Film „zwischen Gestern und Morgen“ von Harald Braun, der ja tatsächlich im Frühjahr des Jahres 1947 in den Trümmerlandschaften der Stadt München gedreht wurde. Oder wie die Trümmerlandschaften Berlins im Wolfgang Staudte Film „die Mörder sind unter uns“.  Aber so hat es das wahrscheinlich nie gegeben, wobei selbst das nicht ganz unmöglich gewesen wäre …..

Bei den Schramms in Saulgau in Karlstraße gegenüber dem Bahnhof stand wohl 1945 ein Klavier im Hause. Aber Schuhmann Liederzyklus „Dichterliebe“  hat man wohl nicht darauf gespielt. Saulgau war vom Bombenkrieg quasi verschont geblieben. Trümmerlandschaften gab es dort nicht. Die gab es in Ulm und Friedrichshafen. Saulgau war ein kleines oberschwäbisches Städtchen voller Flüchtlinge im Mai 1945. Das große Sterben war vorbei, – Endlich ! Und in der Karlstraße gegenüber dem Saulgauer Bahnhof hoffte man, dass irgendwann die Männer der Neffs und der Pischls, die Brüder und Söhne der Familie zurück kommen würden. Dass der Krieg verloren war, das wusste man in meiner Familie seit Stalingrad[2]. Oder man hat es geahnt. Das habe ich als Kind, als sogenannter Kriegsenkel, selbst mitbekommen. Ich habe über diese Zeit schon in einem  Buchkapitel in einem Zeitzeugenbuch über die Zeit des Zweites Weltkrieges in Bad Saulgau berichtet[3]. Die Schatten des Weltkrieges wirkten bis in meine Kindheit nach. Nicht nur in meiner Familie, denn ich begegnete diesem Schatten während meiner Kindheit in der Raumschaft Schramberg überall. Darüber habe ich auch mehrfach schon in diesem Blog berichtet[4].  Im französischen Teil meiner Familie hat man im Mai 1945 vor allem gehofft, dass Libéro Casciola , ein Cousin meines Großvaters aus der deutschen Deportation lebend nach Hause kommen würde. Meine französischen Großeltern hofften das eigentlich bis an ihr Lebensende. Aber Libéro kam nie zurück[5]. Und meine Großmutter hoffte, natürlich inständig, dass der Krieg im Fernen Osten, in Indochina zu einem Ende kommen würde, – und ihr Bruder Victor die japanische Kriegsgefangenschaft überleben würde. Ja, und er kam dann auch nach der Kapitulation Japans im August 1945 stark abgemagert aber wohlbehalten zurück. Im Mai 1945 hatte man in Frankreich sehr viele Hoffnungen in die neue aus der Resistance und dem Gaullismus gewachsene neue IV Republik gesetzt[6]. Aber diese neue IV Republik scheiterte an ihren inneren Widersprüchen und vor allem an der Zukunft des „Empire colonial français“.  Das wusste man aber damals im Mai 1945 noch nicht. Die Ereignisse von Sétif in Algerien im Mai 1945 wurden im französischen Mutterland kaum wahrgenommen. Ich selbst habe davon erst Ende der 1980er Jahren als Student in einem der Romanistik Kurse von Mireille Zimmermann an der Universität Mannheim von diesen tragischen Ereignissen erfahren. Sétif, das war wohl der Anfang vom Ende des „Empire colonial français“ – des französischen Kolonialreiches. Für Frankreich waren mit dem Ende des zweiten Weltkrieges die Kriege nicht vorbei. Das ist so in Deutschland auch kaum bekannt. Während der Indochinakrieg im Wesentlichen die Sache von „Kolonialtruppen“ und der Fremdenlegion war, – wurde Frankreich vom Algerienkrieg, – den sogenannten „événements d’Algérie“ quasi zerrissen. Im Gegensatz zum Indochinakrieg und den anderen Kolonialkriegen, wurden in Algerien auch systematisch französische Wehrpflichtige in den Krieg eingezogen. Damit hatte der Krieg wieder Einzug in viele französische Familien gefunden.

Die IV Republik ist letztlich am Algerienkrieg zugrunde gegangen. Auch in meiner französischen Familie haben diese „“événements d’Algérie“ tiefe Spuren hinterlassen. Der Krieg als stetiger Begleiter des Tagesgeschehens in Frankreich endete erst mit den Verträgen von Evian 1962 und der algerischen Unabhängigkeit. Im Mai 1945 haben die Menschen beidseits des Rheines wohl einfach gehofft, dass bessere Zeiten anbrechen, – die Kriegsgefangenen und Vermissten wieder nach Hause kommen, die Familien wieder zueinander finden. Dass das „Sterben“ und das „Morden“ endlich aufgehört hatte.

Zum 80 Jährigen Kriegsende in Deutschland gab es wieder eine Vielzahl von Texten in den Medien, – von denen ich wahrscheinlich die wenigsten gelesen habe, wobei mich vor allem der Text von Susanne BeyerEine Suche in der Vergangenheit und was sie mit mir macht“ im Spiegel[7] und der Radiobeitrag „Das Kriegsende 1945 im Familiengedächtnis: Die Geschichte von Opa „Pépé Robert““ von Marie – Christine Werner sehr bewegt haben[8] . Die Lektüre von Susanne Beyers Text hat mich dann auch dazu veranlasst, mir ihr Buch „Kornblumenblau“ zu kaufen.

Sehr bewegt hat mich auch der Text „den Hass entlarven“ von Andreas Funke[9], der in der Rheinpfalz, sprich der Regionalausgabe „Unterhaardter Rundschau“, der am Samstag, den 10. Mai veröffentlicht wurde – und hier vor allem der Satz „Ich bin Jahrgang 1962, großgeworden mit Geschichten vom Krieg, fast damit überfüttert worden[10]. Ich bin zwar Jahrgang 1964 aber letztlich war es bei mir ähnlich. Der Krieg war in meiner Kindheit die ich vor allem in der Raumschaft Schramberg, aber auch in Saulgau, Eckbolsheim einem Vorort von Strasbourg und Aubord in Südfrankreich verbrachte überall, – da waren die Erzählungen aus dem Familien – und Freundeskreis, die Erzählungen der Schulkameraden – das Versehrtenschwimmen im Schwimmbad, die Suchmeldungen des roten Kreuzes, die noch hier und da an manchem Kaufhausschaufenster, beim örtlichen Friseur und in den Amtsstuben klebten. Manchmal hatte ich als Kind das Gefühl als wäre der Krieg ein dunkler Schatten über den man durchaus im privaten spricht, aber über den in der Öffentlichen Wahrnehmung kaum gesprochen wurde. Pazifist war ich im Gegensatz zu Andreas Funke nie. Davor hatte mich schon die französische Familiengeschichte bewahrt. Ohne Waffengewalt, – ohne Resistance und alliierte Landung in der Normandie – hätte es niemals eine „Liberation“ – eine Befreiung von den Schrecken der Naziherrschaft gegeben. Weder in Frankreich noch im Rest Europas. Folglich habe ich mich während des Grundwehrdienstes in der Luftlandebrigade 25 im Sommer 1985 in Calw zum Reserveoffizier ausbilden lassen[11], und danach eine Vielzahl von Wehrübungen abgeleistet bis ich meine Uniform und meine Ausrüstungsgegenstände im Oktober 2021 abgegeben habe[12].

Jeden Tag wenn ich aufstehe, schaue ich aus dem Fenster und Blicke in die aufgehende Sonne über dem Odenwald. Und seit Februar 2022 lese ich fast jeden Morgen von Luftangriffen auf die Ukraine. Auch die letzte Nacht gab es wieder Tote in Kyjiw durch russische Raketen und Drohnen. Der Krieg ist wieder nähergekommen. Wir hatten in (West)-Deutschland seit dem Ende des zweiten Weltkrieges sehr viel Glück von den ganzen Kriegen, die es seit Ende des zweiten Weltkrieges überall auf der Welt gab, nie direkt oder indirekt betroffen zu sein. Das ändert sich gerade. Die Zeit der großen Sorglosigkeit ist vorbei. Der Krieg tobt ein paar hundert Kilometer vor unserer eigenen Haustür und fordert jeden Tag seine Opfer. Man kann nur hoffen, dass dieser Krieg bald ein Ende findet, und die Ukraine als souveräner Staat und werdende Demokratie überlebt. Denn sollte die Ukraine nicht überleben, dann wird der Krieg uns in Deutschland mit fast unausweichlicher Sicherheit auch noch erreichen.

Blick über die Dächer von Grünstadt auf den Odenwald am frühen Morgen des 24.02.2025 6 Uhr 50, © Christophe Neff, 24.02.2025

Bibliographie:

Beyer, Susanne (2025): Kornblumenblau : Der geheimnisvolle Tod meines Großvaters 1945 und die Frage, was er mit den Nazis zu tun hatte. Eine Spurensuche – Ein SPIEGEL-Buch. München, 2025. Copyright © 2025 by Deutsche Verlags-Anstalt, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München, und SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, 20457 Hamburg. ISBN 978-3-641-33099-6

Neff, Christophe (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259. (Ein PDF – Sonderdruck des Buchbeitrages kann in der KITOPEN Bibliothek heruntergeladen werden DOI: 10.5445/IR/1000159193)

Photo: Als Begleitphoto zu diesem Blogbeitrag habe ich eines meiner zahlreichen Photos – Blick über die Dächer von Grünstadt bei Sonnenaufgang auf den Odenwald ausgewählt. Es zeigt den Tagesanbruch des 24 Februar 2025, – den ich photographierte, weil sich an jenem Morgen der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine zum dritten Mal jährte ! © Christophe Neff, 24.02.2025

Grünstadt, im Mai 2025


[1] Fritz Wunderlich hat für mich bestimmt einer der schönsten Interpretation der Dichterliebe präsentiert, hier der Link zu einem Tondokument auf Youtube „Schumann: Dichterliebe, Op. 48: I. Im wunderschönen Monat Mai“

[2] Siehe u.a. „Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg“ und „« Blognotiz 16.11.2014: Novembererinnerungen an Saulgau – Gedanken zum Volkstrauertag 2014 ».

[3] Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. . In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259. (Ein PDF – Sonderdruck des Buchbeitrages kann in der KITOPEN Bibliothek heruntergeladen werden DOI: 10.5445/IR/1000159193)

[4] Siehe u.a. auf Deutsch « Blognotiz 16.11.2014: Novembererinnerungen an Saulgau – Gedanken zum Volkstrauertag 2014 » , « Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 2010 »  , « Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen » , « „Net schon wieder Ulm“ : Über die Buchpräsentation „Aus dem Grau der Kriegszeit – Geschichten hinter der Geschichte“ in der Bad Saulgauer Stadthalle am Donnerstag den 25.5.2023  », « Erinnerungen  und Gedankenfetzen zu Martin Walsers autobiographischem Roman „ein springender Brunnen“ », « Lesenotizen zu „der Bücherfreund“ von Monika Helfer (Text) & Kat Menschik (Illustrationen) »  und auf Französisch  « Quoi qu’il arrive, la flamme de la résistance française ne doit pas s’éteindre et ne s’éteindra pas (18.06.1940 – 18.06.2010) » , « Blognotice 6.5.2011 : – souvenir d’une longue attente pour un enfant du Pays-Haut mort en déportation », « Blognotice 22.01.2013: pensées personnelles franco-allemandes sur le cinquantième anniversaire du Traité de l’Elysée », « Notice de lecture « Simone Morgenthaler : Sur la route avec Tante Jeanne » » um hier nur die wichtigsten Texte aus meiner Feder zu nennen.

[5] Siehe u.a. : « Blognotice 6.5.2011 : – souvenir d’une longue attente pour un enfant du Pays-Haut mort en déportation » in diesem Blog.

[6] Siehe auch Michel Winok (2025): Michel Winock, historien : « Depuis la seconde guerre mondiale, la France a perdu son rôle d’exportatrice des idées politiques » La Résistance rêvait d’instaurer un nouveau régime démocratique. Les tensions partisanes ont perturbé la gestation du projet, et la France a fini par passer d’un excès (le régime d’assemblée) à l’autre (le bonapartisme), explique le spécialiste de la vie politique française dans un entretien au « Monde ». LeMonde.fr, 20.05.2025.

[7] Susanne Beyer (2025): Eine Suche in der Vergangenheit und was sie mit mir macht. Ein Essay von Susanne Beyer.

[8] Werner, Marie-Christine (2025): „Lagerhaft und Zwangsarbeit in Deutschland. Das Kriegsende 1945 im Familiengedächtnis: Die Geschichte von Opa „Pépé Robert““ Radiobeitrag, SWRKultur 08.10.2025

[9] Über den evangelischen Pfarrer in Grünstadt Andreas Funke habe ich in diesem Blog schon mehrfach berichtet u.a. in « Souvenirs des chants d’Israël, « La Caravane des Cavaliers  (Chayreth Harochvim) » » und « Blognotiz 27.04.2025: Ostern 2025 „Mulier, quid ploras? – Frau warum weinst du ?“ »

[10] Funke, Andreas (2025): Den Hass entlarven. Krieg soll nach Gotteswille nicht sein. In: Über den Kirchturm hinaus, Unterhaardter Rundschau, die Rheinpfalz, Nr. 108, Samstag 10.05.2025. Internetausgabe unter : Grünstadt: Pfarrer Andreas Funke über Kriegserlebnisse und Friedensgenerationen. Die Rheinpfalz 07.08.2025.

[11] Siehe u.a.  « Ottmar Schreiner – Sozialdemokrat, Fallschirmjägeroffizier und Katholik (21.04.2013) »  und Himmelheber, Martin (2017): „Schramberger Auswärts Wissenschaftler Christophe Neff Feuer und Flamme für Waldbrände“ , Der Stadtwerker, Kundenzeitschrift der Stadtwerke Schramberg, DOI: 10.5445/IR/1000164977  .

[12] Siehe u.a. « Die Truppen des Zaren Putin greifen die Ukraine an! (Übertragung der « Blognotice 24.02.2022: les troupes du Tsar Poutine attaque l’Ukraine » aus dem Französischen) ».

Schwäbisch – Französische Lesenotizen zu „Mein Schwaben“ von Vincent Klink

Mein Schwaben – Leben und Speisen im Ländle des Eigensinns“ so heißt das neueste Buch von Vincent Klink. Die erste Spur des Buches entdeckte ich in einem Spiegelbeitrag über die Erfahrungen von Barbara Supp als „Handlangerin“ in Kliniks Wielandhöhe[1]. Beim Lesen des interessanten Artikels von Barbara Supp, erinnerte ich mich daran, dass ich irgendwann in meinem Leben mal vorgehabt hatte vor meinem sechzigsten Geburtstag dort einen schönen Abend mit Studienfreunden aus Mannheim und Stuttgart zu verbringen. Aber dann erwischte mich u.a. anderem die Krankheit die schon Mitterrand zu Fall brachte, – die „Maladie de Mitterand“ – und irgendwie war es auch dann wieder vergessen[2]. Meinen sechzigsten verbrachte ich dann im Schwarzwald, in Buchenberg[3] nicht weit von der Schwarzwaldstadt Schramberg in der ich aufgewachsen bin. Mit schönen Wanderungen durch den Schwarzwald und gutem Essen. Auch in Buchenberg sowie der gesamten Raumschaft Schramberg kann man gut essen, wie beispielsweise im Café Rapp in Buchenberg, dem Hirsch in Schramberg, dem Adler auf dem Fohrenbühl um einfach ein paar Namen zu nennen. Natürlich kann man diese Gasthöfe nicht mit der Wielandshöhe in Stuttgart vergleichen. Anders, aber dennoch gut. Und dann gibt es auch noch die Friedhofskapelle St. Nickolaus in Buchenberg, – die zu meiner Schulzeit als einer ältesten Kirchen im Schwarzwald zählte. Von Buchenberg kann man schön auf den Mönchhof[4] und dann weiter aufs „Hardt“ spazieren gehen. Man kann das natürlich auch in umgekehrter Richtung laufen. Bei guter Sicht hat man auf dieser Spazierstrecke abschnittsweise einen schönen Blick auf die Schweizer Alpen, den Säntis und viele andere Berggipfel der Ostalpen. Früher gab es an diesem Weg am Waldrand auch mal eine Bank mit dem Namen „Alpenblick“. Erwähnenswert ist auch die im Jahre 2000 vom damaligen Hofbauer und Wirt Martin Flaig im Mönchhof erbaute Hofkapelle namens St. Martin[5].

Je nachdem wie man „Schwaben“ oder das „Schwäbische“ definiert, bin ich ja mitten im „Schwäbischen“ aufgewachsen. Und mit dem „Schwäbischen“ hat es ja schon eine besondere Bewandtnis bei mir. Als Kind, zu Grundschulzeiten, meinten wiederholt Freunde meiner Eltern „der Bua kann kei Hochdeutsch, – sondern nur Französisch und Schwäbisch[6]“. Hochdeutsch lernte ich dann erst in der Grundschule und später im Gymnasium in Schramberg. Schwäbisch lernte ich „uf der Gass“ – wobei man eigentlich sagen müsste ich lernte das auf den Höfen[7], den Wiesen und Wäldern auf dem Schoren, der Hutneck[8] und dem Feuerenmoos in der Bergvorstadt Schramberg-Sulgen und bei der Verwandtschaft, also meinen Großeltern und den vielen Neff’s in der Karlstraße vis à vis des Saulgauer Bahnhofes[9]. Und wahrscheinlich ist mein Deutsch doch immer noch dialektal „schwäbisch“ gefärbt, obwohl ich ja schon seit Jahrzehnten in der Kurpfalz lebe.

Als ich das Buch „mein Schwaben“ zum ersten Mal in der Hand hielt überlegte ich, wie Klink eigentlich „Schwaben“ definiert und wie ich es definieren würde. Für mich entspricht „Schwaben“, also der schwäbisch-alemannische (dialektale) Sprachraum im weitesten Sinne der Region Mitteleuropas in dem der „Wurstsalat“ zu Hause ist, wobei der Wurstsalat im Elsass nicht „Wurstsalat“ heißt, sondern als „salade de cervelas“ oder „salade alsacienne de cervelas[10]“ bezeichnet wird[11]. Letztlich entspricht diese, meine „géographie grastronomique imaginaire[12],[13]“ angelehnte kognitive Definition „Schwabens“ auch der von Klink gewählten räumlichen Abgrenzung Schwabens, die letztlich wie auch die erste Vorsatzkarte in Klinks Buch zeigt, sich an den Grenzen des mittelalterlichen Herzogtum Schwaben orientiert – was Klink dann auch im Prolog seines Buches in Worten darstellt. Das ist schon eine besondere räumliche Abgrenzung, wenn man bedenkt, dass man wohl im alltäglichen Sprachgebrauch, Schwaben mit Württemberg oder gar dem Königreich Württemberg gleichsetzt, – was wohlgemerkt historisch falsch ist. Klink ist mit der geographischen Abgrenzung „Schwabens“ historisch auf der sicheren Seite.  Wobei in diesem Sinne, das Blutgericht zu Cannstadt, doch auch irgendwie zur Sprachen kommen müsste, aber vielleicht ist es im Buch auch erwähnt und ich habe es auch „überlesen“. Und soweit man Vincent Klinks Ansatz folgt, oder eben auch der „Gastrogeographie“ des Wurstsalates bzw. der Salade de Cervelas, dann wird die badisch-württembergische Landesgrenze die ja früher auch über den Fohrenbühl verlief zur Makulatur. Das Badenerlied ist ja auch erheblich jünger als das Volkslied „uf der schwäbischen Eisenbahnen“. Und selbstverständlich zählen dann auch die nördlichen Kantone der Schweiz zu diesem Schwaben, auch wenn Klinks Buch da keinen Fuß setzt.

Weiterhin überlegte ich mir, was für mich eigentliche „Schwäbische Speisen und Gerichte[14]“ sind, – und befragte dazu auch noch meine Geschwister. Abgesehen vom „Wurstsalat“ fielen mir da ein, – schwäbischer Kartoffelsalat, Maultaschen, Flädle und Flädlesuppe, saure Nierle und Bratkartoffeln[15], Linsen mit Spätzle, der schwäbische Zwiebelrostbraten, die „Seelen“ Oberschwabens und die fast vergessenen weißen Kalbsbratwürste, die als  „Nackerten“ in Oberschwaben bezeichnet wurden[16], – die im Hause meiner Großeltern im oberschwäbischen Saulgau in den 1960 und frühen 1970 Jahren als besondere Delikatesse galten. Und nicht zur vergessen, der Träubleskuchen[17] und die „Springerle“. Vielleicht sollte man auch hinzufügen dass die Heidelbeerkuchen und auch die Zwetschgenkuchen, die ich als Kind in Raumschaft Schramberg immer gern gegessen habe, – doch sehr der elssäsischen „Tarte aux Myrtille[18] , [19]  bzw. „Tarte aux Quetsch[20] geähnelt haben. In Klinks Buch findet man zu einigen dieser schwäbischen Speisen, aber längst nicht zu allen,  Kochrezepte zum „selber kochen“.

Klinks Buch ist eine interessante Mischung, aus rezenter Landeskunde, historischer Geographie und Gastrogeographie eines Landstriches des südwestlichen Mitteleuropas welches man „Schwaben“ nennt. Man könnte es auch als moderne  Landeskunde Schwabens ohne wissenschaftlichen Anspruch bezeichnen. Ein Geographiebuch der schwäbischen Landschaften mit kulinarischem Hintergrund. Ja, hier und da habe Neues lernen können, obwohl ich mich ja auch beruflich mit den Südwestdeutschen Landschaften, besonders mit dem rezenten Landschaftswandel befasse,  und auch in der universitären Lehre den Zusammenhang von Naturraumausstattung und regionaler Küche immer wieder thematisiere.

Dass „Sebastian Blau“ das Pseudonym von Josef Eberle  dem späteren Herausgeber der Stuttgarter Zeitung war, unter dem er während der Naziherrschaft schwäbische Gedichte herausgab, das wusste ich. Aber beispielsweise hatte ich nie  von der Widerstandsgruppe „Schlotterbeck“ in Stuttgart während der Zeit des Nationalsozialismus gehört. Else Himmelheber und Friedrich Schlotterbeck widmet Klink auch ein paar Seiten in seinem Buch. Man entdeckt mit Wilhelm Rieber und seinen Tourbillons  einen „horloger independant“ wie man ihn doch eher irgendwo in Genf, oder im Schweizer Jura in der Vallée de Joux oder in der Umgebung von La-Chaux-de-Fonds vermutet hätte, aber doch nicht in Tiefenbronn am Rande des Nordschwarzwaldes im Enzkreis. Ja und in diesem Buch lässt sich noch weit mehr entdecken, – oder Altbekanntes wiederentdecken, wie zum Beispiel „Die Liebe höret nimmer auf[21]und begegnet  Katharina Pawlowna  der Königin von Würrtemberg und ihrem untreuen Gemahl Wilhelm. Auch Friedrich Hölderlin, sowie die anderen Dichter der schwäbischen Dichterschule wie z.B. Justinus Kerner, Eduard Mörike werden nicht vergessen. Besonders gefreut hat mich in dem Buch das Gedicht „Hälfte des Lebens[22] von Hölderlin wiederzufinden. Ich halte es für eines der schönsten Gedichte der deutschen Sprache.

Letztlich hat mir das Buch sehr gut gefallen. Natürlich hat Vincent Klink eine sehr subjektive Auswahl getroffen, aber das halte ich für normal. Schwäbisch Gmünd und die Ostalb schildert Klink so anschaulich, dass ich mir bei der Lektüre dachte, da müsste ich doch mal hinfahren, da ich die Gegend nur sehr oberflächlich kenne. Gefehlt haben mir etwas die Wilhelma, der Modellbahnhersteller Märklin[23] aus Göppingen, die schwäbischen Lokomotivbauer von der Maschinenfabrik Esslingen und das Volkslied  „uf der schwäbische Eisenbahnen“, die Schwarzwälder Uhrenindustrie, das sind alles Begriffe die ich persönlich mit „Schwaben“ verbinde. In die Wilhelma machte ich als kleiner Bub meine erste größere Reise, – eine Tagesreise Ende der 1960 Jahre von Schramberg in die Landeshauptstadt Stuttgart, – den Onkel Ewald der mit komplizierten Beinbruch in einem Stuttgarter Krankenhaus lag, – danach die Wilhelma entdeckt, – und auch die gelben Straßenbahnen, sowie die Zacke gesehen habe. Der Nachmittag in der Wilhelma war ein unvergessliches Erlebnis für den kleinen Buben, der ich damals war. Und ich bin danach immer wieder gekommen, – auch als Erwachsener, habe sogar während meiner Assistentenzeit in Mannheim dorthin botanische Exkursion durchgeführt, – denn das ist weniger bekannt, – die Wilhelma ist auch ein sehenswerter botanischer Garten.

Der vorliegende Text ist keine Buchkritik, sondern eine Art persönlicher Lesenotizen und Gedanken, die mir bei der Lektüre des Buches „Mein Schwaben“ von Vincent Klink so durch den Kopf gingen[24]. Wer eine solche Buchrezension sucht findet sie beispielsweise hier „Vincent Klink, Mein Schwaben. Leben und Speisen im Ländle des Eigensinns“ im Stuttgart Blog von Heiner Wittmann.

Abschließend noch ein Punkt, der mich besonders berührt hat. Das Buch von Klinik ist natürlich hier und da eine Beschreibung der Wirtshaus bzw. Gastwirtschaftskultur „Schwabens“ – bzw. dem was davon heute noch übrig geblieben ist[25]. Dementsprechend gibt es auch eine subjektive Liste von empfehlenswerten Gasthäusern aus dem Schwabenland die Klink an den Schluss seines Buches gestellt hat.

In meinen Kindheitstagen gingen wir mit den Eltern fast an jedem Sonntag irgendwo ins Gasthaus essen. In Schramberg, wo ich aufwuchs, – hatte das sonntägliche Essen in der „Wirtschaft“, vielleicht auch etwas mit der Uhrenindustrie[26] zu tun,in der auch viele Frauen arbeiteten. Den arbeitenden Frauen in der Fabrik bzw. der Heimarbeit, wollten die Familien soweit sie es sich leisten konnten, einen „Koch“ und „Arbeitsfreien“ Sonntag schenken. Bei meinen Eltern traf das ja sowieso nicht zu, denn sie waren ja gar nicht beim „Junghans“, sondern im öffentlichen Dienst beschäftigt[27]. Aber das sonntägliche Essen gehen, das kannte mein Vater auch von seinem Zuhause im Oberschwäbischen Saulgau. Da ging man halt sonntags ins „Gasthaus“. Meistens nach dem Kirchgang. Und dann gab es auch noch die Stammtische abends, an den dann auch „gevespert[28]“ wurde. So nahmen meine Eltern jahrzehntelange am Französischlehrerstammtisch des Gymnasium Schramberg teil. Diese wurde u.a. von Irmgard Ströhle[29], unsere Familien waren befreundet – ja wir hatten quasi gemeinsam im Neubeugebiet Eckenhof im Lärchenweg gebaut[30], organisiert. Diese Französischlehrerstammtische fanden dann entweder im Schwanen auf der badischen Seite der Passhöhe Fohrenbühl, – oder im Schraivogel in der Talstadt in etwas unregelmäßigen Abständen statt. Essen gingen meine Eltern oft in Lauterbach, – ins Gedächtnishaus Fohrenbühl dem „Turm“ zum Mutschler, – manchmal auch in den Adler auf dem Fohrenbühl – der württembergischen Seite des Fohrenbühl, manchmal in den „Hasen“ im Sulzbachtal. Oft gingen sie auch mit Freunden in die Hirschbrauerei in Flözlingen, die ja Jahrzehnte lang als kleinste gewerbliche Brauerei Deutschland galt. Hier war dann oft das Ehepaar Harald und Gabi Frommer mit dabei, auch ein Lehrerehepaar vom Gymnasium mit denen meine Eltern auch befreundet waren und die darüber hinaus noch ähnliche politische Ansichten wie meine Eltern teilten. Und natürlich gab es noch andere Gastwirtschaften die mit anderen Freunden oder auch mit den Genossen der Schramberger SPD, aber die Gasthäuser der Schramberger SPD das wäre dann doch noch ein eigenes Kapitel wert, regelmäßig besucht wurden, denn Gasthäuser gab es damals rund um Schramberg wie in großen Teilen des Schwabenlandes noch mehr als genug. Diese kleine „Wirtschaftswelt“ findet man auch im Buch von Vincent Klink zwischen den Zeilen wieder. Und was die „historische Wirtschaftsgeographie“ der Raumschaft Schramberg betrifft, – da könnte man ein ganzes Buch füllen, – ein Buch was man erst noch schreiben müsste[31]. Tatsächlich gibt es solch eine „Wirtschaftgeographie“ für das kleine oberschwäbische Saulgau,  man findet in dem Buch „ Saulgau Stadt und Landschaft“ (Eck & Höhfeld 1989) im Kapitel „kleine „ Wirtschafts“ – Geographie“ (S.162-192) tatsächlich ein Verzeichnis der Gastwirtschaften incl. historische Kurzbiographie der einzelnen Lokalitäten.

Manche dieser Wirtschaften aus meinen Kindheitstagen gibt es heute noch[32], manche sind auch verschwunden, und das gilt sowohl für Bad Saulgau als auch die Raumschaft Schramberg in der ich aufgewachsen bin. In den Adler auf dem Fohrenbühl gehe ich selbst immer noch sehr gerne, ein oder zweimal im Jahr soweit es sich einrichten lässt. Der Adler ist schon eine regelrechte Institution auf dem Fohrenbühl, – seit 1780 wird dieser Gasthof von der Familie Moosmann geführt. Irgendwann sollte ich doch etwas mehr in diesem Blog über den Adler schreiben. Wie Vincent Klink so schön schreibt „Es gibt sie aber noch, die guten Gasthäuser, man muss sie nur finden“ (Klink, 2024, 309)[33].

Als ich das Buch „Mein Schwaben“ las ging es mir gesundheitlich nicht sehr gut, – aber vielleicht waren es auch diese kleinen Ausflüge in die Welt der ländlichen Gasthäuser Schwabens die man hier und da verstreut über das ganz Buche findet, die mich persönlich so angesprochen haben. Ja, ich muss es gestehen, die Lektüre des Buches „Mein Schwaben“ von Vincent Klink, die hat mir richtig gut getan! Wie die „Flädlesuppe“ aus meinen Kindheitstagen …..

Bibliographie & Quellen:

Cohen, Ute (2024): Der Geschmack der Freiheit. Eine Geschichte der Kulinarik. Ditzingen, Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, ISBN 978-3-15-962278-1

Eck, Helmut; Höhfeld, Volker (Hrsg.)(1989): Saulgau. Stadt und Landschaft. Ein geographischer Führer und die Stadt und ihre Umgebung. Saulgau, © Gebr. Edel, Gmbh & Co. KG, Druck und Verlag, D-7968 Saulgau, ISBN 3-9801892-0-1

Evangelische Kirchengemeinde Buchenberg (Hrsg)(2001): Todt-Druck Villingen, 2001/2002 im Auftrag der evangelischen Kirchengemeinde Buchenberg. ISBN 3-927677-32-9

Gaudry, François-Régis (2017): On va deguster la France. François-Régis Gaudry & ses amis presentent.  Paris, © Hachette livre (Departement Marabout) 2017, ISBN 978-2-501-11672-5

Klink, Vincent (2024): Mein Schwaben. Leben und Speisen im Ländle des Eigensinns. Mit zahlreichen handkolorierten Fotos des Autors. Hamburg, Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg Dezember 2024, ISBN 978-3-498-00310-4

Kohlmann Dieter (2024):  Die Kindheitserinnerungen der Anna Braitsch – Zur Geschichte der Gastwirtschaft „Hammerhäusle“ im Stadtteil Höfle (1). In : D’Kräz, Beiträge zur Geschichte der Stadt und Raumschaft Schramberg 2024, 44, 5- 19.

Neff, Christophe (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259. (Ein PDF – Sonderdruck des Buchbeitrages kann in der KITOPEN Bibliothek heruntergeladen werden DOI: 10.5445/IR/1000159193)

Pitte, Jean – Robert (2017). Atlas Gastronomique de la France. Paris, Armand Colin, ISBN 978-2-200-61480-5.

Stähle, Gernot (2022): Junghans. Uhren – Federn – Zünder ein Kaleidoskop. Schramberg, 2022         © 2022 Große Kreisstadt Schramberg, erste Auflage. Schriftenreihe des Stadtarchivs und Stadtmuseums Schramberg Band 32, ISBN 978-3-9821496-3-9

Walser, Martin (2021): Ein springender Brunnen. Roman. 6. Auflage 2021, Erste Auflage 2000 suhrkamp Taschenbuch 3100, © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1998. ISBN 978-3-518-39600-1

Bilder und Photographien: Scan des Buchcover von „Mein Schwaben“, Flädlesuppe © Christophe Neff 08.06.2024

Christophe Neff, Grünstadt Januar 2025

P.S.: Den ersten Entwurf dieses Textes verfasste ich am 23.01.2025, also genau am 80 Todestag von Eugen Bolz, dem letzten Staatspräsidenten des Volksstaates Württemberg, der am 23.01.1945 in Berlin Plötzensee von den Nazis hingerichtet wurde.


[1] Siehe: Supp, Barbara „Alpträume einer Küchenmagd“, Der Spiegel, 42, 12.10.2024, S. 68 – 71. In digitaler Version auch unter „Wie geht es wirklich zu in einer Sterneküche? Eine Woche als Handlangerin bei Vincent Klink in der Stuttgarter »Wielandshöhe« – zwischen Fischgerippe und der Suche nach dem perfekten Gemüsewürfel“ im Spiegel Weekender lesbar.

[2] Siehe u.a. auch « Cahiers de maladie (Cancer de la prostate) » und « Wintersonnenwende 2024 »

[3] „Leben im Dorf – Schmackhaftes und Liebenswertes aus Buchenberg“ so heißt eine durchaus lesenswerte  kulinarisch-historische Dorfchronik dieses inzwischen zu „Köngigsfeld“ gehörenden Schwarzwalddorfes welches 2001 durch die Evangelische Kirchengemeinde Buchenberg herausgegeben wurde.

[4] Der Weiler Mönchhof gehört auch zu Buchenberg, dort befindet sich auch ein gleichnamiger Gasthof, der Mönchhof. Der eigentliche Möchhof geht wahrscheinlich ursprünglich auf eine Siedlung der Klosters St. Georgen zurück, deren Spuren sich bis ins 11 Jahrhundert  verfolgen lassen. Im gleichnamigen Gasthaus kehrten meine Eltern oft mit Freunden und mit uns Kindern in den 1970 Jahren nach dem Pilzesammeln ein.

[5] Zur Geschichte des Mönchhofes und der St. Martin Kapelle siehe auch die reichbebilderte Internetseite  „Krippe in der Mönchhof-Kapelle“  der Griesshaber – Family aus Tennenbronn. Erstaunlich ist das es keine Wikipediaseite zum Weiler Mönchhof gibt.

[6] Das mit dem „Schwäbisch“ habe ich schon im letzten Sommer  auf Französisch im Blogbeitrag „Notice de lecture « Simone Morgenthaler : Sur la route avec Tante Jeanne »“ beschrieben.

[7] Höfen, im Sinne von landwirtschaftlichen Anwesen, also Bauernhöfen.

[8] Interessante geographisch-landeskundliche Hinweise zur Hutneck findet man auf Internet-Seite „Hutneck – der Stadtteil von Schramberg“ und zwar hier unter: „Hutneck und deren Geschichte“.

[9] Zu meinen Kindheitserinnerungen aus Bad Saulgau siehe das Buchkapitel „Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg (Neff, C. 2023) „ sowie in diesem Blog u.a. „„Net schon wieder Ulm“ : Über die Buchpräsentation „Aus dem Grau der Kriegszeit – Geschichten hinter der Geschichte“ in der Bad Saulgauer Stadthalle am Donnerstag den 25.5.2023“  und  „Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen

[10] In der Wikipedia.fr unter „Salade alsacienne“ zu finden.

[11] Laut dem „Atlas gastronomique de la France“ als  „Salade de Cervelas au Gruyere“ (Pitte, J.-R.2017, Karte S. 97) bezeichnet, was wohl weitestgehend dem im Schwarzwald als « Straßburger Wurstsalat » Gericht entspricht. Wobei das Verbreitungszentrum der „Salade de Cervelas au Gruyere“ sich bei Pitte in den Hochvogesen befindet.

[12] Eine sehr schöne rezente „géographie gastronomique“  Frankreichs ist das Buch „On va deguster la France“  (Gaudry 2017). Solch eine „géographie gastronomique“ von Deutschland wäre auch ein schönes Buchprojekt.

[13] Eine deutschsprachige historische Geographie der „Kulinarik“ bietet das Buch von Ute Cohen „Der Geschmack der Freiheit – eine Geschichte der Kulinarik“ – welche die historisch-geographische Entwicklung der Kulinarik beidseits des Rheines in Frankreich und Deutschland und darüberhinaus durchleuchtet

[14] Es gibt ja bei Wikipedia ja tatsächlich eine Seite namens „Schwäbische Küche“, die ich bei der Korrektur dieses Textentwurfes dieses Blogbeitrag entdeckte.

[15] „Sauere Nierle“ findet man an Fasnacht noch relativ regelmäßig auf Speisekarten der „Wirtschaften“ in der Raumschaft Schramberg. Aber ansonsten, sind sie doch sehr selten auf Speisekarten in Südwestdeutschland zu finden, hingegen findet man „Rognons“ in Frankreich schon etwas öfter.  Vor kurzem konnte jedoch im „Ochs & Schwan“ in Kirchheim an der Weinstraße vorzügliche Kalbsnieren in Cognacsrahm genießen, – hier ein Link zur Winterkarte 24/25.

[16] In Wikipedia.de werden dies Würste als „Wollwürste“ bezeichnet.

[17] Träubleskuchen = Johannesbeerkuchen.

[18] Tarte aux Myrtille = auch Tarte aux Brimbelles genannt, Heidelbeertarte.

[19] Einen solchen Heidelbeerkuchen, der sehr der elsässichen „Tarte aux Myrtilles“ ähnelt, mit selbstgepflückten Heidelbeeren vom Fohrenbühl  gibt es im mehrfach in diesem Text erwähnten Adler auf dem Fohrenbühl.

[20] Tarte aux Quetches = Zwetschgentarte

[21] Siehe auch „„Die Liebe höret nimmer auf“ – découvrir les paysages sonores du „ Royaume du Wurtemberg“ avec Katharina Eickhoff

[22] Siehe auch den Beitrag „Wintersonnenwende 2024“ – in welchem der Verfasser des Paysagesblog „Hälfte des Lebens“ rezitiert (im Tondokument).

[23] Zu Märklin siehe u.a. auch „Erinnerungen an die „märklinModerne““ und „Quel surprise – la 141 R de Märklin“ .

[24] Ähnlich wie beispielsweise die Blogbeiträge  „Der Neckar – literarische Spaziergänge mit Jan Bürger„, „Erinnerungen und Gedankenfetzen zu Martin Walsers autobiographischem Roman „ein springender Brunnen„“ , „Bemerkungen zur Biographie „der Walder vom Schwarzwald, Erinnerungen an den rebellischen Förster Walter Trefz“ von Annette Maria Rieger„, „Notice de lecture « Simone Morgenthaler : Sur la route avec Tante Jeanne »“.

[25] Historisch – literarisch ist die schwäbische Gastwirtschaftskultur in Martin Walser’s autobiographischen Roman „ein springender Brunnen“ beschrieben worden. Persönliche Lesenotizen des Verfassers des Paysagesblog zum Roman finden sich in „Erinnerungen  und Gedankenfetzen zu Martin Walsers autobiographischem Roman „ein springender Brunnen““.

[26] Eine sehr kompakte Darstellung der Geschichte findet man u.a. in dem Buch „Junghans. Uhren – Federn – Zünder ein Kaleidoskop“ von Gernot Stähle (2022). Eine Kurzrezension dieses Buches kann man hier in diesem Blog im Artikel „Blognotiz 24.11.2024: Worms im Nebelmeer“   finden.

[27] Mein Vater unterrichte Französisch, Geschichte und Politik am Gymnasium Schramberg. Meine Mutter leitete einen Kinderhort in Schramberg, – und war daneben sehr in der SPD sowohl landespolitisch als auch kommunalpolitisch aktiv.

[28] Schwäbisch „Vespern gehen“, – Abends in die Gastwirtschaft essen  gehen,-  und meist einen Wurstsalat, Bratwürste oder eine kalte Wurst bzw. Speckplatte verzehren.

[29] Irmgard Ströhle unterrichte Französisch und Geographie am Gymnasium Schramberg. Sie absolvierte zusammen mit meinem Vater das Referendariat am Seminar Rottweil. Sie war mit Karl Ströhle verheiratet, der am selbigen Gymnasium Mathematik und Physik unterrichtete. Ihn hatte es sozusagen von Laichingen von der „Alb ra“ nach Schramberg in den Schwarzwald geweht.

[30] Siehe u.a. auch „Erinnerungen an die „märklinModerne“.

[31] Zur Bedeutung der Wirtschaft bzw. des Gasthauses für die Geschichte der Stadt Schramberg siehe u.a. auch Kohlmann Dieter (2024):  Die Kindheitserinnerungen der Anna Braitsch – Zur Geschichte der Gastwirtschaft „Hammerhäusle“ im Stadtteil Höfle (1). In : D’Kräz, 44, 5- 19.

[32] Lesenswerter Kommentar von Barbara Supp zur Bundestagswahl 2025 im SPON bezüglich des  „Verschwinden“ der Infrastruktur im ländlichen Raum, wozu auch die Gastwirtschaft gehört, „Wahlkampf und der ländliche Raum – Warum interessiert ihr euch nicht für die Provinz?

[33] Hierzu auch „Eduardo“ in Vincents Klinks Tagebuch.

Erinnerungen  und Gedankenfetzen zu Martin Walsers autobiographischem Roman „ein springender Brunnen“

Es ist Wochenende, Samstagmorgen im Cafe Steidler an der unteren Steige in der Talstadt Schramberg. Ruhe im Himmel, keine Düsenjäger die über den Schwarzwald jaulen, keine Starfighter die über das Heckengäu ziehen, keine Mirage die im Konturenflug durch’s Kinzigtal und dann durch das enge Schiltachtal braust, über dem Schramberger Talkessel hochzieht, über dem Sulgen weiter über die Muschelkalkhügel des Heckengäu gen Osten fliegt, um die imaginären roten Panzerkolonnen, die an den Rhein, die französische Grenze drängen, noch vor dem Neckar zum Stehen zu bringen. Wir sind in der Hochzeit des kalten Krieges, – und kurz nach Elf  treffen wir uns im Steidler um die Welt zu diskutieren.

Was sagt der letzte Spiegel, was sagt vor allem die Zeit, – und im Steidler so wie auch im Bruckbeck und im Cafe Brantner konnte man auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung lesen. Ich habe Freunde, die wurden damals FAZ Leser, – ich wurde es nicht. Und der Walser hat gesagt, – und der Walser hat geschrieben, und der Walser meint, und der Augstein sagt …..

Wir, das waren ein paar Freunde aus der Oberstufe, – manche hatten auch schon ihr Abi in der Tasche, waren bei Bund – den man damals den Barras nannte, – Zivis – also Zivildienstleistende gab es kaum, denn damals musste man noch ein aufwendiges Prüfungsverfahren die sogenannte Gewissensprüfung durchlaufen und das hat sowieso kaum jemand geschafft …. und ein paar machten auch schon ein Volontariat beim Boten (Schwarzwälder Bote), dem Tagblatt (schwäbische Zeitung), der Südwestpresse ….

Daran musste ich denken, als ich vor etwas über einem Jahr vom Tod des Martin Walser erfuhr. Wir waren mitten im kalten Krieg, Anfang der 1980 Jahre, – ich war damals noch Oberstufenschüler und besuchte das Gymnasium in Schramberg, an dem ich 1984 das Abitur ablegte.  Walser wurde viel gelesen, – und war, in den überregionalen Medien mit seiner gewichtigen Stimme, die viel zu sagen hatte damals in der westdeutschen Nachkriegszeit sehr präsent. Als ich von Martin  Walsers Tod erfuhr, musste ich an den kalten Krieg denken – die Düsenjäger über Schwarzwald, Alb und Bodensee, – und unsere „Samstagsitzungen“ im Cafe Steidler an der Steige. Damals war ja noch an jedem zweiten Samstag bis kurz nach Elf Schule. Letztes Jahr als ich vom Tod Walser erfuhr, wollte ich erst etwas für paysages schreiben, aber dann ist es im Alltagstrubel etwas untergegangen, das Schreiben wurde vergessen, und dennoch bleibt die Erinnerung an Walser als meinungsstarken Chronist der Nachkriegsjahre.  

Stattdessen kaufte ich mir sein letztes Buch mit den Illustrationen von Cornelia Schleime – „das Traumbuch Postkarten aus dem Schlaf“ und die Taschenbuchversion von „ein springender Brunnen“. Ich war doch sehr erstaunt, dass es den springenden Brunnen nicht als Epub gibt, – denn ich versuche seit dem ich einen Tolino besitze[1], – möglichst die meisten meiner  Buchanschaffung in Form eines ePub zu tätigen, da ich gar nicht mehr weiß, wohin mit allen meinen Büchern.  Wobei die Lektüre des springenden Brunnen auch auf sich warten ließ. Ich war in meinen jungen Jahren bestimmt kein Martin Walser Fan, – sowie beispielsweise mein Vater, der bis zu seinem frühen Tod 1992 wohl alle bis dahin erschienenen Werke von Walser in der Reihe edition suhrkamp in seinem Arbeitszimmer im Lärchenweg stehen hatte. Mein Vater hat wahrscheinlich einen Großteil dieser Bücher gelesen, – nicht nur gelesen, sondern regelrecht studiert, wie ich viele Jahre später feststellen musste als ich ein paar dieser Walser Werke in die Hand nahm, und die handschriftlichen Anmerkungen meines Vaters in den Büchern entdeckte. Ich selbst hatte bis zum Tod Martin Walsers im letzten Jahr nur wenig vom ihm gelesen, – „Die Gallistl’sche Krankheit“, „Ein fliehendes Pferd“, „Über Deutschland reden“, „Finks Krieg“ mehr überflogen als gelesen. Von diesen überflogenen Büchern hat sich nachhaltig nur Finks Krieg in der Erinnerung festgesetzt, denn handelte sich ja um die literarische Verarbeitung der Affäre Gauland. Und Alexander Gauland sollte ja später noch als Gründungmitglied der Wahlalternative 2013 aus der dann die AFD entstand werden, richtig berühmt werden. Richtig „auf der Zeile“ gelesen, – habe ich eigentlich nur „Die Verteidigung der Kindheit“, die Erinnerung an diesen Roman von Walser ist mir positiv im Gedächtnis verblieben.

Zeit für die Lektüre des springenden Brunnen habe ich nun Anfang Juli gefunden. Wie schon in zwei vorhergehenden auf Französisch verfassten Blogbeiträgen beschrieben, leide ich an der gleichen Krankheit  wie einst François Mitterrand[2] und musste in diesem Zusammenhang Anfang Juni einen Klinikaufenthalt hinter mich bringen. Zeit zum Lesen gab es da natürlich genug – und hier habe ich mich dann auch der Lektüre des autobiographischen Romans „ein springender Brunnen“ widmen können. Ja, ich muss es gleich zu Anfangs gestehen, das Buch hat mir außerordentlich gut gefallen, wohlwissend, dass das Buch bei Erscheinen 1998 durchaus heftig kritisiert wurde.

Die Lektüre Buches tauchte mich in eine vergangene Welt ein, – deren letzte Jahre ich selbst Ende der 1960 und Anfang der 1970 siebziger Jahre als Kind noch erleben durfte. Die Welt des katholischen Oberschwabens wie man sie auch im Werk von Arnold Stadler wiederfindet. Ich habe mich beim Schreiben des Kapitels „Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg“ für das von Conny Scheck und Maria Gelder  herausgegebene Zeitzeugen Buch „Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte“ über die Zeit des zweiten Weltkrieges in Bad Saulgau intensiv mit dieser Welt auseinander gesetzt. So intensiv, dass ich parallel dazu mehrere Blogbeiträge darüber schrieb[3] .  Eigene Erinnerungen kreuzen sich mit Örtlichkeiten im Buch Walsers wie beispielsweise hier „Sie würde sich hinausstürzen aus diesem Leben. Ins tiefste Kloster hinein. Nach Sießen zu den Franziskanerinnen. Sie musste morgen früh, vor dem Kommunizieren, noch einmal beichten (Walser, M. 2021,  318)“. Mein Urgroßvater Wilhelm Schramm hat während der NS-Herrschaft, obwohl selbst NSDAP Mitglied, die Flucht der Franziskanerinnen in die Schweiz mit organisiert[4]. Abgesehen davon war das Kloster Sießen ein wichtiger Dreh und Angelpunkt im Alltagsleben meiner Saulgauer Verwandtschaft, insbesondere für meine Großeltern.

Oder das Kohleausfahren in Wasserburg von dem Walser berichtet. Kenne ich auch noch. Natürlich nicht mit dem Handwagen wie bei Walser sondern mit dem Lastwagen. Mein Opa  Anton Neff war Geschäftsführer der Wilhelm Schramm KG, einer Möbelspedition die ursprünglich aus einer Bahnspedition hervorging, – und die noch in den 1970 Jahren die Kohlen und das Heizöl, welches rund um Saulgau vertrieben wurde, per Bahn im „Wagenladungsverkehr“ erhielt. Wenn wir die Großeltern in Saulgau besuchten habe ich viele Male meinen Onkel Ewald, der ja später Geschäftsführer dieser Spedition wurde, beim Kohleausfahren begleitet[5]. Kartoffeln, Obst und Wein wurde auch gehandelt, aber das war wohl mehr ein Hobby meines Opas, das lief so nebenher.

Wasserburg gehört zu Bayern, und deshalb sind die im springenden Brunnen romanhaften Lebenserinnerungen nach Bayern, dem Allgäu und Tirol ausgerichtet. Aber diese politischen Landesgrenzen waren ja im katholischen Schwaben weniger relevant, –  die Donaustädte, Oberschwaben, das katholisch bayerische Schwaben, Tirol, Nieder und Oberbayern – die Klöster und Priesterseminare waren die Wegmarken dieser vergangen Welt.

So führte der Weg des Joseph[6], einer der vielen Brüder meines Großvaters, mit dem man mich im Familienkreise in meiner Kindheit oft verglich, von Munderkingen über Gars am Inn nach Deggendorf. Dieser Joseph Neff war Redemptorist und verstarb im Redemptoristenkloster Deggendorf am 9. Oktober 1925 an den Folgen einer Kriegsverwundung aus dem ersten Weltkrieg[7]. Das Redemptoristenkloster im niederbayrischen Deggendorf ist übrigens längst Geschichte, ja vergessen, – in den 1970 Jahren abgerissen, findet man nicht mal eine Artikel über dieses Kloster in der deutschsprachigen Wikipedia, – nur im Regiowiki Niederbayern findet man einen interessanten Artikel über das Kloster.

Während ich am Zeitzeugenkapitel über das Kriegsende in Bad Saulgau schrieb, wurde mir aus Verwandtschaftskreisen eine kleine Bilderkiste vermacht, – mit persönlichen Photographien, Zeitungsausschnitten, Todesanzeigen – die letztlich auch ein Blick in das katholischen Schwaben, vom Beginn des ersten Weltkrieges bis in die Nachkriegszeit Ende 1940, gewährt. Letztlich eine ähnliche Welt wie Martin Walser ihn im springenden Brunnen beschreibt. Was mich hingegen in dieser Welt schon immer verblüfft hat, wie wenig Rom und die Kurie in dieser Welt eine Rolle spielten. Der Kaplan  bzw. der Vikar (Pfarrvikar), der Pfarrer, der Weihbischof, der Bischof, sowie das Klosterleben  der oberschwäbischen Klöster waren im Alltagsleben dieser katholischen Welt weit wichtiger als das ferne Rom.

Blick ins Feuerenmoos, © Christophe Neff 13.02.2018

Und dann noch der Krieg, – der erste und der zweite waren in meiner Saulgauer Familie omnipräsent, ich habe das auch ausgiebig im schon erwähnten Zeitzeugenkapitel „Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg“ dargestellt. Aber die Kriegszeit und die Erinnerung daran sind mir auch in meinen Kindheitsjahren in Schramberg, der Schwarzwaldstadt in der ich aufgewachsen bin, immer wieder begegnet. Nicht nur in der Kindheit, – vor ein paar Jahren fuhr ich zur Trauerfeier und Beerdigung eines Schulfreundes auf den Sulgen. Es war ein schöner sonninger Wintertag, – Feuerenmoos und Sulgen, Hintersulgen schneebedeckt, – und dann in der Trauerfreier, war er plötzlich wieder da –  der Krieg, als der Pastor vom Bruder des Verstorbenen sprach, der als Pilot im Krieg gefallen war. Eine Wunde die nach über 70 Jahren nach Kriegsende noch schmerzte.

Johann holte den Ortsgruppenleiter ein, als der die Stiefelspitze auf die oberste Stufe setzte. Die Mutter, gerade im Gang, gerade unter der geöffneten Tür von Zimmer vierzehn. Auch geteilt. Fünfköpfig war da eine Familie untergebracht. Die Frau stand mit ihrem Achtjährigen, die Mutter stand mit Anselm, alle hörten die Ortsgruppenleiterstiefel auf den ächzenden Stufen. Drehen sich um. Ihm zu. Die Mutter sieht ihn und schreit. Und Anselm auch. Die Mutter rennt den Gang entlang ins geteilte Zimmer acht. Johann bleibt hinter dem Ortsgruppenleiter. Der Schrei hört nicht auf. Ein einziger Ton. Von Anselm hört man nichts mehr. Johann spürt selber nichts. Er erlebt nur, was die Mutter erlebt. Der Ortsgruppenleiter geht in die zur Küche gemachte Zimmerhälfte. Die Mutter hat die Tür offengelassen. Die Mutter steht, sieht dem Ortsgruppenleiter entgegen, gibt keinen Ton mehr von sich …. (Walser, M. 2021, 339)“

Als ich diesen Abschnitt, in dem der Ortsgruppenleiter der Familie mitteilt, dass der Sohn Joseph gefallen ist las, erinnerte ich mich daran, dass ich diese „Szenen“ wenn die Todesbotschaft über den im Krieg gefallen Sohn nach Hause überbracht wurde, das Schreien der Mütter, – das habe ich tatsächlich erzählt bekommen – und zwar in der Grundschule, die damals noch Volksschule hieß. In der vierten Klasse beim Lehrer Hunzinger[8] in der Grundschule am Kirchplatz auf dem Sulgen. Samstagmorgens in der letzten Stunde gab es immer die „Stunde“ Sagen und Geschichten aus der Heimat. Da wurde uns  vom Romäus aus Villingen, dem Hans vom Rechberg mit seinem berühmten Spruch Hostamadostha[9], manchmal klassische Sagen oder auch die Fabeln von La Fontaine.  -. Nebenbei erklärte er uns auch, dass ein Krattenmacher, also die Vorlage der Sulgener Narrenfigur, dem Sulgener Hansel, ein Korbmacher sei, von denen früher wohl einige auf dem Sulgen, sprich Sulgau und Sulgen gegeben habe. Die Kratte ist eine längst vergessene schwäbisch-alemannische Bezeichnung für Korb – ein Wort, welches Walserer u.a. auch im springenden Brunnen verwendet „ Der Großvater sagte, Johann könne einen Kratten holen und die gefallenen Äpfel auflesen, fürs morgige Apfelmus. Johann holte aus dem oberen Stock der Remise, wo alles herumlag, was man nicht mehr brauchte, aber dann doch wieder brauchte, einen Korb und las aus dem Gras unter allen acht Apfelbäumen das gefallene Obst (Walser, M, 2021, 36).

Und beim Erzählen kam der Lehrer Hunzinger manchmal auf von Leben auf dem Sulgen während der Kriegszeit zu sprechen. Er glitt sozusagen von den Krattenmachern, den einst getrennten Ortsteilen Sulgau und Sulgen die auch konfessionel getrennt waren, Sulgau war altwürttembergisch und evangelisch und zum Kirchgang mussten die Sulgauer zu Fuß ins mehrere Kilometer entfernte Schönbronn laufen, – und der Sulgen war schon immer katholisch, langsam aber stetig in die Zeit des Zeit des zweiten Weltkrieg. Und da hat er mehr als einmal von den Vorahnungen der Mütter vom Nahen Tod des Sohnes, vom Eintreffen der Todesnachricht, dem ländlichen Leben zwischen Sulgen, Haardt, Aichhalden und Dunningen berichtet. Die Angst vor einem unergründlichen Schicksal dem man nicht entkommen konnte, – der Krieg bringt Angst, Tod und Verzweiflung über das Land und die Städte und Dörfer zwischen Schwarzwald und Alb,  und selbst in den hintersten Ecken vom Sulgen, dem Lienberg, der Hutneck, wird niemand verschont, keiner kann sich vor dem Schicksal welches der Krieg einem vorsieht verstecken. Dem Schreien der Mutter auf dem Lienberg, als die Todesnachricht des Sohnes der in Russland gefallen war im Bauernhaus ankam, ein Schrei den man wohl auf dem ganzen Sulgen zu hören glaubte.  Auf unvergessliche Art vom Lehrer Hunzinger erzählt, sodass ich mich noch heute daran erinnern kann.

Der vorliegende Text ist ein Auszug meiner Gedanken die mir bei der Lektüre des autobiographischen Romanes „ein springender Brunnen“ während meines Aufenthaltes im Klinikum Worms Anfang Juli 2024 so durch den Kopf gingen. Es ist keine Literaturkritik und auch keine Buchzusammenfassung. Eine sehr gelungene von Hajo Steinert verfasste Zusammenfassung des Inhaltes des Buches kann man hier im Archiv des Deutschlandfunkes finden.

Würde man mich fragen, welches Buch ich empfehlen würde, um Einblick in das Alltagsleben des katholischen Oberschwaben und des Bodensees von den 1930 bis 1950 Jahre zu bekommen, dann würde ich bestimmt das Buch „ein springender Brunnen“ von Martin Walser empfehlen. Ein meisterhaft geschriebener Roman, der bei mir persönlich sehr viele Erinnerungen weckte. 

Überlingen Uferpromenade Blick über den Bodensee, © Christophe Neff 01.01.2024

Zusätzlich zum „Buchdeckelbild“, der von mir gelesenen Taschenbuchausgabe „ein springender Brunnen“ habe ich noch das Titelbild des letzten von Walser geschriebenen Buches „Das Traumbuch“ ausgewählt, weil dort sowohl im Text als auch in den von Cornelia Schleime gestaltenen Bildern Wasserburg und der Bodensee eine bedeutende Stellung einnehmen. Zuletzt auch noch ein von mir am Neujahrstag 2024 von der Uferpromenade in Überlingen mit Blick auf den Bodensee und im fernen Hintergrund gerade noch erkennbar die Alpen. Weiterhin noch eine Aufnahme aus dem winterlichen Feurenmoos, – welches ich am Tag der Beerdigung des Vaters des Schulfreundes machte.

Photos: © Christophe Neff 01.01.2024 und 13.02.2018

Bibliographie

Ditter, Robert (1993): „Hosta Madostha“ – Hans von Rechbergs Sprichwort. In: D’Kräz, 13, 18-21.

Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259. (Ein PDF – Sonderdruck des Buchbeitrages kann in der KITOPEN Bibliothek heruntergeladen werden DOI: 10.5445/IR/1000159193)

Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg)(2023): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht. Menschen erinnern sich an eine schwierige Zeit, aber auch an den hoffnungsvollen Neubeginn. Ihre Wege kreuzen sich in Saulgau und Umgebung.  Mit einem Vorwort von Wolfgang Schneiderhahn. Ausgabe in drei Bänden im Schuber. Bad Saulgau Mai 2023.

Walser, Martin (2021): Ein springender Brunnen. Roman. 6. Auflage 2021, Erste Auflage 2000 suhrkamp Taschenbuch 3100, © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1998. ISBN 978-3-518-39600-1.

Walser, Martin; Schleime, Cornelia (2022): Das Traumbuch. Postkarten aus dem Schlaf. Copyright © 2022  Rowohlt Verlag Hamburg, ISBN 987-3-498-00319-7

Christophe Neff, Grünstadt Juli 2024, hochgeladen am 21.7.2024


[1] Siehe u.a « Une liseuse „Tolino“ pour délester ma bibliothèque »

[2] Vgl. « Blognotice 06.07.2024: veille du deuxième tour des élections législatives 2024 » und « Blognotice 02.06.2024 : « La promesse » d’Anne Lauvergeon »

[3] Dazu chronologisch „Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 2010“, „Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen“, „Blognotice 16.11.2022: révision/finissage d’un chapitre de livre sur la fin de seconde guerre mondiale dans une petite ville allemande & débuts sur Mastodon“, „Net schon wieder Ulm“ : Über die Buchpräsentation „Aus dem Grau der Kriegszeit – Geschichten hinter der Geschichte“ in der Bad Saulgauer Stadthalle am Donnerstag den 25.5.2023

[4] Dazu siehe auch Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259.

[5] Hierzu vgl. auch „Blognotiz 16.11.2014: Novembererinnerungen an Saulgau – Gedanken zum Volkstrauertag 2014“ und „Wintereinbruch erstes Adventswochenende 2023 : Bemerkungen zum Schnee & Bahnchaos in Süddeutschland“.

[6] Josef bzw. Joseph Neff geschrieben.

[7] Vgl Deggendorfer Donaubote Nr. 233, Samstag 10. Oktober 1925 Nr 233, 54 Jahrgang  S.2 „Lokales Allseitige Teilnahme wendet sich dem hiesigen Redemptoristen Konvente ob des raschen Hinscheidens des jugendlichen allbeliebten hochwürdigen P. Josef Neff. …. „

[8] Der Lehrer Hunzinger was Rektor der Grundschule am Kirchplatz auf dem Sulgen.

[9] Hostamadostha = Verballhornung von Hora mea adest, – angeblich von Hans von Rechberg getätigter Spruch angesichts der nahen Todes. Nach Ditter, R. (1993)  „hora matura“ = die Zeit ist reif.

Blognotiz 04.02.2024: es ist Sonntag

Januarblick vom Grünstadter Berg auf Grünstadt, © Christophe Neff, 28.01.2024

Es ist Sonntag, – graues Nieselwetter ist angesagt, wobei jetzt wo ich diese Blognotiz niederschreibe, das Wetter etwas aufklart. Letzten Sonntag, nach dem ich im Schneck International dem Blog von Sebastian Rogler[1] den Beitrag „Keine“ gelesen hatte, habe ich die winterlichen Sonnenstrahlen genutzt, bin ich übern Grünstadter Berg gerannt, sowie ich das bei gutem Wetter, eigentlich immer mache. In „Keine – Maultaschen für Nazi“ berichtet Rogler über seine Teilnahme an der Anti-AFD Demo in Stuttgart. Sehr schön geschrieben, – mit dem Autor von Schneck International bin ich auf einem Landgasthof nahe dem Bodensee ins neue Jahr „getanzt“ – ja habe sogar etwas gesungen, – unter anderem den „Vechio Frack“ von Domenico MondugoÈ giunta mezzanotte, Si spengono i rumori, Si spegne anche l’insegna, Di quell’ultimo caffè …..

Nach dem Sonntagssport habe ich mich der Steuer gewidmet, – und diese dann tatsächlich im Laufe der Woche bei der Steuerberaterin abgegeben. Aber leider hat sich inzwischen herausgestellt, dass ich wieder Unterlagen nachreichen muss. Was haben wir nur für ein kompliziertes Steuersystem, dass jemand wie ich der im Sinne Bierbichlers „Mittelarm oder Mittelreich“ ist, die Hilfe eines Steuerberatungsbüros braucht um seine Steuererklärung ordnungsgemäß abgeben zu können. Man zahlt einen Haufen Steuern und Abgaben, derweil es bei der Bahn an allen Ecken und Enden hakt, es fehlt an Ärzten und Medizinstudienplätzen, an Pflegern, an Lehrern, die Bundeswehr krächzt aus dem letzten Loch und man sich schon fragt wo bleibt das ganze „Geld“ . Es gibt ja da die Zeitenwende, aber im Alltagsleben merkt man nichts davon …..

Ich war bisher auf keiner Anti-AFD Demo, –  Menschenmengen sind mir generell suspekt, – aber falls meine Freunde in Stuttgart oder München wieder eine solche Besuchen würden, würde ich mich in den ICE setzten und mich ihnen anschließen. Ich bin überhaupt überrascht wie viele meiner Freunde, aber auch Kollegen vom KIT an solchen Demos teilnahmen ….  So wie man es in Schneck International nachlesen kann, – es ist ein „Wir“ Gefühl entstanden.  Wobei diejenigen die an solchen Demos teilnehmen, an der Wahlurne sowieso der AFD ihre Stimme nicht schenken würden!

Kann man diejenigen die AFD wählen oder beabsichtigen AFD zu wählen überhaupt jemals mit Argumenten überzeugen dies besser nicht zu tun. Da bin ich inzwischen doch recht skeptisch. Letzthin hinterließ mich die Lektüre des Artikels „“Lasst sie mal machen„“ in der Zeit doch eher ratlos. Da staunt man über das „Gottvertrauen“ des Rechtsanwaltes der der AFD seine Stimme bei den nächsten Landtagswahlen geben will, in die Stabilität unserer demokratischen Institutionen. Ich bin da eher bei Dirk Kurbjuweit der letzthin in einem lesenswerten Essay vor der „deutschen Unbedingtheit“ der AFD warnt. Lesenswert in diesem Zusammenhang im gleichen Spiegel, das Interview von Wolf Biermann „»Falsche Feinde sind gefährlicher als falsche Freunde«“. In diesem Sinne auch bemerkenswert der Kommentar von Christian Bangel „Demonstrationen gegen Rechtsextremismus: Wo bleibt das „Wir haben verstanden“?“ in Zeitonline,  oder auch die Kolumne von Susanne Beyer „Kampf gegen Rechtsextreme – Auf die Union kommt es jetzt an“ im Spon.

Verbleibe nach dieser Woche eher ratlos was die AFD betrifft, – wenn man sieht wie schwer sich das Nachbarland Polen mit der „Rückabwicklung“ autoritärer und antidemokratischer Strukturen tut, – dann kann man angesichts der deutschen Unbedingtheit der AFD nur hoffen, dass diese Partei weder auf Landesebene noch auf Bundesebene jemals in Regierungsverantwortung kommt. Vor einem Ministerpräsidenten Björn Höcke habe ich ja in meinem letzten Blogbeitrag gewarnt – „Das Björn Höcke zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt wird ist vielleicht unwahrscheinlich, aber bestimmt nicht unmöglich!

Soweit sich das Wetter heute etwas stabilisiert, werde ich wieder übern Berg rennen, mich danach um die fehlenden Steuerunterlagen kümmern, vielleicht noch etwas über Buch welches mich über viele Monate begleite und das ich in der Nacht von Freitag auf Samstag zu Ende gelesen habe, schreiben. „Pour une juste cause“ von Vasili Grossman in der neuen französischen Übersetzung von Luba Jurgenson. Das Buch ist in Deutschland auch unter dem Titel „Stalingrad“ oder „Wende an der Wolga“ bekannt. Da bin nach über 1048 Seiten Lektüre in einer nächtlichen Überfahrt über die Wolga im herbstlichen Mondscheinlicht des Jahres 1942 mit dem Politkommisar Krymov am westlichen Wolgastrand im brennenden Stalingrad angekommen. Vor 81 Jahren ging die 6. Armee in Stalingrad in den „Untergang“. Vor einem Jahr, also dem achtzigjährigen Untergang der 6 Armee habe ich mich doch sehr gewundert, wie wenig von „Stalingrad“ noch in unserem kollektiven Gedächtnis in Deutschland vorhanden ist. Ich musste im letzten und auch im vorletzten Jahr beim Verfassen eines Zeitzeugenkapitels für ein Buch über die Kriegsjahre in Bad Saulgau oft an Stalingrad denken[2]. In Saulgau der Geburtsstadt meines Vater, waren vor dem Russlandfeldzug Teile der Bodenseedivision der Wehrmacht einquartiert[3]. Die 305. Infanterie-Division, die sogenannte Bodenseedivision war Teil der 6. Armee und wurde im Kessel von Stalingrad vernichtet. Nur sehr sehr wenige Soldaten der Bodenseedivision überlebten die Schlacht von Stalingrad, – nur einer Handvoll war es vergönnt wieder in ihre Heimat in Oberschwaben, der schwäbischen Alb und dem Bodenseeraum zurückzukehren! Und die wenigen die zurückkehrten waren vom Krieg und Gefangenschaft gezeichnet.

Photo: © Christophe Neff, 28.01.2024

Bibliographische Hinweise:

Biermann, Wolf (2024) : »Falsche Feinde sind gefährlicher als falsche Freunde« Der Liedermacher und Lyriker Wolf Biermann hat drei deutsche Staaten erlebt, durch seinen in Auschwitz ermordeten Vater fühlt er sich Israel verbunden. Der Weltlage will er mit einem »Optimismus der Tat« begegnen – und Björn Höcke mit ungewöhnlichen Mitteln bekämpfen. Spiegel Gespräch mit Melanie Amann und Tobias Rapp. Der Spiegel, 6, 2024, 3.3.2024, S. 32-35.

Grossman, Vasilli; Jurgenson, Luba (trad.) : Pour une juste cause. Traduit du russe par Luba Jurgenson.. Édition  établie et prefacée par Luba Jurgenson. Postface de Robert Hugh Chandler. Paris, 2023. За правое дело (For a just cause), © Ekaterina Vasilyevna Korotkova et Yelena Fedoronvna Kozhichkina, 2019, Postface © Robert Hugh Chandler, pour la traduction. ISBN 978-2-7021-8035-8

Kurbjuweit, Dirk (2024): Die Lammfrommen und die Unbedingten. Warum es falsch wäre, der AfD ein Verbotsverfahren zu ersparen. Der Spiegel, 6, 2024, 3.3.2024, SS.50-51.

Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259. (Ein PDF – Sonderdruck des Buchbeitrages kann in der KITOPEN Bibliothek heruntergeladen werden DOI: 10.5445/IR/1000159193)

Neff, Winfried (Hrsg) (1990): Briefe aus dem Osten. Herausgegeben und Kommentiert von Winfried Neff. Graphik Uwe Rettkowski. Schramberg 1990

Christophe Neff, Grünstadt 04.02.2024


[1] Von Sebastian Rogler stammt auch das im Beitrag „Paysages: Retour sur le 07 octobre 2023 –  „Stand with Israel!“ verwendete Bild „Stand with Israel“

[2] Siehe „Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg“ sowie „„Net schon wieder Ulm“ : Über die Buchpräsentation „Aus dem Grau der Kriegszeit – Geschichten hinter der Geschichte“ in der Bad Saulgauer Stadthalle am Donnerstag den 25.5.2033“

[3] Über diese Zeit der Einquartierung des 305 Nachrichtenabteilung in Saulgau verfasste mein Vater ein Buch mit Namen „Briefe aus dem Osten“, siehe auch „Blognotiz 16.11.2014: Novembererinnerungen an Saulgau – Gedanken zum Volkstrauertag 2014“.

Wintereinbruch erstes Adventswochenende 2023 : Bemerkungen zum Schnee & Bahnchaos in Süddeutschland

Schwarzwaldwinterlandschaft in Lauterbach (Schwarzwald), © Norbert Swoboda 03.12.2023

Am ersten Adventswochenende 2023, also am ersten, zweiten und dritten Dezember brach der Winter über Süddeutschland ein. Es fiel relativ viel Schnee, – wobei es nicht überall in Süddeutschland schneite, beispielsweise gab es in Grünstadt und der Unterhaardt so gut wie keinen Schnee[1], – aber vor allem in Bayern fiel so viel Schnee, sodass in großen Teilen Bayern der Eisenbahnverkehr zum Erliegen kann[2]. Der Bahnverkehr am Münchner Hauptbahnhof und rund um München, sowie in Südbayern wurde eingestellt. Im Großraum München fuhren überhaupt keine Züge mehr an diesem Wochenende.Das bundesweite Einstellen des Fernverkehrs bei angekündigten Sturmtief wie von Antje Kapsch (2023) in einem Artikel der geographischen Rundschau beschrieben, gab es zwar in den letzten Jahren immer mal wieder, – aber an einen totalen Ausfall des gesamten Eisenbahnverkehrs (Nah und Fernverkehr, Güterverkehr) in großen Teilen eines Bundeslandes, das denke ich hat es in dieser Form so in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg noch nicht gegeben. Und es war ja nicht nur Bayern betroffen, – so waren unter anderem Teilabschnitte der Gäubahn und der Schwarzwaldbahn für den Zugverkehr gesperrt.

Früher, – früher in meiner Kindheit, in den 1960 und 1970 Jahren,  hätte es so etwas nicht gegeben. Da hieß es noch „Alle reden vom Wetter – wir nicht[3]“ – das war eine Werbekampagne die die Bahn 1966 gestartet hatte, und die auch noch in den Folgejahren fortgeführt wurde[4]. Und tatsächlich kam es in den 1960 und 1970 Jahren kaum vor, dass die damalige Deutsche Bundesbahn in der alten Bundesrepublik großflächig den Bahnverkehr wegen „Schneefalles“ einstellte.

Über meine Großeltern in Bad Saulgau waren wir ja zu dieser Zeit doch eng mit der Bahn und dem Eisenbahngeschehen verbunden, – ich habe darüber auch ein kleines Buchkapitel „Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg“ in einem Zeitzeugenbuch über das Ende des zweiten Weltkrieges in Bad Saulgau verfasst. Bei den sonntäglichen Tischgesprächen in der Karlstraße gegenüber vom Saulgauer Bahnhof als es um die Eisenbahn ging, – da hieß es oft – ja die Reichsbahn die fuhr bis kurz vor der Kapitulation noch und dann nach Kriegsende ging es eigentlich auch recht rasch wieder los mit dem Bahnverkehr. Wenn man sieht wie heute die Bahn bei fast jeder „Wetterkapriole“ in die Knie geht, – ist das so kaum vorstellbar. Das Heizöl und die Kohlen, die die Firma meiner Großeltern, der „Schramm[5]“, bis ca. Ende der 1970 Jahre per Bahn aus dem Ruhrgebiet oder von den Häfen in Mannheim oder Plochingen erhielt, – die Kesselwagen und Kohleselbstentladewagen kamen jedenfalls immer pünktlich auf dem Ladegleis des Saulgauer Bahnhofes an, – und zwar unabhängig vom damaligen „Wettergeschehen“.

Eine solche Krisenleistung, wie sie die Eisenbahn in Deutschland kurz vor Kriegsende 1945, und danach beim Wiederaufbau wird man von unserer jetzigen Bahn in Deutschland kaum noch erwarten können. In der Ukraine vollbringen die ukrainischen Eisenbahner hingegen zur Zeit wahre Wunder, – die Eisenbahn fährt und fährt und bringt die Nachschub an Front, – die Verletzten aus der Front – und die westlichen Politiker auf Solidaritätsreise mit dem Nachzug von Polen nach Kiew und wieder zurück[6].  Kaum vorstellbar, dass unsere „Eisenbahn“ bei solche einer lebensbedrohenden Krise so etwas leisten könnte.

Unvorstellbar war in meinem Kindheitstagen, dass man den Bahnverkehrs wg. „Schneefalles“ einstellt. Die Schwarzwaldbahn, die Gäubahn, die Kinzigtalbahn, die fuhren immer, – egal wie hoch der Schnee lag! Dafür sorgte auch die große Dampfschneeschleuder, die in Villingen beheimatet war. Unvergessen auch die großen 220/221 mit Eisschutz/Eisabschlagsvorrichtung versehen roten Dieselloks des BW Villingens die sogenannten „V200er[7]“, die man deshalb auch die „roten Schwarzwaldelche“ nannte – und das längst vor dem legendären Schwarzwaldelch vom SWR-3. Was auch kaum noch vorstellbar ist, sowohl die Gäubahn als auch die Schwarzwaldbahn wurden in den 1970 Jahren im laufenden Betrieb elektrifiziert. Wochenlange Streckensperrungen wie das ja heute Usus ist bei der Bahn, waren damals unvorstellbar. Selbst das Güterbähnlein nach Schramberg, also die inzwischen stillgelegte Bahnstrecke Schiltach – Schramberg, deren Reaktivierung für den Personenverkehr vor nicht allzu langer Zeit leider ohne Erfolg diskutiert wurde, – fuhr auch bei Wintereinbruch und Schneefall. Nur einmal wurde der Bahnbetrieb wetterbedingt unterbrochen, nach ausgiebigen Regenfällen im März 1986 unterspülte die Schiltach in Schramberg den Bahnkörper des Bähnles und die  212 222 landete mit ihrem Güterzug in der Schiltach[8]. In den Büchern „Unsere Schwarzwaldbahn“ von Heinz Hangarter und „Mit Dampf und Diesel durch den Schwarzwald“  von Heinrich Baumann finden sich übrigens beeindruckende Winter & Schneebilder vom Bahnbetrieb auf der Schwarzwaldbahn und der Kinzigtalbahn in den 1960 und 1970 Jahren.

Einer der Gründe weshalb der Eisenbahnverkehr an diesem ersten Adventswochenende in großen Teilen Süddeutschlands wegen des Wintereinbruchs großflächig zum Erliegen kam, wird wohl daran gelegen haben, so vermute ich, dass die Bahn einfach nicht mehr so viele Räummittel wie Schneepflüge und Schneeschleudern vorhält wie die DB und die DR in den 1960 und 1970 Jahren[9].

Winterlandschaft in Lauterbach (Schwarzwald) 03.12.2023, © Norbert Swoboda 03.12.2023

Überhaupt war der mittlere Schwarzwald, die Raumschaft Schramberg damals in den 1960er und 1970er Jahren ein regelrechtes Schneeland[10]. Man musste da schon mit dem Schnee und den Schneemassen leben können[11]. Aber die Bahn fuhr immer. Hingegen musste in Schramberg bei „Winteranfang“ die alte und die neue Steige für ein paar Stunden gesperrt werden. In meiner Zeit im Gymnasium in Schramberg wurde in den ersten beiden Stunden in den Wintermonaten damals oft keine Klassenarbeiten geschrieben, – weil die „Busfahrer“ aus Rötenberg, Aichhalden, Hardt und selbst vom Sulgen systematisch zu spät kamen. Aber dort, wo es Eisenbahnen mit Personenbeförderung gab im damaligen Schwarzwald der 1960er und 1970er Jahre, da fuhren die Züge wie in der Bundesbahnwerbung bei jedem Wetter. Und pünktlich waren sie meistens auch.

Wie ich ja schon mehrfach in diesem Blog schrieb, – unserem Land fehlt die Krisenresilienz[12]. Hier in der Pfalz fallen ja auch derzeit laufend Züge ohne Wetterchaos aus, – weil Lokführer und Fahrdienstleiter etc. fehlen, so entfallen derzeit zwischen Frankenthal und Grünstadt ca. die Hälfte der planmäßigen Züge[13].

Unsere zivile Infrastruktur ist hochgradig verletzlich, – schon ein Sturmtief, ein Wintereinbruch mit verhältnismäßig viel Schnee bringt das Land in Teilen zum Erliegen. Was würde eigentlich mit unserer zivilen Infrastruktur nach einem großflächigen Cyberangriff geschehen?  Wenn dieser Cyberangriff tatsächlich bei einem schneereichen Wintereinbruch oder wenn wieder einmal ein Sturmtief durchs Land zieht, erfolgt. Wäre unser Land dem gewachsen – wenn ein Bundesland wie Bayern in Teilen nach solchen Wetterkapriolen wie am letzten Sonntag in die Knie geht? Da kann man berechtigte Zweifel haben!

Bedingt Abwehrbereit, – Deutschland Schwäche in der Zeitenwende“ so heißt das neue, lesenswerte und auch hervorragende Buch von Carlo Masala. Auch wenn  sich das Buch vor allem Fragen der Sicherheitspolitik und Außenpolitik widmet, – vieles von dem was Masala beschreibt lässt sich auch auf die zivile Infrastruktur in Deutschlandübertragen. Nach fast zwei Jahrzehnten intensiven Neoliberalismus ist in Deutschland ein Großteil der zivilen Infrastruktur in solch einem desaströsen Zustand, dass ein „Wintereinbruch“ mit zugegebenermaßen relativ intensivem Schneefall, Teile des Schienen und Straßenverkehrs eines ganzen Bundesland zum Erliegen brachte. In der benachbarten Schweiz und in Österreich war durch den Wintereinbruch am selbigen Wochenende der Bahn- und Straßnverkehr behindert, – aber in beiden Ländern kam es eben nicht zum flächenmäßigen Erliegen von Bahn und Strassenverkehr.

Bilder: Die verwendeten Bilder zeigen die verschneite Winterlandschaft in Lauterbach im Schwarzwald vom ersten Adventswochenende 2023. Mein Klassenkamerad Norbert Swoboda, – wir besuchten beide das Gymnasium Schramberg und legten dort gemeinsam das Abitur im Jahre 1984 ab, hat sie mir für den Blog Paysages zu Verfügung gestellt. Sie wecken Erinnerungen an die Schneelandschaften der Raumschaft Schramberg, dem mittleren Schwarzwald so wie ich sie als Kind und Jugendlicher in den 1960 und 1970 Jahren erlebte. Damals war die Raumschaft Schramberg, der mittlere Schwarzwald in der Winterzeit noch ein richtiges „Schneeland“.

Grünstadt und die Unterhaardt haben ihrem Namen als die „Toskana Deutschlands“ an diesem ersten Adventswochenende wieder alle Ehre gemacht, – Schnee gab es kaum in nennenswerte Menge.

Bibliographie & Quellen:

Baumann, Heinrich (2018): Mit Dampf und Diesel durch den Schwarzwald. Erinnerungen an P8, V200 und die Eisenbahn von damals. Den alten Hausacher Eisenbahnern gewidmet. © DGEG Medien GmbH, Hövelhof 2018, ISBN 978-3-946594-09-3

Becker, Karin; Lixfeld, Gisela; Schaub, Cajetan: Schramberg, die fünfziger Jahre. Erfurt, 2003, Sutton Verlag, ISBN 3-89702-552-3

Hangarter, Heinz (1971): Unsere Schwarzwaldbahn. Das stählerne Band durch den Schwarzwald.

Klank, Walter (2023): Einkaufen um die Ecke und Kinderfreuden im Tösviertel. Erinnerungen an Kindheit und Jugend im Schramberg der Nachkriegszeit. In: D’Kräz, 43, 76 -90.

Kapsch, Antje, E. (2023): Die Bahn bleibt Mobil – Naturgefahrenmanagement. In Geographische Rundschau, 12, 2023, 36- 39.

Masala, Carlo (2023): Bedingt Abwehrbereit. Deutschlands Schwäche in der Zeitenwende. Ein Gespräch mit Sebastian Ullrich und Matthias Hansl. München, C.H. Beck, ISBN 978-3-406-80030-9

Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259. (Ein PDF – Sonderdruck des Buchbeitrages kann in der KITOPEN Bibliothek heruntergeladen werden DOI: 10.5445/IR/1000159193)

Photos: © Norbert Swoboda 03.12.2023

Christophe Neff, Grünstadt im Dezember 2023


[1] Siehe auch „Les premières neiges de l‘hiver 2023/24 arrivent à Grünstadt durant la journée du mardi 28 Novembre 2023 »

[2] Hierzu u.a. auch „Winterwetter in Bayern »In einem hochtechnisierten Land eine so schlechte Bahn-Infrastruktur?« »Alle reden vom Wetter – wir nicht«. So warb die Bundesbahn einst für ihre Zuverlässigkeit. Das ist lange her – wie Reisende und Pendler auch Tage nach dem Wintereinbruch in Bayern noch leidvoll erfahren.

[3] Eine Bild des ersten Werbeplakat (Graphik/Gestaltung: Gerhard Schneider   Text: Margot Müller) dieser legendären Werbekampagne kann man u.a. hier auf Spiegelgeschichte finden.

[4] Einer der Werbefilm dieser Werbekampagne kann auch noch hier auf youtube betrachtet werden!

[5] Wilhelm Schramm Kg, damals Möbelspedition & Brennstoffhandel, mehr dazu auch in Neff (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. Bad Saulgau

[6] Hierzu u.a. auch „Krieg auf Schienen – das Bahnnetz der Ukraine spielt für beide Kriegsparteien eine zentrale Rolle“ und „Dieser Zug bringt Ukrainern Essen auf Schienen für den Kriegswinter“.

[7] Im „Volksmund“ nannte man die Dieselloks der Baureihe 220 und 221 einfach die V200. Dieser Lokomotivtyp war bestimmt eines der Symbole der Wirtschaftswunderzeit in der alten BRD. Die Modellbahnvariante dieser Lokomotive von Märklin (oder andere Modelbahnhersteller der damaligen Zeit) fuhr auch damals durch viele Kinderzimmer. In Becker et al. 2003.  auf  S. 100 ist solch eine Modelleisenbahnanalage mit einer V200 von Märklin in einer Schramberger Kinderstube zu sehen.

[8] Siehe die Artikel aus dem Schwarzwälder Bote vom 26.3.1986 und Schwarzwälder Bote vom 25.3.1986 die hier auf der Seite http://www.bbbahn.eu/schramberg.htm reproduzier sind!

[9] Hierzu auch „Bahnen in Deutschland Der lange Kampf gegen Schnee – ein Strukturproblem? Schnee, Schnee, Schnee – so viel wie lange nicht. Am Samstag hat es im Süden Bayerns extrem geschneit – auch am Mittwoch kämpfen nicht zuletzt Bahnunternehmen weiter mit den Folgen. Noch immer fahren Züge teils nicht regulär. Wie kam es dazu – wird es Konsequenzen geben?“ .

[10] Hierzu u.a. in Paysages: „25 November 1973 Schramberg-Sulgen, Lärchenweg: Sonntagsfahrverbot“, „Wie einst Maria Chapdelaine in Péribonka: Erinnerungen an Birthe Geitmann’s Zeit  im Lärchenweg in Schramberg – Sulgen – mit Vorwort vom 30.01.2022“,  „Schramberg Janvier 2021 – pays de neige / Schramberg Januar 2021 – Schneeland“, „Blognotice 06.01.2014: ces flocons de neiges qui manquent“, „Blog notice Dimanche 28.11.2010: chutes de neige de fin novembre 2010 en Forêt Noire et dans la Raumschaft Schramberg“.

[11] Über das Alltagsleben im Schramberg der Nachkriegsjahre siehe auch Klank, W. (2023): Einkaufen um die Ecke und Kinderfreuden im Tösviertel. Erinnerungen an Kindheit und Jugend im Schramberg der Nachkriegszeit.

[12] Siehe u.a. „Ein persönlicher Rückblick auf sechzig Jahre Élysée-Vertrag“, „Freitag 10 November 2023: Klimakleber vor dem KIT“, „25 November 1973 Schramberg-Sulgen, Lärchenweg: Sonntagsfahrverbot

[13] Siehe auch: „Alsenzbahn-Direktzüge nach Mainz verspäten sich um Monate. Zum Bahn-Fahrplanwechsel am10. Dezember sollte es in der Pfalz zwei wichtige Verbesserungen geben. Die Verlängerung einer bisher in Germersheimendenden S-Bahn-Linie nach Karlsruhe kommt tatsächlich. Dagegen wird die Einführung neuer Direktzüge von Kaiserslautern nachMainz wegen des aktuellen Personal- und Fahrzeugmangels bei der Deutschen Bahn verschoben“ Die Rheinpfalz, Samstag 2. Dezember.

„Net schon wieder Ulm“ : Über die Buchpräsentation „Aus dem Grau der Kriegszeit – Geschichten hinter der Geschichte“ in der Bad Saulgauer Stadthalle am Donnerstag den 25.5.2023

Sirenen heulen, lautes Motorengeräusch durchpflügt die Nacht, in der Ferne hört man Einschläge donnern. In stockfinsterer Dunkelheit in einem Keller drückt eine junge Mutter ihre kleinen Kinder an sich, der Mann irgendwo im Felde … und irgendwann kündigt ein langer gleichbleibender Sirenenton Entwarnung an – das Bühnenbild wechselt, der Himmel über Saulgau brennt … und die junge Mutter ruft voller Schrecken ….. „Net schon wieder Ulm“ ….

 

Szene eines bewegenden Theaterstückes namens „Vom Wort zum Bild“ welches Saulgauer Schüler unter Leitung von Michael Skuppin anlässlich der Buchpräsentation des von Conny Scheck und Maria Gelder herausgegebenen Buches „Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichte hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht. Menschen erinnern sich an eine schwierige Zeit, aber auch an den hoffnungsvollen Neubeginn. Ihre Wege kreuzen sich in Saulgau und Umgebung.“  am Donnerstagabend den 25 Mai in der Stadthalle von Bad Saulgau präsentierten[1].  Der brennende Himmel über Ulm, aber auch Friedrichhafen, – das ist eine Erinnerung, – eine meiner Kindheitserinnerung aus der Karlstraße in Bad Saulgau[2]. Dort wohnten meine Großeltern, und tatsächlich waren wir bis zum Tode meines Opa Anton Neff Ende der 1970 Jahre, relativ häufig in der Karlsstraße in Saulgau, wie es damals noch hieß, denn ein Thermalbad gab es damals noch nicht. Die Erzählung vom Flammenschein des im Bombenhagel untergehenden Ulm habe ich wohl als Kleinkind in der Karlstraße zum ersten mal gehört, und konnte es zu Anfang gar nicht richtig glauben, dass man das von Saulgau aus sehen konnte. Aber es wurde mir so oft erzählt, dass ich es dann doch irgendwann glaubte, – und es eigentlich bis auf den heutigen Tag nicht vergessen habe. Vielleicht hat mich genau deshalb diese Szene aus dem Theaterstück vom „Wort zum Bild“ so bewegt. Wie in einem Fahrstuhl zurückversetzt in die Kindheitstage in der Karlstraße, – höre ich noch die Stimmen meiner Saulgauer Verwandtschaft erzählen „dann sie mer hoch zur Schillerhöhe und henn Ulm brennen sähee“. Und natürlich auch nachdenklich gemacht, weil im Mai 2023, und dies im Grunde genommen seit 24. Februar 2024 in der Ukraine die Luftschutzsirenen heulen, die Städte brennen, Menschen im Bombenhagel sterben[3] …..

Ich hatte mir dann doch einen Tag Urlaub genommen, mich in den Grünstadt in den Zug gesetzt und nach Saulgau gefahren, um an der Buchpräsentation des von Conny Scheck und Maria Gelder herausgegebenen Zeitzeugenbuches über das Ende des zweiten Weltkrieges in Bad Saulgau, teilzunehmen[4]. Hatte ja auch mit einem kleinem „Zeitzeugenbericht“ namens „Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg“ zum Buch beigetragen.  Über die Genese dieses kleinen Zeitzeugenkapitels  berichtete ich bereits mehrfach in „Paysages“ [5]. Das Buch, eigentlich eine Buchtriologie aus drei Bänden, – ist wie die „Schwäbische Zeitung“ in ihrer Lokalausgabe berichtete – sowohl vom Umfang als auch vom Inhalt ein regelrechtes „Schwergewicht“. Ich habe das Buch schon mehrfach durchblättert, manches oberflächlich überflogen, – aber bisher nur die in der Bibliographie aufgeführten Kapitel aufmerksam und im Detail durchgelesen. Bei dem von mir verfassten Kapitel konnte eine kleine Korrektur aus der Druckfahne für den Druck nicht mehr berücksichtigt werden, so dass ich hier nochmals anmerke, dass der Wilhelm Schramm, also der Gründer der gleichnamigen Möbelspedition, nicht mein Großvater ist, sondern mein Urgroßvater ist. Mein „Opa“ das ist der Anton Neff, der die Blanka, also die Tochter Firmengründers noch vor dem zweiten Weltkrieg heiratete, – und der nach dem Ende des zweiten Weltkrieges die Geschäftsführung der Spedition Wilhelm Schramm übernahm. Aber so etwas kann bei so einen Riesenwerk schon mal passieren. Auch wenn die Buchtriologie keinerlei wissenschaftlichen Anspruch erhebt, – ist es ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument geworden – was durchaus auch der zeitgeschichtlich – landeskundliche Forschung noch Einblicke in das Ende des zweiten Weltkrieges im ländlichen Raum Südwest Deutschlands ermöglicht.  Bemerkenswert sind auch die vielen Zeitzeugenberichte, die von Frauen verfasst wurden, oder wie es Irmgard Bertsch-Ehrat im Vorwort zum dritten Band der Triologie schreibt „ Die Geschichten hinter der Geschichte sind vielfach auch Frauengeschichten“. In dieser Hinsicht ist das vielleicht auch schon ein Alleinstellungsmerkmal des Zeitzeugenbuches über Saulgau.

Deshalb sollte das Buch sowohl in der württembergischen Landesbibliothek, als auch in allen wichtigen Universitätsbibliotheken/Forschungsbibliotheken  Südwestdeutschlands stehen – und damit der Forschung zur Verfügung stehen. Weiterhin erwähnenswert ist die reichhaltige Bilddokumentation der Bände, – sie ermöglicht es auch weitergehende kulturlandschaftliche  Forschungen über den Wandel der Kulturlandschaft im oberschwäbischen Saulgau seit dem zweiten Weltkrieg anzustellen. Wahrlich, – die beiden Herausgeberinnen Conny Scheck und Maria Gelder ist es mit dieser „Zeitzeugentriologie“ über das Kriegsende in Bad Saulgau gelungenen, ein bemerkenswertes Buch herauszugeben.   Ein bemerkenswertes Buch welches übrigens auch durchaus ansprechend mit Graphiken, Aquarellen, und Handzeichnungen illustriert ist.

Als ich am Freitag in der Früh, mich auf die Rückfahrt nach Grünstadt machte, und mich um 7:23 im Bahnhof Bad Saulgau  in den Regionalexpress nach Stuttgart mit drei Kilo „Buchgepäck“ setzte – hatte ich das Gefühl, – das sich die Bahnreise und der Urlaubstag doch gelohnt hatten. Der Regionalexpress über Sigmaringen durch die Alb über Tübingen nach Stuttgart, – mit dessen Vorvorläufer reiste ich mit meinen Eltern von Tübingen nach Saulgau und zurück zu den Großeltern in die Karlstraße. Wir wohnten noch in Tübingen, meine Eltern hatten noch kein Auto, – und wir fuhren notgedrungen mit Zug zu Oma und Opa. Damals waren die Eilzüge Tübingen – Aulendorf und zurück mit einer Dampflok, meist war es eine P-8, bespannt. Am 26.5. war es dann ein schneller Dieseltriebwagen der Baureihe 612, der mich zurück mit meinen Eindrücken, Kindheitserinnerungen  und der Zeitzeugentriologie im Gepäck durch die Alb Richtung Pfalz brachte.

Einfahrt DB BR612 IRE 3254 Aulendorf – Sigmaringen -Tübingen -Stuttgart HBF am Freitag 26.5.2023 in den Bahnhof Bad Saulgau, Christophe Neff © 26.5.2023

Photo: Christophe Neff © 26.5.2023

Bibliographie

Bertsch, Ehrat (2023): Vorwort – Die Geschichten hinter der Geschichte sind vielfach auch Frauengeschichte.  In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 6 – 7.

Fischer, Monica (2023): Bad Saulgau –  Die Buchtrilogie wiegt drei Kilogramm und ist auch inhaltlich ein Schwergewicht. In Schwäbische Zeitung, 29.05.2023.

Frommer, Helmut (2023): Das Jahr 1945. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band I, Bad Saulgau Mai 2023, S. 240 – 247.

Frommer, Hansjörg (2023): Warum ich zu meiner Geburtsstadt Saulgau ein gespaltenes Verhältnis habe. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band II, Bad Saulgau Mai 2023, S. 274 – 279.

Kleber, Andreas. (2023):“Kleber Post“ – vor, während und nach dem Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band I, Bad Saulgau Mai 2023, S. 176 – 177.

Kleber, Andreas. (2023): Schicksalhafte Begegnung im Zug im August 1968. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band I, Bad Saulgau Mai 2023, S. 70 – 73.

Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259. (Ein PDF – Sonderdruck des Buchbeitrages kann in der KITOPEN Bibliothek heruntergeladen werden DOI: 10.5445/IR/1000159193)

Riester, Brigitte (2023): Bewusstes „Ja“ zum Neuanfang. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band I, Bad Saulgau Mai 2023, S. 148 – 151.

Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg)(2023): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht. Menschen erinnern sich an eine schwierige Zeit, aber auch an den hoffnungsvollen Neubeginn. Ihre Wege kreuzen sich in Saulgau und Umgebung.  Mit einem Vorwort von Wolfgang Schneiderhahn. Ausgabe in drei Bänden im Schuber. Bad Saulgau Mai 2023.

Schneiderhahn, Wolfgang (2023): Vorwort – Geschichten hinter der Geschichte. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band I, Bad Saulgau Mai 2023, S. 4-5.

Schwierz, Ulrich (2023): Flucht ins Ungewisse. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 198 – 207.

Christophe Neff, 31.05.2023


[1] Bilder dieser Theateraufführung befinden sich hier auf der Webpräsenz der Arbeitsgruppe SLG – Spuren Lebendig Gemacht: Theater

[2] Zu den Luftangriffen auf Ulm siehe u.a. auch den Wikipedia.de Artikel „Luftangriffe auf Ulm“.

[3] Siehe auch „Die Truppen des Zaren Putin greifen die Ukraine an! (Übertragung der « Blognotice 24.02.2022: les troupes du Tsar Poutine attaque l’Ukraine » aus dem Französischen)

[4] Einen vollständigen Überblick über die Zeitzeugen Triologie „Aus dem Grau der Kriegszeit Geschichten hinter der Geschichte“ incl. Bestelladresse etc. findet man hier auf der Webpräsenz der „Arbeitsgruppe SLG – Spuren Lebendig Gemacht“.

[5] Siehe u.a. „Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 2010“, „Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen“, „Blognotice 16.11.2022: révision/finissage d’un chapitre de livre sur la fin de seconde guerre mondiale dans une petite ville allemande & débuts sur Mastodon“, „Rückblick auf das Jahr 2022 im Paysagesblog“.

Mit Thomas E. Schmidt die Bundesrepublik der Babyboomer bereisen


Das Buch „Grosse Erwartungen. Die Boomer, die Bundesrepublik und ich“ von Thomas E. Schmidt entdeckte ich durch das Hören des SWR2 Forums „Generation Weltverbraucher – Sind die Boomer eine Last?[1]. Interessante Radiosendung, – und von dem Buch war auch die Rede in dieser Sendung, – und danach schenkte ich der Lektüre dieses Buches meine Zeit. Ich selbst bin Jahrgang 1964, – gehöre also selbst dem geburtenstärksten Jahrgang in Deutschland an[2], weshalb mich das Buch schon interessierte, wobei ich mich nie sonderlich dem Geburtsjahrgang 1964 oder den Boomern zugehörig gefühlt habe. Wenn ich mich überhaupt zu etwas zugehörig gefühlt habe, dann dem Abitursjahrgang 1984 des Gymnasium Schramberg, also dem Gymnasium des kleinen Schwarzwaldstädtchens Schramberg, an dem ich 1984 mein Abitur ablegte. Über das Buch von Schmidt gibt es auch eine lesenswerte Kritik von Claudia Fuchs in SWR2[3], die ich aber erst nach der Lektüre des Buches gelesen habe. Beim Lesen des Buches hatte ich seitenweise das Gefühl, dass der Autor von einem fernen Planeten berichtet, – durchaus aufschlussreich – aber sehr weit weg von dem was ich selbst erlebte. Die fünf Jahre Altersunterschied, zwischen dem Autor und mir, glaube ich erklären diese Wahrnehmungsdifferenzen kaum. Wie Claudia Fuchs durchaus treffend formuliert „Aber Drogenprobleme, Anti-AKW-Bewegung, Kalter Krieg und Nachrüstungsdebatte, die die siebziger und achtziger Jahre prägten, handelt Schmidt knapp und stichwortartig ab. Bundeswehr oder Zivildienst – das waren Alternativen, die auch politische Standortbestimmungen für die jungen Männer jener Jahre bedeuteten. In Schmidts Buch kommen sie nicht vor Bei der Lektüre des Buches habe ich mich auch gefragt, – wie Schmidt denn das gemacht hat , also weder Wehrdienst noch Zivildienst  abzuleisten- denn selbst T3ler (Verwendungsfähig mit Einschränkungen)  – also bedingt Wehrdiensttaugliche wurden damals eingezogen – und Zivildienst konnte man nur nach der sehr schwierigen „Gewissenprüfung“[4] machen – das haben Ende 1970/1980 Jahre nur die wenigsten geschafft. Sollte er sich „wirklich“ durchgemoggelt haben, – das wäre dann schon ein Alleinstellungsmerkmal,- das hatte in diesen Jahren schon „Seltenheitswert“ gehabt.

Ich selbst hatte mich für den Wehrdienst entschieden, – nicht nur für den Wehrdienst, sondern habe eine Reserveoffizier Karriere begonnen, – die im Oktober 2021 als Oberstleutnant der Reserve endete, als ich meine persönlichen Ausrüstungsgegenstände im Bundeswehrstandort Germersheim abgab[5]. Auch meine Studienjahre unterschieden sich doch gewaltig von dem des Buchautors.  Das einzige was wir wohl gemeinsam teilen, sind die „Versehrtenerinnerungen“. Überhaupt war der Krieg, also der zweite Weltkrieg, aber manchmal sogar noch der erste Weltkrieg noch sehr präsent in meiner Kindheit. So präsent, dass ich mich eigentlich bis auf den heutigen Tag daran erinnere. Wobei der Krieg in der Ukraine diese Erinnerungen auch wieder zum Leben erweckte. Hinzu kommt bei mir persönlich, dass ich für ein Zeitzeugenbuchprojekt[6] über das Kriegsende in der oberschwäbischen Kleinstadt Bad Saulgau[7], im Frühjahr 2022 ein Buchkapitel verfasste – und mich natürlich wieder damit befasste, wie die beiden Weltkriege das „Familiengeschehen“ prägten[8]. Die gelungensten Kapitel des Buch sind meines Erachtens, das Kapitel über die Schröder Jahre und das Schlusskapitel „Spiegelstadium“. Der „Bärentanz“ des Rainer Werner Faßbinder in der Diskothek „Dschungel“ in einer Westberliner Frühlingsnacht 1982, – den Thomas E. Schmidt plastisch beschreibt, – das ist ein richtiges Fenster in eine verloren gegangene Zeit. Im Frühjahr 1982 war ich Oberstufenschüler, gerade mal siebzehn, – und weil die „Faßbinder“ Filme nie oder nur mit großer Verzögerung im Schramberger Kino gezeigt wurden, – bin ich immer nach Paris „gepilgert“ – um die Faßbinderfilme dort zu sehen. Dort hab ich sie dann alle gesehen, – im deutschen Original mit französischen Untertiteln, – sowie auch meinen damaligen Lieblingsfilm – Werner Herzogs „Fitzcarraldo“. Nach Paris bin ich getrampt, mit dem Zug gefahren, – ja einmal sogar mit dem Fahrrad in drei Tagen durch Schwarzwald und Vogesen[9] – auf quasi paralleler Route wie Herzogs Fußmarsch von München nach Paris von dem Herzog im Büchlein vom „Gehen auf Eis“ berichtete. Geflogen bin ich erst sehr viel später,   –  mein erster Flug war ein CH 53 Flug von Calw aus über den Nordschwarzwald im Winter 1985 und danach die Transallflüge vom Fliegerhorst Landsberg/Lech nach Altenstadt beim Fallschirmspringerlehrgang im Frühjahr 1985. Meine erster ziviler Flug, das war ein paar Jahre später, während des Studiums ein Flug nach Mallorca für ein physische-geographisches Geländepraktikum. In der Regel hatte im Jahre 1984 ein 20 jähriger einen weit geringeren Co2 Fußabdruck als heutige 20 Jährige, – denn Flugreisen waren damals in Westdeutschland nur einer kleinen Minderheit vorbehalten. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es in meinem Abitursjahrgang, wir waren immerhin 120 erfolgreiche Absolventen, nur ein oder zwei Personen die eine Flugreise vor Beendingung des Abiturs unternommen hatten. Soweit zum Co² Abdruck eines 20 jährigen Abiturienten, eines westdeutschen Boomers des Jahrgang 1964. Was das Buch Schmidts betrifft, da sind meine Lebenserinnerungen, – auch wenn sie nicht in publizierte Form vorliegen – wahrscheinlich repräsentativer, zumindest für ein Kind des Bildungsbürgertums aus dem Südwesten Deutschlands der ich ja war (und bin)- als die Schmidtschen in Buchform gegossenen Erinnerungen[10]. Mittendrin war Schmidt insofern nicht, da muss man der Rezensentin Claudia Fuchs schon Recht geben. Ich habe das Buch dennoch gern gelesen, fand es auch recht aufschlussreich, aber irgendeine Repräsentativität was die „Boomergeneration“ betrifft, lässt sich aus dem Buch kaum ableiten. Ach, und übrigens, – „Interrail“ scheint der Buchautor auch nicht erlebt zu haben, – das „Interrailabenteuer“ nach dem bestandenen Abitur, – das war wohl eines der „gemeinschaftlichen Erlebnisse“ eines großen Teil der Abiturienten aus dem deutschen Südwesten, – Erlebnis und Abenteuer dessen Erinnerung bis auf den heuten Tag nicht verblasst ist!

Bibliographie:

Herzog, Werner (2009) : Vom Gehen im Eis München – Paris 23.11 bis 14.12.1974. Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, Juli 2009; Lizenzausgabe des Carl Hanser Verlages München, © 1978 Carl Hanser Verlag München/Wien.

Schmidt, Thomas E.(2022): Grosse Erwartungen. Die Boomer, die Bundesrepublik und ich. Hamburg, Rowohlt, ISBN  978-3-498-00307-4

Siegel, Hogel; Andreae, Susanne; Maier, Clemens; Gögelein, Holger; Neff, Nathalie; Marte, Barbara; Halusa, Stefan; Günzl, Gerhard (1984): Abi’84. Gymnasium Schramberg. Yearbook. Schramberg. Im Selbstverlag der Abijahrgang 1984 des Gymnasium Schramberg, Brucker Druck Schramberg.

Christophe Neff, Grünstadt März 2023


[1] Einen Auszug des Buches wurde in der Zeit unter dem Titel „Babyboomer: Wir Unendlichen Meine Generation der Babyboomer ist übermächtig, nicht frei von Schuld – aber der Anker dieses Landes.“ im September 2022 veröffentlicht.

[2] Gerstenberg, Ralph (17.04.2014) : Jahrgang 1964 – Wir sind viele, wir sind angekommen und wir waren das Volk. Deutschlandfunk Archiv.

[3] Siehe „ SWR2 lesenswert Kritik – Thomas E. Schmidt – Große Erwartungen von Claudia Fuchs“.

[4] = KDV-Prüfungsverfahren.

[5] Sie auch „Ottmar Schreiner – Sozialdemokrat, Fallschirmjägeroffizier und Katholik (21.04.2013)“ und „Die Truppen des Zaren Putin greifen die Ukraine an! (Übertragung der « Blognotice 24.02.2022: les troupes du Tsar Poutine attaque l’Ukraine » aus dem Französischen)“.

[6] Das Buchprojekt  „Aus dem Grau des Krieges – Geschichte hinter der Geschichte“ wird von Maria Gelder vom Stadtarchiv Saulgau und Conny Scheck herausgegeben werden. Das Buch soll im Frühsommer 2023 fertig gedruckt sein.

[7] Die Großeltern der Blogverfassers väterlicherseits wohnten in Bad Saulgau, – und bis zum Tod des Großvaters Anton Neff Ende der 1970 Jahre verbrachte der Autor dieser Zeilen manches Wochenende/Ferientage dort.

[8] Siehe auch « Blognotiz 16.11.2014: Novembererinnerungen an Saulgau – Gedanken zum Volkstrauertag 2014“, „Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 2010“ und „Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen“.

[9] Siehe « De Schramberg à Paris en vélo – souvenirs de ma première rencontre avec « Notre – Dame de Paris»

[10] Hierzu auch die 2009 verfassten Erinnerungen an die Zeit des Geographiestudiums in Mannheim „Mannemer Dreck- traumhafte Zeiten – eine autobiographische Zeitreise mit Musikbegleitung nach Mannheim“ .  Einen Rückblick auf die Jugenderinnerungen der 1970 Jahre in Schramberg erlaubt u.a. der Beitrag „Wie einst Maria Chapdelaine in Péribonka: Erinnerungen an Birthe Geitmann’s Zeit  im Lärchenweg in Schramberg – Sulgen – mit Vorwort vom 30.01.2022“.

Rückblick auf das Jahr 2022 im Paysagesblog

Blick auf Grünstadt im Hintergrund Ludwigshafen und die Skyline der Industrielandschaft der BASF , © Christophe Neff 15.01.2023

Nach vielen Jahren mal wieder ein auf Deutsch verfasster Rückblick auf das Paysagesblog. Den letzten auf Deutsch geschriebenen Rückblick verfasste ich Februar 2018, es war die Rückschau auf das Paysagesblog im Jahr 2017. Nachdem die Unterhaarder Rundschau für Grünstadt und Umgebung am Donnerstag den 14.01.2022 unter dem Namen „Nicht die klassische Auswahl – Was Leser der Unterhaardter Rundschau im Jahr 2022 online besonders interessiert hat[1]“  die Titel der Artikel veröffentlichte die in Grünstader Lokalausgabe am häufigsten gelesen oder zumindest angeklickt wurde, folgt hier nun eine verkürzte Übertragung des Beitrag „L’année 2022 sur le blog paysages – une rétrospective“ aus dem Französischen ins Deutsche.  Wie in der zweiten Tabelle des Französischen Originals zu sehen ist, kommen die meisten Leser des paysagesblog aus Deutschland, – aber wie aus der Tabelle 1 zu erkennen ist – waren es dennoch in der Regel französischsprachige Beiträge die 2022 gelesen bzw. zumindest angeklickt wurden. Wobei das ja im Zeitalter von DeepL und Googletranslate auch kein Problem sein sollte. Nach meiner Erfahrung sind die Übersetzungen von DeepL doch recht brauchbar.

PlatzTitel%
1Encore une déception avec le Monde – La suppression du format PDF du journal numérique du Monde8,50
21949 – l‘incendie meurtrier dans la Forêt des Landes3,92
3Le 19 août 1949 – le drame de la Forêt des Landes2,45
4Beginn des Hochsommers im Leiniger Land/ Début du plein été dans le Leininger Land2,05
5Blognotice 16.06.2022: Retour à Leucate – des vagues de la méditerranée qui se brisent au Cap Leucate jusques aux neiges du massif du Carlit – récit d’un cours de géobotanique en juin 20222,00
6Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 20101,85
7Souvenirs de vingt ans de voyage de recherche à Capelo (Île de Faial/Açores)1,82
8Blognotice 24.02.2022 : les troupes du Tsar Poutine attaque l’Ukraine1,69
9« Willy Hahn – Aïcha et les 40 lecteurs – Scènes d’une vie de libraire » notices de lecture, voyages et souvenirs d’un habitué de la librairie « à Livre ouvert » à Wissembourg1,64
10Wie einst Maria Chapdelaine in Péribonka: Erinnerungen an Birthe Geitmann’s Zeit  im Lärchenweg in Schramberg – Sulgen – mit Vorwort vom 30.01.20221,61
1,10

Tabelle 1: Die 2022 am häufigsten im Blog paysages gelesenen Artikel

4Beginn des Hochsommers im Leiniger Land/ Début du plein été dans le Leininger Land2,05
6Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 20101,85
10Wie einst Maria Chapdelaine in Péribonka: Erinnerungen an Birthe Geitmann’s Zeit  im Lärchenweg in Schramberg – Sulgen – mit Vorwort vom 30.01.20221,61
13Se ressourcer – auftanken, – über versteckte Orte in der Zeit vom 14. Juli 2022 – und andere Ferne und Nahe „Aufladestationen“1,28
15Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen1,24

Tabelle 2 Die auf Deutsch verfassten  Artikel des Blog paysages welche 2022 am häufigsten gelesen/angeklickt wurden.

Der Verfasser von Paysages war wohl einer der wenigen Autoren, der in der deutschsprachigen, ja internationalen Blogosphäre vor der Gefahr eines Krieges in der Ukraine in dem Beitrag “ L’année 2021 sur le blog paysages – une rétrospective “ gewarnt hat, indem er am 9. Januar 2022  schrieb : „je crains que nous nous pouvons être confrontées avec la possibilité de voir éclater des guerres pas si loin de nos frontières comme par exemple en Ukraine (Übers. Ich befürchte, dass wir uns mit der Möglichkeit konfrontiert sehen könnten, dass Kriege nicht so weit von unseren Grenzen entfernt ausbrechen könnten, wie zum Beispiel in der Ukraine) „. Am Morgen des 24. Februar war ich also nicht allzu überrascht, als ich erfuhr, dass die Truppen von Zar Putin die Ukraine angegriffen hatten. Am diesem selbigen Morgen des russischen Angriffs auf die Ukraine schrieb ich noch auf Französisch den Artikel „Blognotice 24.02.2022 : les troupes du Tsar Poutine attaque l’Ukraine“,  Beitrag den man auch auf dem Platz acht der Tabelle eins findet.  Ich übertrug den Artikel dann auch noch ins Deutsche, und veröffentlichte diesen zwei Tage später unter dem Titel „Die Truppen des Zaren Putin greifen die Ukraine an! (Übertragung der « Blognotice 24.02.2022: les troupes du Tsar Poutine attaque l’Ukraine » aus dem Französischen)“.  Wie ich schon in der französischen Fassung des Jahresrückblick 2022 schrieb – man fragt sich, ob die ganzen politischen Analysten, Sicherheits – und Verteidigungsexperten die Zeit vor dem Angriff auf die Urkaine in einem „erblindenen Winterschlaf“ verbrachten (im Original „Et tous ces analystes politiques, experts en défense, expert de la Russie etc. qui sont reste « aveugle »  – jusque aux premier coup de feux de l’armée russe à l’aube du 24. Février 2022 – est ce qu’ils ont dormi un « Winterschlaf aveuglant » les années précédentes l’attaque russe ? »).  Bald jährt sich der Überfall auf die Ukraine, – und obwohl sich die Ukraine bisher tapfer gegen den russischen Aggressor verteidigt hat, ist leider zu befürchten, dass dieser Krieg noch lange andauern wird.

Und wenn wir schon vom Krieg sprechen, – vor 80 Jahren kapitulierten die Reste der 6 Armee unter General Strecker in Stalingrad, – und den Schatten den dieses Ereignis, sowie der gesamte zweite Weltkrieg in meiner Familie hinterließ[2], – findet sich in den Beiträgen „Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 2010und „Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen  wieder, denn im Grunde handelt es sich um Werkstattberichte über das Schreiben eines Buchkapitels für ein Buch über Zeitzeugenberichten über den 2 Weltkrieges im oberschwäbischen Städtchen Bad Saulgau. Das Buch soll voraussichtlich im Frühsommer 2023 erscheinen. Ja und ich bin selbst gespannt wie mein eigenes Kapitel nach Bearbeitung durch das Lektorat dann letztendlich aussieht[3].

In diesem Sinn hinterließen der zweite Weltkrieg, bzw. die Erinnerung an diesen, sowie der Krieg in der Ukraine durchaus seine Spuren im Paysagesblog.

Photo: Blick auf Grünstadt im Hintergrund Ludwigshafen und die Skyline der Industrielandschaft der BASF , © Christophe Neff 15.01.2023

Christophe Neff, Grünstadt Januar 2023


[1] Online unter:  „Leiningerland-  Was Leser 2022 online besonders interessiert hat“  Nina Schellhas, 11.01.2023 – 20:02 Uhr

[2] Hierzu auch „Blognotiz 16.11.2014: Novembererinnerungen an Saulgau – Gedanken zum Volkstrauertag 2014

[3] Arbeitstitel des Buchkapitels „Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg – Kindheitserinnerungen an Tischgespräche in der Karlstraße in Saulgau“ (siehe auch hier).

Blognotice 16.11.2022: révision/finissage d’un chapitre de livre sur la fin de seconde guerre mondiale dans une petite ville allemande & débuts sur Mastodon

Gare de Bad Saulgau, vue en direction d’Aulendorf, © Christophe Neff 09.10.2022

Le week-end du 5/6. Novembre 2022 je travaillais sur la révision d’un chapitre de livre, sur la perception de la fin de la deuxième guerre mondiale et le début de la période d’occupation française  à Bad Saulgau, petite ville de la Haute-Souabe (Oberschwaben en allemand), et je faisais mes premiers pas sur Mastodon. Le chapitre de livre est une contribution pour un livre en phase d’écriture sur la fin de la deuxième guerre mondiale à Bad Saulgau, livre dont j’ai déjà dédié deux contributions écrites en allemand dans paysages[1]. Ma contribution est le résumé des souvenirs de la partie allemande de ma famille, les Neff’s et les Schramm’s tous plus ou moins originaire de Saulgau et de Munderkingen. La guerre, ou disons les guerres, – la première et la deuxième guerre mondiale avait laissé des souvenirs profonds dans la famille et donc on en parlait souvent. Autres thème, pendant les rencontres dominicales, – était souvent le chemin de fers et les trains. Mon grand-père Anton, était à la tête d’une entreprise de transport et déménagement la Wilhelm Schramm (Möbel) Spedition qui collaborait étroitement avec les chemins de fers. Les marchandises (surtout les carburants & combustibles) et les messageries arrivant en train étaient distribuées par camions vers les clients à Saulgau et les environs. L’autre branche de cette société était dédiée aux déménagements. En révisant ce chapitre je découvris que Jacques Coup de Fréjac qui incita la création du centre culturel « die Fähre » à Saulgau en 1947 est quasiment un inconnu dans l’espace de la toile. La « Fähre » était un outil important de la politique culturel française en zone d’occupation française en Allemagne. En ouvrant l’espace culturel on voulait initier & aider la jeunesse allemande de devenir des citoyens démocratiques. Je précise que dans le chapitre de livre que je retravaillé, je ne mentionne pas Jacques Coup de Fréjac. Je suis vraiment curieux à voir à quoi ressemblera la version édité du livre et de ma contribution au livre, – et naturellement curieux de savoir quand le livre sera finalement édite. Et tous cela c’est plutôt un témoignage personnel sur la perception de la fin de la seconde guerre mondiale dans une famille allemande d’une petite ville du Sud du Wurtemberg, de l’histoire contemporaine, de la Géographie historique, que de la Géographie physique ou de l’écologie du paysage.

Parallèlement à la révision du chapitre dont je parle ci-dessus je me suis « inscrit » sur « Mastodon ». En suivant Anna Colin Lebedev sur twitter, j’ai suivi « l’invitation » de Rémy Grünblatt et je me suis inscrit sur le serveur Mastodon administre par Rémy Grünblatt. En fait je suis inscrit sur twitter depuis aout 2012,  – mais je n’ai jamais fait grand-chose sur twitter, – je n’ai participé à presque aucune discussion, quelque retweets – j’ai principalement annoncé mes nouveaux billets de paysages sur twitter – donc que 413 tweets depuis mes débuts chez twitter. Je n’ai pas encore quittée Twitter, car je suis encore des personnalités comme Timothy Snyder, Carlo Masala, Anna Colin Lebedev, Michel Goya,  Claudia Major et d’autres personnes  – mais à part cela Twitter n’a et n’avait aucune importance particulière pour moi. Ma vie professionnelle & privée se passe a des éternités de l’espace twitter.

Je suis donc entré un peu par curiosité dans la sphère de Mastodon, – comme je suis entré dans le Monde de l’internet en utilisant Gopher au début des années 1990 et finalement  NCSA Mosaic en 1994 et découvrant ainsi le WWW.  Ma première adresse email comme jeune assistant en géographie à l’université de Mannheim était « neff@rumms.uni-mannheim.de »  – et ici et là on peut encore trouver des vestiges de cette adresse dans Internet. Au début des années 1990 j’ai été un des premiers jeunes chercheurs de l’université de Mannheim en dehors des informaticiens débarquant sur Internet, – et j’ai l’impression de retrouver un peu l’esprit de ces années pionniers de l’internet en ce moment sur Mastodon. Jusqu’à présent j’ai l’impression qu’on rencontre beaucoup de chercheurs, scientifiques et peut d’autre Monde. Je sais que cela va certainement changer.  Cette impression est peut-être aussi dû au fait que je me suis inscrit sur « une instance Mastodon pour le Monde academique francophone » Concernant Twitter, – peut-être dans une ou deux décennies – Twitter sera peut-être aussi tombé à l’oubli comme « Gopher ».  Mais il y a naturellement une grande différence entre les deux – Gopher était un outil pour une petite communauté de scientifiques assez restreinte au début des années 1990 – mais Twitter c’est un autre espaces. Je me demande souvent qui –où et comment sont archivées les contenus des tweets ? Est-ce que un chercheur dans dix, quinze années pourra consulter ces tweets pour un analyse de la campagne électoral des Midterms en 2022, la guerre en Ukraine, le rachat de Twitter par Elon Musk pour donner juste quelque exemples ?  D’ailleurs dans ce contexte, – le blog paysage est archive par la DNB à Francfort. Concernant Mastodon, je vais explorer avec curiosité ce nouveau espace, espace qui n’est pas si nouveau que ça, car Mastodon était déjà crée en octobre 2016 par Eugen Rochko – annoncer mes nouveaux billets dans paysages, peut-être faire ici et la connaitre mes publications/communication orales scientifiques – on va voir. En tous cas le fait, que ce soit un réseau décentralisé, – qui n’appartient pas à quelques milliardaires – mais plutôt à tout le monde qui y participe – mais semble déjà être une idée sympathique !

Photos : Scan de Twitter/Mastodon. La photo de couverture montre les installations ferroviaires de la gare de Bad Saulgau en Octobre 2022, image déjà utilise dans mon dernier billet. La photo que j’utilise actuellement sur mon compte Mastodon, – me montre pendant une pause de travail dans la  surface d’incendie de forêt de Schiltach – Kirchberg en Forêt – Noire[2], la photo a déjà été publiée dans le post  « Wie einst Maria Chapdelaine in Péribonka: Erinnerungen an Birthe Geitmann’s Zeit  im Lärchenweg in Schramberg – Sulgen – mit Vorwort vom 30.01.2022 », la photo d’arbousier montre un de mes arbousier et leurs fruits dans notre jardin à Grünstadt.

Christophe Neff, écrit le 13.11.2022, révise le 15.11.2022, publié le 16.11.2022


[1] Voir: „Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 2010“et „Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen“.

[2] Oui les incendies de forêts en Forêt Noire cela existe, – voir « Blognotice 15.08.2015: Incendies de forêt à Schramberg en Forêt-Noire et processus de californisation du paysage » et la communication orale « The Schiltach – Kirchberg fire succession site : Analyzing Post Fire succession in a submontan/montan mixed Abies alba forest » deposé ici dans KIT-Open.

Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen

Bahnhof Bad Saulgau Fahrtrichtung Herbertingen, © Christophe Neff 09.10.2022

Bad Saulgau im Oberland, –  in meinen Kinderjahren hieß es noch einfach Saulgau, – und für mich erschien es lange so, als sei die ehemalige Kreisstadt des Landkreises Saulgau das Zentrum von Oberschwaben, ja das Zentrum der historischen Donaustädte. Zuletzt führte mich im Frühjahr 2010, anlässlich eines familiären Trauerfalles, eine Bahnreise nach Saulgau, ich verfasste auch über diese Bahnreise vor über zwölf Jahren einen eigenen Blogbeitrag unter dem Titel „Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 2010“ in paysages[1].

Ich sollte Anfang Oktober zu einem Phototermin zum Photographen Albert Drescher nach Bad Saulgau fahren, – um Autorenbilder für ein Buchkapitel in einem Zeitzeugenbuch über das Kriegsende in Saulgau machen zu lassen. Über das eigentliche Buchprojekt findet man auch ein paar Sätze in schon erwähntem Blogbeitrag aus dem Frühjahr 2022.

Ich habe natürlich das Ende des zweiten Weltkrieges in Saulgau nicht selbst erlebt, da ich erst 1964 in Tübingen geboren wurde. Aber der zweite Weltkrieg war eigentlich immer präsent bei den Familienbesuchen in der Karlstraße gegenüber dem Saulgauer Bahnhof, so lebensnah, dass ich sie bis heute nicht vergessen konnte. Eigentlich wollte ich mich vor der dieser Reise in meine „oberschwäbische Vergangenheit“ noch etwas einlesen, – und suchte nach einem „gescheiten“ Reiseführer über Oberschwaben, musste aber leider erkennen, dass es solch einen Reiseführer der meinen Erwartungen entspricht so wohl nicht mehr gibt. In meiner kleinen Privatbibliothek, befindet sich noch ein Baedecker aus dem Beginn der 2000er Jahre mit dem Titel „Bodensee – Oberschwaben“ (Buness et al. 2003), und in diesem Reiseführer finden sich fast alle Ortschaften und Sehenswürdigkeiten, die ich als Kind bei Saulgau besuchte und die ich mit Oberschwaben verband, also die zahlreichen Klöster, der Bussen, Bad Buchau mit dem Federsee, Riedlingen, Ravensburg, Mengen, der Bodensee, – nur Munderkingen fehlt. Letztlich las ich dann zur Vorbereitung der Reise nach Saulgau ein paar Kapitel in dem Federseeführer von Hans Günzl (2007), und zur Nachbereitung ein paar Kapitel in dem geographischen Saulgauführer von Eck & Höhfeld ( 1989) – letztgenanntes Buch hatte ich schon als Student gelesen. Rückblickend muss ich sagen, dass der geographische Führer „Saulgau – Stadt und Landschaft“ von Eck & Höhfeld (1989), immer noch das Beste ist, was ich über Saulgau lesen konnte. In diesem „geographischen Führer“ finden sich Blockbilder zur Landschaftgenese der Landschaft rund um Bad Saulgau, wie man sie so heute kaum noch macht.

Weiterhin las ich dann noch das kleine Heftchen von Barbara Wiedemann (2017) über die literaturgeschichtliche Bedeutung der Kleberpost in Saulgau. In einem gewissen Sinne war Saulgau, durch die Bedeutung des Hotels Kleberpost für die Gruppe 47, eine Zeitlange eine der „geheimen Literaturhauptstädte“ Deutschlands. Zumindest solange, wie sich in den Räumen der Kleberpost, die Mitglieder der Gruppe 47 trafen. Die „wechselvolle“ und teilweise auch „tragische“ Geschichte der Kleberpost in Saulgau würde es bestimmt auch einmal verdienen „verschriftlicht“ zu werden[2].  Weiterhin beendete ich kurz nach dieser Reise auch noch die Lektüre von Huby’s Lehrjahren (2020). Hubys journalistische Lehrjahre, die ja nicht weit von Saulgau in Blaubeuren stattfanden, und die Huby in diesem autobiographischen Roman nochmals Revue passieren lässt. Was beim Romanwerk Hubys auffällt, hier meine ich vor allem die „Bienzle“ Kriminalromane, die ich alle gelesen habe, dass diese alle in „Altwürttemberg“ spielen, – nach „Oberschwaben“ kommt der „Bienzle“ wohl nie. Oberschwaben, die alten Donaustädte liegen offensichtlich zu weit von Stuttgart, dem „Wirkungskreis“ des Bienzle entfernt.

Wenn man sich die zeitgenössische Lebenswelt Oberschwabens, also die Lebenswelt des Oberlandes vom Ende des zweiten Weltkrieges bis heute, annähernd erlesen will, dann denke ich, kommt man an dem Romanwerk von Arnold Stadler nicht vorbei. Mein letzter Stadler, das war seine Reise an den Kilimandscharo, – sozusagen Oberschwaben – Kilimandscharo und zurück – geographisch und historisch. Im Umfeld der Lektüre des Reiseromans Stadler entdeckte ich schon im März 2021, den tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah, so dass mir Werk und Autor nicht unbekannt waren, als Gurnah den Literaturnobelpreis im Oktober 2021 verliehen wurde. Da hatte ich dem deutschen Feuilleton dann schon etwas voraus, als Gurnah der Literaturpreis verliehen wurde, war er für mich zumindest kein „Unbekannter“ mehr. So kann man die Welt mit Stadler bereisen und entdeckt dabei nicht nur Oberschwaben.

Bei der nächsten Oberschwabenreise packe ich mir dann wieder einer meiner „Stadler“ mit ins Reisegepäck, denn Stadler ist sowohl schreibender Fernreisender als auch aufmerksam scheibender „Maler“ des schwäbischen Oberlandes. Vielleicht auch der letzte „Zeuge“ des katholischen Landlebens in Oberschwaben, seinen Wirtschaften, seinen Stammtischen, seinen Legenden ….

Abgesehen von den Lektüren, sind da noch die Erinnerungen an zwei Exkursion die ich als Student durch Schwaben machten durfte. Einmal war da überhaupt meine erste mehrtägige Exkursion als Geographiestudent überhaupt, die „Schwaben Exkursion“ mit Besuch der Städte Ulm, Augsburg und Nördlingen, – Exkursion die von Professor Christoph Jentsch und seiner damaligen Assistentin Barbara Hahn geleitet wurde, – die zwar die Landschaften des alten Landkreises Saulgau nur streiften, aber die mir dennoch unvergesslich geblieben ist, denn wir „bekamen mit“ und verfolgten quasi live im Busradio die Ankunft der radioaktiven Wolke aus Tschernobyl. Das war der Beginn des Sommersemesters 1986, nach Bundeswehr und Beginn der Reserveoffiziersausbildung, hatte ich gerade begonnen in Mannheim Geographie zu studieren. Was wir damals im Exkursionsbus noch nicht wussten, – die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl leitet den Zerfall der Sowjetunion ein. Der russische Überfall auf die Ukraine ist letztlich auch nur ein verzweifelter Versuch diesen Zerfall in Teilen Rückgängig zu machen.

Bronzestatue der Kaiserin Maria Theresia in Bad Saulgau (Kopie eines Barokkunstwerkes von Franz Xaver Messerschmidt, das Orignal „Maria Theresia als Königin von Ungarn“ steht im Belvedere in Wien ) , © Christophe Neff 09.10.2022

Aber das konnten wir natürlich Ende April 1986 alles noch nicht wissen. Genauso unvergesslich die Oberschwabenexkursion von Rainer Loose, der von seinem damaligen Assistenten Sebastian Lentz begleitet wurde. Rainer Loose[3], eigentlich ein „Humangeograph“ und „historischer Landeskundler“ konnte quasi in einem Atemzug die Vereinödung und Agrarmelioration durch Maria Theresia in Oberschwaben, die Federseefällung, die Reliefgestaltung Oberschwabens durch den Bodenseegletscher, die Entstehung des Federsee’s im Gelände erklären. Man steht auf dem Bussen, und man sieht vor dem geographischen Auge die Landschaftsgenese „Oberschwaben“ quasi in Zeitlupe vor sich abspielen. Solche geographischen Exkursion, soweit meine Erfahrung, sind heut zu Tage weitgehend aus dem universitären Curriculum herausgefallen, – was ich persönlich für schade halte. Hingegen bleibt das „Wirken“ der Kaiserin Maria Theresia im Oberland unvergesslich, – und auf dem Marktplatz von Bad Saulgau, findet man ja ein schönes Denkmal das an Maria Theresia und die vorderösterreichische Zeit in Oberwaben erinnert.

Blick auf die Karlstraße 15, Bad Saulgau, © Christophe Neff 08.10.2022

Der eigentliche Phototermin im Photostudio von Albert Drescher am Samstag den 08.10.2022 war sehr interessant, – und neben dem eigentlichen „Photomachen“ erfuhr ich auch noch vieles über die neuere und ältere Geschichte von Bad Saulgau. Im Grunde genommen könnte man wohl mit dem Wissen von Albert Drescher einen ganzen „Bild & Geschichtsband“ über die Karlstraße in Bad Saulgau erstellen. Wenn man mit Albert Drescher die Karlstraße auf und ab läuft, hat man das Gefühl, dass er wirklich über fast jedes Gebäude eine Geschichte erzählen kann. Ja und dann hat er mich mit meiner Arbeitskamera, einer „hosentaschentauglichen“ Allroundkamera (Panasonic DMC-TZ71), die mich seit Jahren, im Gelände, bei Exkursion fast überall begleitet, zusammen mit meiner Frau vor der Karlstraße 15 photographiert. Die Karlstraße 15, das war das Wohnhaus meiner Großeltern, – und lange Zeit auch Firmensitz der Wilhelm Schramm Spedition. Bis zum Tod meines Großvaters[4], der auch Geschäftsführer dieser Spedition war, waren wir die Neff Geschwister aus Schramberg,  doch relativ oft in der Karlstraße, gegenüber den damals noch sehr großflächigen Gleisanlagen des Bahnhofes Saulgau.

Gedenkstein für Theodore D. Nielsen, Bad Saulgau, © Christophe Neff 08.10.2022

Natürlich habe ich an diesem Wochenende auch selbst ein paar Photos gemacht. Ich hatte ja nicht nur meine kleine Arbeitskamera, sondern auch meine „große Vollformat“ Kamera von Canon. Nicht alle sollen hier veröffentlicht werden, das würde den Rahmen des Blogbeitrages bei weitem sprengen. Ein Bild vom Gedenkstein für den amerikanischen Jagdfliegerpiloten Lt. Theodore D. Nielsen der am 9. August 1944 von einem SS Schergen am Haidemer Stöckle ermordet wurde. Geschichte, die ich meinem Vater, der sie mir immer wieder und wieder in verschiedenen Variationen erzählte, nie richtig glauben wollte. In besagtem Buchkapitel gehe ich etwas näher auf diese tragische Geschichte ein. Und natürlich Photos vom Saulgauer Bahnhof, – von der Karlstraße aus photographiert – also quasi aus dem Blickwinkel meiner „Kleinkinderinnerung“.

Bahnhof Bad Saulgau Zustand der Ladegleise, © Christophe Neff 09.10.2022

Die Ladestraße, an der ich mit meinem Onkel Ewald die Güterwägen mit Kohle und teilweise auch Heizöl entlud[5], ist komplett verschwunden, die Gleise teilweise mit Sträuchern und Bäumen überwuchert. Der Stückgutschuppen verschwunden, –  so wie ein auch ein Großteil der anderen Lade, Anschluss und Rangiergleise. Aber immerhin gibt es in Saulgau noch einen funktionierenden Bahnhof, – Personenzüge gibt es wahrscheinlich mehr als in meinen Kindheitstagen, hingegen ist vom einst florierenden Güterverkehr, außer der Bedienung des Claaswerkes[6] durch die HZL nicht mehr viel übrig geblieben. Soweit es nicht gelingt den Güterverkehr wieder zurück auf die Schiene zu verlagern, wird das mit der viel beschworenen klimaökologischen Verkehrswende nichts werden. Da nützten auch alle Lippenbekenntnisse nichts.

Ich erhielt dann an diesem Wochenende auch noch das Neff Familienarchiv von einer meiner Großtanten, –  ich will sie mal so nennen. Darin befindet sich neben vielen persönlichen Photos, Feldpostbriefen aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, – auch eine Festschrift zu 150 Jahren Eisenhandlung Josef Pischl[7], – eine alte Saulgauer Firma, – die auch viel mit meiner Familie[8] zu tun hatte, – und von der man ebenso wie von der Wilhelm Schramm Spedition im Saulgauer Stadtbild nicht mehr viel oder gar nichts mehr findet. Und soweit man heute jüngere Passanten in Bad Saulgau nach beiden Firmen fragt – oder auch den berühmten Dr. Google – so erfährt man eigentlich nichts mehr „nennenswertes“ über beide Firmen, – die einst doch das „Stadtbild“ und auch das „Wirtschaftsleben“ in Saulgau prägten. Der „Pischl“ – und der „Schramm“ – das ist in Saulgau längst vergangene und fast vergessene „Wirtschaftsgeschichte“.

Und dann eben der Krieg, eigentlich müsste man schreiben, die Weltkriege, – denn im Grunde genommen sind es Bilder, Briefe, Traueranzeigen aus beiden Kriegen, – aus denen man rudimentär die Geschichte eine Munderkinger Flaschnerfamilie[9] nachvollziehen kann. Bilder der Kinder von Josef und Augustine Neff, – die von Munderkingen aus in Welt aufbrachen, – und von denen einige dann vor und nach dem zweiten Weltkrieg in Saulgau landeten und dort Fuß fassten. Der Verfasser des „paysagesblog“ ist einer der vielen Urenkel von Josef und Augustine Neff aus Munderkingen. Und das „Neff’sche Familienarchiv“ – so will ich diese Bilder und Briefsammlung mal nennen, ist bei mir dem Verfasser des paysagesbloges gelandet, weil ich mich u.a. auch für diese „Familiengeschichte“ interessiere. Der Krieg, bzw. die beiden Weltkriege, die in diesem Familienarchiv omnipräsent sind, – waren auch oft Thema der Tischgespräche die ich in der Karlstraße als Kleinkind mitbekam. Diese Kriege, die Verletzungen, die Narben, die Erinnerung an die die nicht mehr zurückkamen, – waren 20 und 30 Jahre nach den Ende des zweiten Weltkrieges in der Karlstraße 15 allgegenwärtig. Und angesichts der Ereignisse in der Ukraine, den russischen Angriff auf die Ukraine am 26. Februar 2022, erwachen diese Erinnerungen wieder zum Leben[10].

Nach einem Besuch des Federsees, – einem Spaziergang über den „Federseesteg“ fuhren wir über Riedlingen, Honau und an Stuttgart zurück nach Grünstadt. Die Alb strahlte herbstlich golden wie einst in meinen Kindertagen. In Stuttgart standen wir dann lange im Stau auf der A 81 / A8 zwischen Stuttgarter Kreuz und Leonberger Kreuz. In einer besseren Welt, – d.h. in einer Welt in der die „klimaökologische Wende“ längst vollzogen wäre,- wäre ich mit dem Zug nach Bad Saulgau gefahren, – hätte mir dort ein E-Auto gemietet,- und wäre dann mit diesem nach dem Wochende entweder wieder über die Alb nach Tübingen oder Reutlingen, – und dann wieder mit dem Zug nach Grünstadt- oder eben mit dem E-Auto durchs Donautal an Burg Wildenstein und Schloss Werenwag vorbei, übers Kloster Beuron zum Soldatenfriedhof von Beuron, über den es bis jetzt immer noch keinen Wikipediaartikel gibt, nach Immendingen, – und von dort mit der Schwarzwaldbahn über Offenburg, Karlsruhe nach Grünstadt. Die letztgenannte Variante, wäre natürlich irgendwie auch eine „Erinnerungsfahrt“ an die fernen Kindheitstage gewesen, – denn mein Vater wählte oftmals diese Route, auf unseren Fahrten von Schramberg nach Saulgau und zurück.

Ich hätte mir von der jetzigen Bundesregierung zumindest einen Einstieg in solch eine klimaökologisch nachhaltige Mobilität gewünscht, aber davon sind wir noch lange entfernt. Es gibt übrigens ein Land in unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland, in welchem man die Form von nachhaltiger Verkehrsmobilität schon lange umgesetzt hat (nicht perfekt, aber erheblich besser als in Deutschland),  das ist die Schweiz. Abgesehen davon erscheint einem Saulgau und das Oberland von der Kurpfalz aus gesehen, – völlig unabhängig davon ob man mit der Bahn oder dem Auto anreist schon irgendwie sehr weit weg, wie auf einem anderen Planeten. Eine kleine Provinzstadt in der Ferne von Schwäbisch-Mesopotamien[11].

Bahnhof Bad Saulgau Fahrtrichtung Aulendorf, © Christophe Neff 09.10.2022

Ein Freund und Kollege, ein Geograph der so wie ich selbst in einer schwäbischen Provinzstadt aufwuchs, fragte mich nachdem ich ihm von der Reise in die oberschwäbische Provinz berichtete, ob ich mir vorstellen könnte, dort in Saulgau zu wohnen und zu leben. Ich antworte ihm, wohl eher nicht, – die Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart, die Universitätsbibliothek Tübingen, – erschienen mir doch recht weit weg von Saulgau. Im Nachhinein muss ich sagen, dass per Bahn München von Saulgau aus im Gegensatz zu Grünstadt recht gut und schnell erreichbar ist, – der Bodensee natürlich auch, – dann gibt es ja auch noch die von Jacques Coup de Fréjac nach dem zweiten Weltkrieg gegründete Kunstgalerie die Fähre[12]. Also so ganz im Windschatten von Kultur und Wissenschaften liegt dann Saulgau dann doch nicht. In Schramberg der Kleinstadt im Schwarzwald in der ich aufgewachsen bin gab es und gibt etwas Vergleichbares wie die Kunstgalerie die Fähre in Bad Saulgau nicht – und in Schramberg gibt es auch schon lange keine Eisenbahn mehr.

Photos : © Christophe Neff, Oktober 2022

Literatur:

Buness, Jutta; Galenschowski, Carmen; Linde, Helmut, Strüber, Reinhard (2003): Bodensee Oberschwaben. Mit großer Reisekarte. Baedeker, Allianz Reiseführer. 7. Auflage 2003. Ostfildern, 2003, ISBN 3-87504-403-7

Eck, Helmut; Höhfeld, Volker (Hrsg.)(1989): Saulgau. Stadt und Landschaft. Ein geographischer Führer und die Stadt und ihre Umgebung. Saulgau, © Gebr. Edel, Gmbh & Co. KG, Druck und Verlag, D-7968 Saulgau, ISBN 3-9801892-0-1

Ertle, Robert; Neff, Max (Hrsg.)(1953): 150 Jahre Eisenhandlung Jos Pischl Saulgau seit 1803. Festschrift der Eisenhandlung Josef Pischl. Eisenhandlung Josef Pischl, Druck Gebr. Edel Saulgau.

Günzl, Hans (2007): Das Naturschutzgebiet Federsee. Ein Führer durch Landschaftsgeschichte und Ökologie. Tübingen, © Silberbuchverlag, ISBN 978-3-87407-747-7

Huby, Felix (2020): Lehrjahre. Roman. © 2020 Silberburgverlag 2020, 1. Auflage Taschenbuchausgabe, Originalausgabe Hardcover © Klöper & Meyer Verlag Tübingen 2016, ISBN 978-3-8425-2213-8

Loose, Rainer (2022): Gustav Schübler (1787-1834). Professor für Naturgeschichte und Botanik in Tübingen. © Franz Steiner Verlag Stuttgart 2022, zugleich Contuberinium Tübinger Beiträge zur Universitäts und Wissenschaftgeschichte B. 90, und Jahreshefte der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg, Sonderheft 6. ISBN, 978-3-515-13254-1.

Stadler, Arnold (2021): Meine Reise zum Kilimandscharo. Am siebten Tag flog ich zurück. Roman. © 2021 S. Fischer Verlag GmbH , Frankfurt am Main.

Wiedemann, Barbara (2017): Die Gruppe 47 und das Hotel „Kleber Post“ in Saulgau. Marbach am Neckar, 2017, Spuren 116, © 2017, Deutsche Schillergesellschaft Marbach am Neckar, ISBN 978-3-944469-33-1,

Verfasst im Oktober 2022, veröffentlicht am 31.10.2022


[1] In paysages gibt es zwei weiterer Blogbeiträge die sich hauptsächlich mit Saulgau beschäftigen, nämlich „Blognotiz 16.11.2014: Novembererinnerungen an Saulgau – Gedanken zum Volkstrauertag 2014“ und „Ein paar Tage im November 1989: Erinnerung zum Mauerfall aus Südwestdeutschland“.

[2] Man kann ein paar photographische Erinnerungen an die alte Kleberpost, hier auf den Seiten von Jörn Schramm, finden.

[3] In diesem Zusammenhang auch beachtenswert die Monographie die Rainer Loose dem württembergischen Botaniker „Gustav Schübler“ widmete!

[4] Anton Neff, 1904- 1977

[5] Eigentlich begleitete ich meine Onkel Ewald mehr als das ich selbst die Kohlen aus dem Eisenbahnwagen entlud. Wobei die Kohle mit Selbstentladewagen (wahrscheinlich Eds 090) und dann per Förderband auf Laster geladen wurde, die die Kohle ins Lager der Firma Schramm brachte.

[6] Das Claaswerk in Saulgau hat seinen Ursprung im Bautzwerk der Josef Bautz AG die 1969 von Class übernommen wurde.

[7] Diese Festschrift ist unter dem Titel „Festschrift der Eisenhandlung Josef Pischl“ ist laut KVK u.a. in folgenden Bibliothek im Bestand aufgeführt : Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek <24>, Mannheim, Universität Mannheim, Universitätsbibliothek <180>, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Historische Bibliothek. In diesem Sinne ist die Pischl Festschrift schon eine bibliographische Rarität.

[8] Mein Großvater, der schon erwähnte Anton Neff, war u.a. von ca. 1935 bis 1945 Prokurist beim Pischl, – und in der schon erwähnten Festschrift ist u.a. die Rede von ihm. Aber auch andere weiter Geschwister meines Großvaters Anton Neff, waren eng verbunden mit der Eisenhandlung Pischl, wie zum Beispiel meine Großtante Veronika Neff genannt die „Vroni“.

[9] Flaschner = schwäbischer Begriff für Klempner, Sprengler. Mein Urgroßvater Josef Neff war Flaschnermeister in Munderkingen.

[10] Zum Überfall auf die Ukraine, siehe auch „Die Truppen des Zaren Putin greifen die Ukraine an! (Übertragung der « Blognotice 24.02.2022: les troupes du Tsar Poutine attaque l’Ukraine » aus dem Französischen)“.

[11] Hierzu siehe auch: „Sprachlosigkeit in Schwäbisch-Mesopotamien –  Arnold Stadlers Geschichten „New York machen wir das nächste Mal“ sind Zeugnisse einer außergewöhnlich bildkräftigen Sprache“ von Gunter Irmler.

[12] Siehe auch „Galerie Die Fähre, Bad Saulgau Oberschwäbische Documenta“ – Von Dietrich Heißenbüttel|Fotos: Jens Voll, Kontext Wochenzeitung, August 2022, Ausgabe 592.