Novemberschneeflocken 2025: Es schneielet, es beielet in Grünstadt

Es war ein Mittwoch im November des Jahres 2025. In der Ferne konnte ich in der Lücke zwischen der Trauerweide des Nachbarn gegenüber und den Dächern des Grünstadter Dächermeeres die Türme des Wormser Doms aus dem Rheinnebel herausragen sehen. Man kann bei guter Sicht aus dem Fenster meines Arbeitszimmers die Türme des Wormser Doms erkennen. Der Wormser Dom St. Peter ist ja seit der Säkularisierung nur noch Pfarrkirche und Basilika minor. Aber einst war der das Wahrzeichen des nicht mehr existierenden Bistum Worms und des Wonnegau.

Im November vor einem Jahr begannen, fast vier Monate nach der totalen Prostatektomie, die postoperativen Komplikationen der Mitterrandschen Krankheit. Ich schrieb damals einen längeren Blogbeitrag mit dem Titel „Worms im Nebelmeer“. Seitdem lebe ich mit den Folgescheinungen dieser „Komplikationen“ und fahre regelmäßig ins Klinikum Worms[1].

Die Türme von St. Peter verschwinden hinter den Schneeflocken. Der Schnee bleibt jedoch nicht liegen. Andernfalls hätte ich es aufgeschrieben. Seit ich diesen Blog führe, schreibe ich immer einen kleinen französischen Blogbeitrag, wenn der Schnee mindestens einen ganzen Tag in Grünstadt liegen bleibt – zuletzt im Januar 2025: „Les premières neiges de l’hiver 2024/25 arrivent à Grünstadt durant la matinée du dimanche 5 janvier 2025“. Wobei Grünstadt im Gegensatz zu Schramberg, der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, nie ein Schneeland war. Aber hin und wieder gab es auch in Grünstadt richtige Schneewinter. Im Bildband „1150 Jahre Grünstadt/Pfalz“, den Richarda Eich und Wolfgang M. Schmidt herausgegeben haben, findet sich auf Seite 32 ein Winterbild, das Grünstadt im Winter 1965 zeigt.

Ich lebe seit 1999 in Grünstadt, und ich würde sagen, dass es bis zu Beginn der 2010er-Jahre immer ein paar Tage mit geschlossener Schneedecke gab, in der die Kinder am Grünstadter Berg Schlitten fahren konnten. Hin und wieder gab es auch richtigen anhaltenden Märzschnee – wie zuletzt 2013. Die Schneewinter in Schramberg sind für mich zu unvergesslichen Kindheitserinnerungen geworden. Im photographischen Nachlass meines Vaters befinden sich etliche Schnee und Winterbilder aus dem Raumschaft Schramberg. Aus dem oberschwäbischen Saulgau stammend waren für ihn die Schneewinter in Schramberg auch immer ein eindrückliches Naturerlebnis. Das Stadtarchiv der Stadt Schramberg hat übrigens vor kurzem auf Facebook beeindruckende Schneewinterbilder  aus der Raumschaft Schramberg der 1950er Jahre aus dem Nachlass des Photographen Wilhelm Weiss veröffentlicht[2].

Ich muss an das Schwabenrocklied von Wolle Kriwanek denken: „Es schneilet, es beielet“, das während meiner Jugendjahre im Schwarzwald ein gern gehörter Ohrwurm war. In meinen Zeiten als Schwarzwaldbluessänger habe ich hin und wieder selbst gesungen. In der alemannischen Wikipedia gibt es einen kleinen Eintrag über das Lied, wobei ich das Lied immer mit Wolle Kriwanek verbinde. Ich höre mir auf YouTube den „Wolle Kriwanek“ nochmals an und singe auch mit:

„Es schneielet, es beielet,

Es goht en kaldr Wend,

Es fliegt a schneeweiß Vegele

Oms Kepfle jedem Kend.“

Danach schlägt mir YouTube Marlene Dietrich vor – eine historische Aufnahme: „Sag mir, wo die Blumen sind“ – Düsseldorf, am 5. Oktober 1962, auf der UNICEF-Gala, begleitet vom Orchester Max Greger. Ich schaue Richtung Osten – in der Nacht hat es wieder russische Raketen- und Drohnenangriffe auf die Ukraine gegeben. Es scheint nie aufhören zu wollen, weder im Winter noch im Sommer, weder im Frühjahr noch im Herbst. Mit Friedensliedern wird man das nicht stoppen können, das weiß ich, denn ich war ja nie ein „Pazifist“. Sonst hätte ich mich auch nicht bei der Bundeswehr zum Reserveoffzier ausbilden lassen[3].

Am nächsten Tag lese ich in der französischen Tageszeitung Le Monde den Kommentar von Benjamin Quénelle und Philippe Ricard: «Guerre en Ukraine : Russes et Américains négocient de nouveau dans le dos des Européens » zu den amerikanischen-russischen Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine. Eigentlich nichts Neues – das imperiale Amerika überlässt dem russischen Zaren „Ostmitteleuropa“ und erhält im Gegenzug freie Hand in Mittel- und Südamerika wie zu besten Zeiten der Monroe-Doktrin. Und der Herr im Kreml kann dann an der „Westfront“ mehr oder weniger nach Gutdünken vorgehen – wie damals Nikolaus I. von Russland[4] im Kaukasus zu Zeiten von Hadji Murat (Hadschi Murat, dt.)[5]. Das war das letzte Werk von Lew Tolstoi. Da kann man sich schon fragen, inwiefern die Welt sich gewandelt hat – immerhin wurde die „leichte Kavalerie“ durch Drohnen ersetzt. Und Sankt Petersburg ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Und was die USA und die Trump-Administration betrifft, bin ich ziemlich illusionslos – mehr oder weniger alle Befürchtungen, die ich im Blogbeitrag „Blognotice 27.10.2024: America, where are you going?“ im Oktober 2024 geäußert habe, sind inzwischen eingetreten. Spätestens am 3. November 2026, anlässlich der sogenannten „Midterms“  wird man sehen, ob man die USA noch zu den liberalen Demokratien rechnen kann!

Mit Friedensliedern wie „Sag mir, wo die Blumen sind“ wird man den Krieg in der Ukraine nicht beenden können. Dennoch singt „la Dietrich“ – am 5 Oktober 1962 in Düsseldorf beeindruckend schön, sie kommentiert das Lied auch auf Deutsch, Französisch und Englisch. Im Sammelsurium-Blog kann man einen interessanten Beitrag „Marlene Dietrich – Sag mir, wo die Blumen sind + Die Welt war jung (1962)“ über diese bemerkenswerte Vorstellung der „Diva“ nachlesen.

Dass man eine solche historische Aufnahme nur auf einer kommerziellen Plattform wie YouTube findet, ist traurig. Dieses historische Kulturgut (Ton- und Filmdokument) sollte eigentlich in einer staatlichen Sammlung in Deutschland archiviert werden und frei zugänglich sein.

Den Text verfasste ich vor nicht ganz zwei Wochen als Gedankennotiz am Mittwoch den 19.November 2025. In diesen zwei Wochen bis zur heutige Niederschrift wurde die Ukraine fast ununterbrochen, Tag und Nacht, von russischen Raketen und Drohnen angegriffen. Jetzt, an diesem Dezemberfreitag, blicke ich – wie so oft – aus dem Arbeitszimmerfenster Richtung Osten auf den Odenwald. Und weit dahinter entfernt liegt die Ukraine – und ich denke, wann wird das endlich ein Ende haben? Wann werden die Menschen in der Ukraine wieder ruhig schlafen können.

Beim Blick aus dem Fenster in Richtung Osten über den Odenwald hinaus denke ich auch an Maria, an Maria Kalesnikava, für die ich vor fast zwei Jahren ein Gedicht geschrieben habe: „Maria (für Maria Kalesnikava)“, damit man sie nicht trotz der Lagerhaft nicht vergisst.  Ich vergesse sie nicht und hoffe, dass sie das Lager bald verlassen kann und in Freiheit leben kann.

Bibliographie

Eich, Richarda; Schmitt, Wolfgang, Schmitt M.; Stadtverwaltung Grünstadt  (Hrsg.)(2025): 1150 Jahre Grünstadt/Pfalz: Fotos und Postkarten aus früheren Zeiten : 875-2025. Grünstadt, 2025, Stadt Grünstadt 2025 (ohne ISBN)

Tolstoï, Léon; Aucouturier, Michel (Ed.) (2004): Hadji Mourat. Édition présentée et annotée par Michel Aucouturier. Traduction de Jean Fontenoy et Brice Parain. Paris, © Éditions Gallimard, 1960 pour la traduction française ; 2004, pour la présente édition. Folio classique 4038, ISBN 978-2-07-030431-8

Tolstoï, Léon (2012) : Hadji Mourat . Tolstoï, Léon : Dans Souvenirs et récits. Préface de Sylvie Luneau. Traductions Sylvie Luneau, Pierre Pascal, Gustave Aucouturier, Boris de Schlœzer, Édouard Beaux, Jean Fontenoy et Brice Parain. Paris, 2012, © Éditions Gallimard 1960, Bibliothéque de la Pléiade Nr. 149, ISBN 978-2-07-010565-6, pages 1409 – 1533.

Als Gedankennotiz im November & Dezember 2025 verfasst, veröffentlicht am Freitag den 12.12.2025.

Christophe Neff, Grünstadt 12.12.2025


[1] Siehe u.a. auch „Blognotiz 31.07.2025: der Juli geht zu Ende und die Mauersegler sind schon fortgezogen“ und „Das Pfrimmhügelland: Von Weinbergen, Windrädern und Bauernkriegen: Eine Landschaft im Wandel – eine persönliche Blognotiz“.

[2] Das Facebookphotoalbum „Winter in den 1950er-Jahren“ Bildergalerie Wilhelm Weiss ist auch Internetarchiv archiviert !

[3] Zu meiner Reserveoffizierausbildung & Karriere bei der Bundeswehr siehe u.a. „Ottmar Schreiner – Sozialdemokrat, Fallschirmjägeroffizier und Katholik (21.04.2013)“ und „Die Truppen des Zaren Putin greifen die Ukraine an! (Übertragung der « Blognotice 24.02.2022: les troupes du Tsar Poutine attaque l’Ukraine » aus dem Französischen)“.

[4][4] Der deutschsprachige Wikipediaartikel über Nickolaus den I. von Russland ist von beeindruckender Inhaltslosigkeit. Da empfiehlt sich dann doch das französische Pendant „Nicolas Ier (empereur de Russie)“ oder der englischsprachige Wikipediaartikel „Nicholas I of Russia“.

[5] Zur Gemeinsamkeit von Nickolaus I. und Vladimir Poutin siehe auch den im Jahr 2013 geschrieben Beitrag „Blognotice 22.12.2013: De Dostoïevski à Mikhaïl Khodorkovski“.

Die „Vazvrachentsy“ im Roman Kolkhoze von Emmanuel Carrère

Zurzeit lese ich Kolkhoze, den neuen Roman von Emmanuel Carrère. Ich hatte mir den Roman nach der Lektüre der Rezension La smala d’Abd-el-Carrère mise à nu von Pierre Assouline in „La République des livres“ für meinen Tolino gekauft[1]. Ein paar Wochen später schickte mir ein Freund die begeisterte Kritik von Johanna Adorján in der Süddeutschen[2]. Der Freund aus München kommt wie ich selbst aus dem Schwarzwald, und wir teilen Lektüren und Buchrezensionen nun schon seit vielen Jahrzehnten. Er ist auch ein begeisterter und regelmäßiger Leser der Süddeutschen Zeitung , was ich selbst nicht bin. Aber mit dem Freund teile ich die Meinung, dass die Süddeutsche wohl die einzige verbliebene überregionale liberale Tageszeitung Deutschlands ist.

Und dann stoße ich irgendwann in „Kolhoze“ auf diesen Satz mit diesem Wort, das ich noch nie gehört hatte: „vazvrachentsy“ „Les chiffres sont incertains. Il semble qu’ils aient été entre cinq et dix mille, qu’on a appelés vazvrachentsy – les ‚retournants‘.“ („Die Zahlen sind ungewiss. Es scheint, dass es zwischen fünftausend und zehntausend waren, die man Vazvrachentsy nannte – die ‚Rückkehrer‘.“)(Carrére, 2025, p.85)

Ich gebe das Wort bei Google in mein „Schlautelephon“ ein – und dann die Überraschung: Google kann gerade mal sechs Links angeben, wobei Doppelungen dabei sind. So etwas habe ich schon lange nicht mehr erlebt, nämlich dass die Googlesuch – Maschine nur so dürftige Antworten liefert. Ich klicke auf den ersten Link Welt im Taumel: Emmanuel Carrère – Rentrée littéraire und lande beim Literaturblog des Romanisten Kai Nonnenmacher. Hier finde ich nicht nur eine kleine Worterklärung: Die Geschichte der vazvrachentsy (Rückkehrer), die nach der Revolution in die Sowjetunion zurückkehrten und dort im Gulag landeten, ist eine Mahnung an diejenigen, die an Putins Versprechungen glauben könnten (Kai, Nonnenmacher, Welt im Taumel: Emmanuel Carrère, 03.09.2025), sondern eine komplett äußerst detailreiche Rezension des Romans und auch des gesamten literarischen Werks von Carrère. Das war mehr als eine positive Überraschung. Ich hatte bisher noch keine so umfassende literarische Würdigung des Werks von Carrère auf Deutsch gelesen. Nonnenmacher ist Professor für Romanistik an der Universität Bamberg und befasst sich schon von Berufs wegen mit französischer Literatur. Dennoch beeindruckt sein Literaturblog. Fast alle französischsprachigen Bücher, die ich in den letzten Monaten gekauft und gelesen habe, werden darin besprochen. Bemerkenswert sind darin auch die Besprechung von „Houris“ von Kamel Daoud „Die Jungfrau im lebendigen Diesseits: Kamel Daouds Doppelroman“ oder auch der Kommentar zur Festnahme Boualem Sansal im November 2024 „Boualem Sansals Festnahme und ein Raumschiff[3].  Wer sich im deutschsprachigen Raum ernsthaft mit französischer Literatur befasst kommt an Nonnemachers Literaturblog „Rentrée littéraire: französische Literatur der Gegenwart“ kaum vorbei! 

Es fehlt „L’heure des prédateurs[4] von Giuliano da Empoli. Das ist wahrscheinlich eines der besten „geopolitischen“ Sachbücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Das Buch erscheint jetzt auch unter dem Titel „Die Stunde der Raubtiere“ in der Übersetzung von Michaela Meßner auf Deutsch[5]. Hingegen findet man in Nonnenmachers Blog eine Rezension des Romans „Le Mage du Kremlin“ von da Empoli unter dem Titel Russland als Albtraummaschine des Westens. Vielleicht werden in Nonnenmachers Blog aber auch keine französischen Sachbücher rezensiert.

Ich selbst bekomme meine Einblicke in die französische Literaturwelt durch meine eigenen Lektüren, aber auch das regelmäßige Lesen des „Monde des livres“ und der Literaturblogs „La République des livres“ von Pierre Assouline. Für alle, die des Französischen nicht mächtig sind, bietet der Literaturblog „Rentrée littéraire: französische Literatur der Gegenwart“ einen hervorragenden Einblick in das aktuelle Literaturgeschehen in Frankreich und der frankophonen Welt. Ich bin persönlich wirklich sehr überrascht, dass es so etwas jenseits kommerzieller Erwägungen überhaupt noch gibt. Im kommerziellen Feuilleton unserer überregionalen Tages- und Wochenzeitungen findet man derlei tiefgründige Rezensionen französischsprachiger Bücher nur noch selten. Aber wahrscheinlich fehlt es auch an entsprechenden Redakteuren, die des Französischen überhaupt mächtig sind.

Was mir in der beeindruckenden Rezensionsliste von Nonnenmacher etwas gefehlt hat, ist das Buch, mit dem ich sozusagen meinen Sommer verbracht habe: „Dictionnaire amoureux de Pouchkine[6] von André Markowicz[7]. Wobei man bei diesem Buch trefflich streiten kann, ob es nur ein Sachbuch ist – oder eben Literatur. Immerhin hat mich die Kenntnis der russischen Literatur schon vor über zwölf Jahren zu dem wenig schmeichelhaften Vergleich von Nikolaus I. von Russland und Wladimir Putin geführt – man kann das auch in diesem Blogbeitrag Blognotice 22.12.2013: De Dostoïevski à Mikhaïl Khodorkovski immer noch nachlesen. Die Lektüre des Romans von Carrère erlaubt es mir, mein literarisches Russlandbild wieder zu erweitern. Er bietet jedoch durchaus interessante Einblicke in die neuere französische Geschichte wie auch die französische Literaturgeschichte.

Ob Carrères Roman es nun schafft, endlich den begehrten Prix Goncourt zu bekommen, weiß ich nicht – aber ich halte es für durchaus möglich. Immerhin gibt es da ja noch die Konkurenz der Romans „la maison vide“ von Laurent Mauvignier[8]. Übrigens äußert sich Nonnenmacher auch zu diesen Buch, siehe „Die unauffindbare Medaille: Laurent Mauvignier“.

Nach den ersten 126 Seiten des Roman „Kolkhoze“ habe ich jedoch nicht den Eindruck, dass das die primäre Absicht von Carrère  war. Er schreibt vor allem über seine Familiengeschichte – und diese ist sehr eng verzahnt mit der russischen Welt, mit der russischen Geschichte der letzten 150 Jahre. Sollte es den Prix Goncourt für das Buch geben auch gut !

Und was das Wort „vazvrachentsy“ betrifft, habe ich mich bei „Le Chat AI Mistral“, also der französischen Antwort auf ChatGPT und Co., erkundigt – und diese Antwort erhalten: „Das Wort ‚Vazvrachentsy‘ (auf Russisch: возвращенцы) ist ein russischer Neologismus und bedeutet wörtlich ‚Rückkehrer‘ oder ‚Heimkehrer‘. Es bezieht sich auf Menschen, die nach Russland zurückkehren, oft nach einem längeren Aufenthalt im Ausland – sei es aus beruflichen, politischen oder persönlichen Gründen.“

Vielmehr kann ich derzeit über den Roman Kolkhoze nicht schreiben, da ich erst auf Seite 126 (Tolino-Paginierung) angekommen bin. Aber immerhin weiß ich jetzt mit dem Wort „Vazvrachentsy“ etwas anzufangen. Hinter dem Wort verbirgt sich ja auch eine sehr traurige Geschichte. Die Vazvrachentsy, also die Russes blancs, die Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg auf Einladung Stalins in die Sowjetunion zurückkehrten, also dem Wort Stalins glaubten, landeten meistens im Gulag oder in der Verbannung, soweit man sie nicht gleich hinter der sowjetischen Grenze erschoß.

Bibliographie:

Da Empoli, Giuliano (2022) : Le Mage du Kremlin, Roman. Paris, Éditions Gallimard, 21 mars 2022, ISBN 978-2-07295819-9

Da Empoli, Giuliano (2025) : L’heure des prédateurs. Paris, Éditions Gallimard, 2025 Paris, ISBN 978-2-07311323-8

Da Empoli, Giuliano (2025) : Die Stunde der Raubtiere. Macht und Gewalt der neuen Fürsten. Aus dem Französischen von Michaela Meßner.

Daoud, Kamel (2024) : Houris, roman. Paris, Éditions Gallimard, 2024. ISBN 978-2-07300002-6

Carrère, Emmanuel (2025): Kolkhoze. Paris, 2025 © Emmanuel Carrère et P.O.L éditeur, 2025, © P.O.L éditeur, 2025 pour la version numérique. ISBN 978-2-81806198-5

Markowicz, André (2025) : Dictionnaire amoureux de Pouchkine. Dessins d‘ Alain Bouldouyre d’apres Alexandre Pouchkine. Paris, 2025 , © Éditions Plon, un département de Place des Éditeurs, 2025, ISBN 978-2-259-31829-7

Mauvignier, Laurent (2025) : La maison vide. Roman. Paris : Les Éditions de minuit, ISBN 978-2-7073-5674-1

Christophe Neff, Grünstadt im Oktober 2025


[1] Zu meinem Tolino siehe auch „Une liseuse « Tolino“ pour délester ma bibliothèque ».

[2] Hierzu „Emmanuel Carrère Dafür sollte er endlich den Prix Goncourt bekommen“, Johanna Adorján, Süddeutsche Zeitung 11 September 2025.

[3] Zur Festnahme Boualem Sansal durch die algerischen Behörden siehe auch „Poste restante : Alger  – pour ne pas oublier Boualem Sansal !“.

[4] Rezension des Buch finden sich u.a. in Le Monde unter den Titeln „Dans « L’Heure des prédateurs », Giuliano da Empoli analyse le fonctionnement des « seigneurs de la tech » L’écrivain italo-suisse peint, dans son dernier essai, une fresque des César Borgia du monde contemporain. » Nicolas Truong Le Monde 21.04.2025 “ und „ Giuliano da Empoli, un portraitiste de l’« internationale réac » Auteur du best-seller « Le Mage du Kremlin », le politiste italo-suisse vient de publier « L’Heure des prédateurs ». Un essai dans lequel cet ancien conseiller politique livre les ressorts du nouveau désordre mondial. Clémentine Goldszal, Le Monde 16.04.2025 “.   

[5] Eine lesenswerte deutschsprachige Buchkritik von „die Stunde der Raubtiere“ kann man unter „Die Stunde der Raubtiere: Warum die Gegenwart so erschreckend an das Italien des Cesare Borgia erinnert“ in der Leipziger Zeitung finden.

[6] Eine ausgezeichnete Rezension des Buches findet von Pierre Assouline findet man hier „Pouchkine, c’est la Russie

[7] Siehe hierzu u.a. « Blognotice 22.06.2025: canicule et Fête de la musique & Dictionnaire amoureux de Pouchkine » und « Blognotice 31.08.2025 : les Sternbergia lutea en fleurs, l’automne approche ».

[8] Hierzu auch die Buchkritik  « Ce quelque chose d’absent qui tourmentait Laurent Mauvignier » von Pierre Assouline.

Lesenotizen zum Buch „Vom Bosporus zum Nesenbach – und zurück?“ von Ergun Can

Und wieder gibt es einen Neuzugang in der Schramberg-Abteilung meiner kleinen Privatbibliothek: ein kleines Büchlein, das den Titel „Vom Bosporus zum Nesenbach. Und zurück? Die Geschichte einer erfolgreichen Integration“ trägt. Es ist die Autobiographie des Diplom-Ingenieurs und Maskenschnitzers Ergun Can. Auch wenn es der Titel nicht vermuten lässt, handelt ein Großteil des Buches von Schramberg, denn der Verfasser verbrachte einen großen Teil seiner Kindheit und Jugendjahre in Schramberg im Schwarzwald. Das Buch legt Zeugnis ab über die erfolgreiche Integration eines sogenannten „Gastarbeiterkindes“ in die deutsche Nachkriegsgesellschaft.

Beim Lesen des Buches fragte ich mich immer wieder, warum man bisher keine Kritiken in den Feuilletons unserer überregionalen Tageszeitungen zu diesem Buch findet. Schließlich ist die Integrationsfrage eine der zentralen Fragen unserer heutigen Gesellschaft. Doch auch in der regionalen Presselandschaft Baden-Württembergs konnte ich keinerlei Rezensionen zu Ergun Cans Buch entdecken. Trotz aller Widrigkeiten und Widerstände hat es Ergun Can mit viel Fleiß und Hingabe geschafft, nicht nur Teil dieser deutschen Gesellschaft zu werden, ohne seine eigene Identität zu verleugnen, sondern durchaus auch als Vorbild zu dienen. Und fürwahr war dieser Weg nicht immer einfach für ihn. Darüber legt sein Buch ebenfalls Zeugnis ab.

Ich teile eine Gemeinsamkeit mit Ergun Can: Wie Can verbrachte ich große Teile meiner Kindheit und Jugendzeit in Schramberg. Das Buch erlaubt es einem, das Schramberg der 1960er und 1970er Jahre aus einem neuen, anderen und doch so bekannten Blickwinkel wieder neu zu entdecken. Ergun Can lernte bei Siegfried Schaub, dem Vater eines Klassenkameraden, das Maskenschnitzen. Inzwischen sind die Fasnetsmasken von Ergun Can Ausstellungstücke und Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen (siehe u.a. Lixfeld 2024). Aber auch viele andere Namen aus Ergun Cans Schramberger Zeit sind für mich nicht unbekannt.

Natürlich geht es im Buch nicht nur um Integration, Schramberg und Fasnetsmasken, sondern auch um das langjährige Wirken von Ergun Can in der SPD. In diesem Sinne findet man im Buch von Ergun Can auch „Innenansichten“ zur Parteigeschichte der SPD des „Südweststaates“.

Ich habe das Buch gern gelesen. Besonders gefallen hat mir die Erwähnung des Ehepaars Otto und Inge Schütz und ihrer Kinder auf Seite 21. Wer erinnert sich in Schramberg noch an den Bankdirektor Schütz und seine Familie? Wie Ergun Can verbrachte ich einen Teil meiner Jugend mit den Kindern des Ehepaares Schütz, vor allem mit Thomas. Wobei das natürlich später war – da wohnten die Schützens, wie meine Eltern auch, oben auf dem „Sulgen“ im Lärchenweg. Die Familie Schütz war wirklich eine sehr weltoffene und gastfreundliche Familie.

Und dann gibt es noch etwas ganz Besonderes, das ich mit Ergun Can teile nämlich das Bekenntnis zum Schwäbischen[1]: Immer, wenn man mich fragt, woher ich komme, sage ich: aus Schramberg im Schwarzwald – dort, wo man inmitten von Schwarzwaldtannen immer noch echtes „Schwäbisch“ schwäzt[2].

Bibliographie

Can, Ergun (2025): Vom Bosporus zum Nesenbach. Und zurück? Die Geschichte einer erfolgreichen Integration. © 2025, R.G. Fischer Verlag Frankfurt am Main, ISBN 978-3-8301-9394-4

Frommer, Heike: „Gabel – çatal, Brot – ekmek, Teller – tabak.“ Familiensaga Can. In: Frommer, Heike/Mohn, Brigitte (Hg.): Zwischen zwei Welten. Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in Schramberg. Begleitbuch zum Forschungs-, Ausstellungs- und Mitmachprojekt des Stadtmuseums Schrambergs und des JUKS in Kooperation mit dem Eine-Welt-Forum Schramberg (= Schriften des Stadtmuseums Schramberg 24). Schramberg 2011, S. 28–37.

Lixfeld, Gisela: Ergun Can als Maskenschnitzer, in Landesmuseum Württemberg (2024), (Hrsg.): feld & wege: 100 Jahre Forschung und Dokumentation – von der Volkskunde zur Alltagskultur, Heidelberg: arthistoricum.net, 2024, S. 146–151. https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1405.c20020          

Kowalski, Rebecca (2023): Tradition im Wandel? Die Schramberger Fasnet. In: HISTORISCHER AUGENBLICK, Blog des Instituts für Geschichtsdidaktik der Universität Tübingen.

Christophe Neff, Grünstadt 13.10.2025


[1]Ich habe über sechzig Jahre wieder und wieder das Lob erhalten, dass ich gut Deutsch spreche, »aber woher kommen Sie denn?«. Da erwidere ich stets gelassen, dass ich nicht gut Deutsch, sondern Schwäbisch spreche und aus Schramberg käme (Can, Ergun, 2025, S. 79)“.

[2] Zur Bedeutung des Schwäbischen beim Verfasser dieses Textes siehe u.a. „Schwäbisch – Französische Lesenotizen zu „Mein Schwaben“ von Vincent Klink“ .

Blognotiz 19.09.2025: Spätsommer & Herbstfahrten durch die Frankenthaler Terrasse – Windenergielandschaften und Radiobegegnung mit Werner Herzogs „paysages intérieures“

Blick auf den Windpark Dirmstein-Groß-Kleinniedesheim-Heuchelheim, © Christophe Neff 19.09.2025

Ich fahre, wie so oft, nach Frankenthal an den Bahnhof, um jemanden aus der Familie abzuholen. Angesichts der „Kettenverspätungen“ der Bahn ist das Umsteigen in die Regionalbahn nach Grünstadt in Frankenthal ein richtiges Glücksspiel – und wenn man Pech hat, wartet man eben „ewig“ auf den nächsten Anschluss. Diesmal hole ich meine Schwägerin und ihren Ehemann ab. Sie leben eigentlich in einem französischsprachigen Land, wo die Züge in der Regel pünktlich sind. Diesmal kommen sie jedoch aus dem Norden, aus der Hansestadt Hamburg, und haben bereits mehr als zwei Stunden Verspätung, als ich ins Auto steige.

Im Radio läuft auf SWR Kultur die Sendung „Der Soldat des Kinos – Ehrenlöwe für Werner Herzog“, ein SWR-Kultur-Forum unter anderem mit Rüdiger Suchsland als Mitdiskutant[1]. Suchsland ist so etwas wie der „Monsieur Cinéma“ des Südwestrundfunks. Früher, in meiner Jugend, war das Herbert Spaich. In meiner Oberstufenzeit weckte mich das Radio – mein damaliger Lieblingssender SWF3 – mit den Filmtipps von Herbert Spaich oder mit Gisela Eberles Gesundheitsansprache „Guten Morgen – positiv sollen Sie den Tag beginnen“. Irgendwann begann ich dann auch aufzustehen und lief dann das „Steighäusle“ vom Sulgen hinab in die Talstadt zur Schule ins Gymnasium Schramberg um dort irgendwann nach Schulbeginn auch anzukommen. Das war noch die Zeit, als der kürzlich verstorbene Frank Laufenberg den „Popshop“ in SWF3 moderierte.

Ich war damals – wie auch später während meines Studiums – ein richtiger Cineast, ein Kinogänger, der ein- bis zweimal pro Woche ins Kino ging. Lange Zeit war Fitzcarraldo einer meiner Lieblingsfilme, vielleicht ist er es sogar immer noch. Für „Fitzcarraldo“ bin ich sogar mit dem Fahrrad von Schramberg nach Paris gefahren[2]. Das ist lange her, und im Kino war ich seitdem Abschluss des Studiums nur noch selten. Zuletzt sah ich Anselm – Das Rauschen der Zeit von Wim Wenders und viele Jahre zuvor Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht von Edgar Reitz, Film in dem Werner Herzog in einer Gastrolle den Alexander von Humboldt spielt.

In Grünstadt gibt es zwar einen sehr schönen Kinokomplex, „die Filmwelt Grünstadt“, doch meistens wird nichts gezeigt, das meinem Filmgeschmack entspricht. Filme in Originalfassung gibt es so gut wie nie. Im letzten Frühjahr hätte ich mir gerne das Original des brasilianischen oscarprämierten Films Ainda Estou Aqui (Für immer hier) angeschaut. Er wurde tatsächlich in einem Mainzer Kino gezeigt, doch die Komplikationen, die mit der „maladie de Mitterrand“ verbunden waren, verhinderten diese Kinofahrt nach Mainz. Kinofilme sehe ich mir meistens später im Fernsehen an – in den meisten Fällen auf Arte oder, wie zuletzt im ZDF, „An einem Tag im September“. Dieser Spielfilm berührt in gewisser Hinsicht meine eigene deutsch-französische Familiengeschichte[3].

Mein Fahrtweg ist gesäumt von Windkraftanlagen. Wegen der Komplikationen mit der „maladie de Mitterrand“ beschränkt sich mein aktueller räumlicher Radius auf Fahrten ans Klinikum Worms oder auf „familiäre Taxifahrten“ von oder zum Frankenthaler Hauptbahnhof. Die Landschaft, die ich durchquere, gehört laut der „Naturräumlichen Gliederung Deutschlands“ zur „Frankenthaler Terrasse“. Wie beim „Unterem Pfrimmhügelland“ gibt es auch hier keinen Wikipedia-Artikel über diesen Naturraum[4]. Die Funktionsweise eines Naturraums hat in Deutschland kaum noch gesellschaftliche Relevanz. Sonderbarerweise berufen sich die Proteste gegen den geplanten Windpark bei Dirmstein genau auf den Schutz des Naturraums zwischen Obersülzen und Dirmstein[5].

Das Windrad ist zum Symbol des Landschaftswandels, aber auch zum Symbol für „Nutzungskonflikte“ in der Landschaft Mitteleuropas geworden. Nicht umsonst ziert das Buchcover der Zweitauflage von „La théorie du paysage en France“von Alain Roger das Foto eines Windrads. Als ich mich vor Jahrzehnten auf der „Frankenthaler Terrasse“ in Richtung Grünstadt bewegte, konnte man nachts die hellerleuchtete amerikanische Raketenstellung auf dem Quirnheimer Berg sehen[6]. Die Raketenstellung ist verschwunden – nun leuchten dort nachts die Positionsleuchten der Windräder.

Blick auf Bockenheim und den Quirnheimer Berg mit Windkraftwerken, – dort befand sich im kalten Krieg die US-Raketenstellung, © Christophe Neff 19.09.2025

Meine Schwägerin bemerkt während der Autofahrt nach Frankenthal, dass sie das Gefühl habe, es gebe bei jeder Reise nach Grünstadt mehr Windräder. Sie wüchsen förmlich wie Pilze aus der Landschaft. Ich pflichte ihr bei und sage: „Ja, das Gefühl ist bestimmt nicht ganz falsch.“ Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass man Energie nicht zum umweltpolitischen Nulltarif bekommt – und Energie verbrauchen wir alle. Doch meine Schwägerin hat nicht unrecht: Die Windräder sind längst zu einem markanten Landschaftelement geworden. Zwischen Grünstadt und Frankenthal sieht man sie überall – in der Nähe und in der Ferne. Man kann ihnen visuell kaum noch ausweichen.

Ich denke an Werner Herzog und versuche mir vorzustellen, wie ein Film von ihm über Windkraft und Windkraftlandschaften aussehen würde. Weltweite Windenergielandschaften aus Herzogs filmischer Erzählperspektive. Tatsächlich gibt es eine wissenschaftliche Arbeit über die Landschaften im Werk Werner Herzogs: „Les paysages intérieurs de Werner Herzog“, eine französische Abschlussarbeit von Manon Levet im Fach Kunstgeschichte, die man im „Halopenarchive“ finden und herunterladen kann. Dass diese Arbeit in Frankreich verfasst wurde, wundert mich nicht. Ich habe den Eindruck, dass Herzogs künstlerisches Werk dort erheblich mehr gewürdigt wird als in Deutschland.

In diesem Sommer gab es im „Le Monde“ eine lesenswerte Sommerserie über das Leben von Isabelle Adjani[7] – und darin war eine Episode dem Film „Nosferatu – Phantom der Nacht“ und den Dreharbeiten mit Werner Herzog und Klaus Kinski gewidmet. Auch in diesem Blog verfasste ich bereits einen Beitrag über einen Herzog-Film auf Französisch: „Souvenirs d’une soirée de samedi passé devant le petit écran : Au cœur des volcans, requiem pour Katia et Maurice Krafft, documentaire de Werner Herzog“. In Frankreich genießt Herzog doch ein anderes Renommee als in Deutschland. Ich glaube hierzulande ist er nur noch ein „Geheimtipp“ für eingefleischte Cineasten und Boomer. In der Generation meiner Kinder, oder auch bei meinen Studierenden, kennt ihn wohl kaum noch jemand.

Werner Herzog hat auch eine bemerkenswerte Autobiographie verfasst: „Jeder für sich und Gott gegen alle. Erinnerungen“. Als ich mit meiner Schwägerin und meinem Schwager an den Windrädern entlang durch die „Frankenthaler Terrasse“ nach Grünstadt fuhr, hatte ich gerade mit der Lektüre dieses Buches begonnen. Inzwischen weiß ich: Wer mehr über die „paysages intérieures“, also die inneren Landschaften Werner Herzogs, erfahren möchte – und darüber hinaus ein vollständiges Werkverzeichnis (Filmographie, Operninszenierungen) sucht –, der sollte dieses Buch lesen. Ich erlaube mir daraus die letzten Sätze zu zitieren „An ihrem Fuß ist sie achtundzwanzig Meter dick und aus besonders gehärtetem Stahlbeton gegossen. Dieser untere Teil stünde noch mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, majestätisch, ohne etwas verkünden zu können, keine Botschaft an niemanden. Dort am Fuß der glatten Betonwand, gäbe es kristallklares Sickerwasser aus den Felsen zur Seite, aufgesucht von Rudeln von Hirschen, als wäre (Herzog, Werner: 2022, p. 329)“

Quellen und Bibliographie:

  • Herzog, Werner (2022): „Jeder für sich und Gott gegen alle. Erinnerungen“. München, 5. Auflage 2022, © Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, ISBN 978-3-446-27561-4.
  • Levet, Manon (2016): „Les paysages intérieurs de Werner Herzog“. Art et histoire de l’art. HAL Id: dumas-01438354
  • Roger, Alain (Hrsg.) (2009): „La théorie du paysage en France : 1974–1994“ (Réédition). Seyssel: Champ Vallon, ISBN 978-2-87673-508-8.

Nachwort zur Texterstellung

Den vorliegenden Text entwarf ich am 28.08.2025 bei der familiären Taxifahrt Grünstadt- Frankenthal HBF- Grünstadt im Auto und speicherte es als Gedächtnisprotokoll ab. Die Niederschrift fand dann im Laufe des Septembers statt. Photos von den Windrädern des Windpark „Dirmstein-Groß-Kleinniedesheim-Heuchelheim“ sind auch in den Beiträgen „Wintersonnenwende 2024“ und „Blognotice 11.01.2022 : les liens perdus du blog paysages“ zu finden. Man kann die Windräder dieses „Windparkes“ von erhöhten Standorten in Grünstadt sehr gut sehen. Tatsächlich bin ich die „Wegstrecke“ Grünstadt – Frankenthal HBF – Grünstadt so oft gefahren, dass ich fast jeden Baum und Busch am Wegerand dort kenne. Die gartenflüchtige Pallisadenwolfsmilch (Euphorbia characias)[8] am Straßenrand in Dirmstein, der Mandelbaum in Obersülzen auf dem die Halsbandsittiche sich verpflegen und rasten[9], den Paradiesvogelbaum in Dirmstein der im Spätsommer & Herbst blüht[10].

Photo: © Christophe Neff 19.09.2025

Christophe Neff, Grünstadt August/September 2025


[1] Siehe : „ Der Soldat des Kinos – Ehrenlöwe für Werner Herzog, Karsten Umlauf diskutiert mit Dr. Kristina Jaspers, Kuratorin, Deutsche Kinemathek Berlin, Rüdiger Suchsland, Filmkritiker Prof. Dr. Marcus Stiglegger, Filmwissenschaftler. Forum, Sendung vom 28.08.2025

[2] Siehe u.a.  « De Schramberg à Paris en vélo – souvenirs de ma première rencontre avec « Notre – Dame de Paris » sowie « Mit Thomas E. Schmidt die Bundesrepublik der Babyboomer bereisen »

[3] Siehe u.a. „Ein persönlicher Rückblick auf sechzig Jahre Élysée-Vertrag“und « Blognotice 22.01.2013: pensées personnelles franco-allemandes sur le cinquantième anniversaire du Traité de l’Elysée »

[4] Siehe u.a. „Das Pfrimmhügelland: Von Weinbergen, Windrädern und Bauernkriegen: Eine Landschaft im Wandel – eine persönliche Blognotiz

[5] Zum geplanten Windpark Dirmstein siehe u.a. „Windpark Dirmstein – Ein Projekt von BayWa r.e.“ (Webpräsenz des Projektbetreibers)

[6] « Launching Area Quirnheim » dazu u.a. mehr in „Quirnheim – ehem. Atomwaffenstandort, Deutschland“ in Webpräsenz Atomwaffen  A – Z.

[7] Le Monde « Séries d’été, Isabelle Adjani, célèbre inconnue – Malgré ses quarante-cinq films, ses quinze pièces de théâtre et ses cinq Césars, la star du cinéma français reste une énigme. » Samuel Blumenfeld, August 2025.

[8] Siehe Inaturalist Beobachtung 276494790

[9] Siehe Inaturalist Beobachtung 315026479

[10] Siehe Inaturalist Beobachtung 314994187

Blognotiz 24.08.2025: Insomnialektüren und Déesse

Irgendwann in dieser Sommerwoche, wachte ich mitten in der Nacht auf und entdeckte den neuesten Beitrag in Schneckinternational – „Agde – Aout“. Wenn ich mal schlecht schlafe, was Gott sei Dank selten vorkommt, lese ich oder schaue aus meinem Schreibzimmer und betrachte den Nachthimmel. Sebastian Rogler schreibt in „„Agde – Aout“ über seine Ferieneindrücke in der Stadt Agde welche an der Mündung des Flusses Herault ins Mittelmeer liegt. Ein alter Citroën Bx fungiert als Titelbild und erinnert mich daran, dass ich irgendwann mal etwas über meine „Autos“ in paysages schreiben wollte. Also über die Autos die ich in meinem Leben schon gefahren habe und die dann auch Teil meines Lebens wurden. Hier in Grünstadt begegnet mir ab und zu eine alte „Déesse[1]“. Sie parkt öfter gar nicht so weit weg von meiner Schreibstube entfernt, quasi fußläufig in wenigen Minuten erreichbar. Sollte ich jemals einen größeren Betrag im Lotto gewinnen, würde ich mir auch so eine „Déesse“ kaufen wollen. Einfach so um durch die Landschaft zu fahren, durch Weinberge und Wälder. Aber dazu müsste man auch erst einmal Lotto spielen.

Ergänzend zu seinem Blogbeitrag hat S. Rogler auch in Facebook noch eine paar Urlausbsbilder aus Agde und Umgebung in veröffentlicht. Besonders beeindruckend ist das Photo „n’oublions jamais le progrom du 7 octobre 2023[2]. Ich bin mir nicht sicher, aber das müsste das « Hôtel de Ville » also das Rathaus des benachbarten  Béziers sein. Da kann man gemütlich mit den „Schiff“ auf dem Canal du Midi von Agde nach Béziers fahren. Oder mit dem Fahrrad entlang des alten Treidelsweges am Kanal entlang unter Platanen und Pinien die Landschaft zwischen beiden Städten erkunden.

Sebastian Rogler ist auch so ein „alter Blogger“ wie ich selbst  – er führt seinen Blog schon seit 2006, also seit bald zwanzig Jahren. Damit exitiert „Schneckinternational“ schon drei Jahre länger als das  Paysages Blog[3]. Das hat in unserer Zeit, in der fast nur noch über soziale Netzwerke kommuniziert wird „Seltenheitswert“ bzw. ist schon ein „Alleinstellungsmerkmal“. Vielleicht sollte Sebastian die Texte aus seinem Blog zu einem Buch machen. Ein Buch in dem man hier und da auch eines seiner Bilder und Photos abgedruckt findet. Ähnliches hat ja „Joe Bauer[4]“ auch mit seinen „Depeschen“ und „Kolumnen“ gemacht und diese u.a. im Buch „Einstein am Stuttgartstrand – Beobachtungen eines Stadtspaziergängers“ veröffentlicht. Den „Einstein am Stuttgartstrand“ habe ich durch eine Buchkritik von Julia Schröder im Radio entdeckt und anschließend mit Gewinn gelesen[5]. Am 4. September 2026, also in einem Jahr und ein paar Tagen wird Schneckinternational zwanzig Jahre alt – der Blog startete mit dem Beitrag „Schuhe“. Das wäre doch Anlass genug, ein schönes Buch aus den lesenswerten Texten von Sebastian Rogler zu machen. Ich wäre bestimmt Käufer und Leser eines solchen Buches.

Bibliographie:

Bauer, Joe (2024): Einstein am Stuttgartstrand. Beobachtungen eines Stadtspaziergängers. Berlin : edition TIAMAT, © Verlag Klaus Bittermann 2024, Critica Diabolis, 333 ISBN 978-3- 893-20-320-8

Christophe Neff, Grünstadt 24.08.2028


[1] Déesse (franz. Göttin) so wird im Französichen oft die Citroën DS bezeichnet.

[2] Zum 7 Oktober 2023 siehe u.a. „Souvenirs des chants d’Israël, « La Caravane des Cavaliers  (Chayreth Harochvim) »“  und „Paysages: Retour sur le 07 octobre 2023 –  „Stand with Israel!““. Im letzteren Beitrag findet sich auch ein Photo eines Bildes von Sebastian Rogler.

[3] Den Paysagesblog gibt es nun schon seit 16 Jahren. Siehe auch « Paysages – seizième année d’existence sur la toile donc déjà six ans sur wordpress.com (billet trilingues français, allemand, anglais) »

[4] Webpräsenz von Joe Bauer.

[5] Siehe u.a. „Buchkritik Joe Bauer – Einstein am Stuttgartstrand. SWRKultur Julia Schröder Buchkritik“, SWRKultur, 3.2.2025.

Das Pfrimmhügelland: Von Weinbergen, Windrädern und Bauernkriegen: Eine Landschaft im Wandel – eine persönliche Blognotiz

Blick auf die Pfeddersheimer Bluthohl, © Christophe Neff, 14.08.2025

Fahrtpause – meine regelmäßigen Fahrten ans Klinikum Worms werden sofern nicht wieder unvorhergesehene Komplikationen auftreten, für einige Wochen pausieren. Im späten Herbst wird es wieder soweit sein und ich werde meine Fahrten dorthin fortsetzen. Die Rebhänge werden ihr Laub verloren haben und die Herbstnebel werden vom Rhein aus das Pfrimmtal „fluten“ und ich werde wieder den Weg nach Worms zur „Tumornachsorge“ antreten[1]. Was die postoperativen Komplikationen betrifft, bin ich ja ein „gebranntes Kind“, aber letztlich gehört das eben auch zum Krankheitsbild der „Maladie de Mitterrand[2].

Vor der saisonalen Fahrtpause bin ich dann auch doch nochmals zweimal durch die „Pfeddersheimer Bluthohl“ gefahren und habe dort dann auch ein paar Bilder gemacht. Durch die geschichtsträchtige „Pfeddersheimer Bluthohl“ wollte ich ja schon längst gefahren sein, aber letztlich habe ich dies erst diese Woche verwirklicht [3] .

Man könnte auch vom Klinikum Worms direkt dorthin laufen – es ist eigentlich nur ein etwas längerer Spaziergang. Kürzere Spaziergänge habe ich ja schon einige rund um das Klinikum gemacht. Dabei habe ich am Rand eines Weinbergs einmal im März 2017 ein kleines, spontanes Vorkommen des Balkan-Windröschens (Anemone blanda) entdeckt[4]. Allerdings ist dieses Vorkommen am Fundort inzwischen verschwunden.

Was mich etwas wundert, ist, dass es über die Bluthohl keinen eigenen Wikipedia-Artikel gibt, – man findet nur eine kleine Notiz über die Bluthohl im deutschsprachigen Wikipedia-Artikel über die Schlacht bei Pfeddersheim. Genau so erstaunlich finde ich es, dass es über die Landschaftseinheit „227.51 Unteres Pfrimmhügelland[5]“, – also eine Untergliederung der ursprünglichen Naturräumlichen Gliederung Deutschlands die man heute „Naturräumliche Großregionen Deutschlands“ bezeichnet, auch keinen Wikipedia-Artikel gibt. Über die nicht weit davon entfernte „Unterhaardt“ (220.0 Unterhaardt), in der ich selbst lebe hatte ich vor Jahren mal einen Wikipedia-Artikel angelegt.

Bluthohl Ortseingang Pfeddersheim, © Christophe Neff, 14.08.2025

Als ich vor ein paar Tagen beim ersten Mal von Mörstadt kommend durch die Bluthohl fuhr begegnete ich bei der Posthohl einem Schwarm Bienenfresser und später sah ich die orangenen Fahnen die Bluthohl säumen. Fahnen die an die Schlacht von Pfeddersheim vor fünfhundert Jahren hier auf diesem Lössriedel, der durch den Hohlweg von Mörstadt nach Pfeddersheim von Nord nach Süd getrennt wird, erinnern sollen. Blutrot das Relief des mittelalterlichen  Pfeddersheim, schwarze und roten Sensen, in der schwarze Sense ist wohl auch ein Bundschuh zu sehen – das meine ich auf den Fahnen erkennen zu können. Auch vom Auto aus. Ich musste dabei auch an Historikerin Lyndal Roper denken als ich die Fahnen sah. Lyndal Roper hat ja einen Großteil der historischen Wirkungsstätten des Bauernkriegs mit dem „Fahrrad“ erkundet und so die historischen Landschaften des Bauernkrieges regelrecht „begriffen“. Ich hatte im vergangenen Herbst ja eine recht interessante Radiosendung über Roper und mir ihr in SWRKultur gehört[6]. Irgendwann wollte ich eigentlich ihr Buch über den Bauernkrieg lesen, – aber ich konnte mich nicht entscheiden ob ich das englische Original oder die deutschsprachige Übersetzung lesen sollte. Da ich diese Woche ja mehrere Termine im Klinikum Worms hatte, bin ich dann nochmals durch die Bluthohl gefahren, – diesmal hatte ich meine kleine Arbeitskamera dabei, eine Panasonic DMC-TZ71 Reisekamera mit Leica-Objektiv, die meines Erachtens immer noch bessere Bilder liefert als meine Smartphone-Kamera. Die Bienenfresser sind verschwunden, aber bei meiner kleinen Photoerkundung, begegneten mir einige Halsbandsittiche. Diesen grünen Vögel kann man ja auch rund ums Klinikum Worms begegnen.

Pfeddersheimer Bluthohl Denkmal, © Christophe Neff, 14.08.2025

Am Ortseingang von Pfeddersheim gibt es auch einen Gedenkstein, der an den Bauernkrieg und die Schlacht von Pfeddersheim erinnert. Auf einer kleinen Tafel findet man folgende Inschrift „Gedenkstein zur Erinnerung an die Bauernschlacht bei Peffedersheim am 23/24. Juni 1525. Im Kampf gegen das Heer der Fürsten um mehr Freiheiten und Rechte verloren im Bereich dieses Standortes mehrere tausend Bauern ihr Leben. Der ansteigende Hohlweg wird daher im Volksmund noch immer als Bluthohl bezeichnet. Errichtet im Juni 2000 vom Arbeitskreis für Kultur – Landschaftpflege Wo.-Pfeddersheim. Entwurf und Gestaltung Simon Knab. Pfeddersheim. Unterstützt vom Bauern und Winzernverein Pfeddersheim, Interessengemeinschaft Pfeddersheimer Winzer, Gisela Katzenwadel-Hils, Stergios Molotsios, Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, sowie zahlreichen Firmen und Pfeddersheimer Mitbürgern“.  Vom Gedenkstein kann man nach Westen auf den Hohlweg der sich sich durch den Lößriedel nach Mörstadt erstreckt blicken, in der Ferne sieht die Flügel von Windrädern drehen. Der Hohlweg wird links und rechts von den gelben Erinnerungsfahnen gesäumt. Man schließt die Augen und hört die Schreie der Verwundeten, das Wehklagen der Sterbenden, – und sieht das Blut der Gefallenen durch den Hohlweg auf einen zukommen. Tausende Bauern sollen dort gefallen sein. Eigentlich weiß ich viel zu wenig über den Bauernkrieg. Das Buch von Lyndal Roper über den Bauernkrieg sollte ich schon eines Tages lesen. Die gelben Fahnen die den „Hohlweg“ nach Mörstadt säumen und an die Opfer der Schlacht von Pfeddersheim erinnern sollen, halte ich für sehr gelungen. Ich überlege mir auch ob die Flurbezeichnung „an der Stahlgasse“ etwas mit dem Bauernkrieg zu tun hat, oder ob diese Flurbezeichnung einen anderen historischen Hintergrund hat. Im Sommer des Jahres 2025 sind es die Windräder, die gelben Fahnen  die an die Schlacht von Pfeddersheim erinnern und das „Rebenmeer“ , die eindeutig die Landschaft des „unteren Pfrimmhügelland“ zwischen Worms und Monsheims prägen.

Pfeddersheimer Bluthohl, Blickrichtung Mörstadt mit Windkraftwerk, © Christophe Neff, 14.08.2025

Welche Landschaft wird den interessierten Betrachter dort auf den Lössriedel zwischen Worms und Monsheim in fünfhundert Jahren erwarten? Wird es noch Weinbau geben? Was wird wohl aus den zahlreichen Windrädern werden? Und wer wird sich noch tausend Jahre nach der Schlacht von Pfeddersheim an den Bauernkrieg erinnern – an die vielen Tausenden, die hier auf den Lößriedeln westlich und östlich der „Pfeddersheimer Bluthohl“ ihr Leben ließen, weil sie auf ein besseres Leben mit etwas mehr Freiheit hofften ?

Bibliographie:

Obwohl ich das Buch bis her nie in der Hand hatte, hier anbei die Bibliographischen Angaben des  Buches von Lyndal Roper „Für die Freiheit: der Bauernkrieg“. Wobei mir der englische Originaltitel des Buches weit besser gefällt – „Summer of Fire and Blood – The German Peasants‘ War“.

Roper, Lyndal (2024): Für die Freiheit : der Bauernkrieg 1525 / Lyndal Roper ; aus dem Englischen von Holger Fock und Sabine Müller. S. Fischer Verlag. ISBN 978-3-10-397475-1

Roper, Lyndal (2025): Summer of fire and blood : the German Peasants‘ War. London, Basic Books, ISBN 978-1-3998-1802-5

Photos: © Christophe Neff, 14.08.2025

Christophe Neff, Grünstadt August 2025 (15.08.2025)

P.S. (16.08.2025): Die im Text erwähnten Fahnen sowie der „Gedenkstein zur Erinnerung an die Bauernschlacht“ (s. o. im Fließtext) wurden von Simon Knab, dem stellvertretenden Vorsitzender der Kulturinitiative Pfeddersheim, entworfen.


[1] Siehe auch „Blognotiz 24.11.2024: Worms im Nebelmeer

[2] Siehe auch « Cahiers de maladie (Cancer de la prostate) » und « Wintersonnenwende 2024 »

[3] Siehe auch „Blognotiz 31.07.2025: der Juli geht zu Ende und die Mauersegler sind schon fortgezogen“.

[4] Im Frühjahr 2017 war ich zur Behandlung der Folgen eines kryptogenen Schlaganfalls im Klinikum Worms untergebracht , siehe u.a. auch „Blognotice 17.03.2017: Il y avait une fois un train direct Worms – Paris via la Zellertalbahn“.

[5] Siehe auch „227.51 Unteres Pfrimmhügelland“, Landschaften in Rheinland-Pfalz, Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität.

[6] Siehe „Lyndal Roper – Für die Freiheit. Der Bauernkrieg 1525“, SWRKultur Gespräch, 22.11.2024

Blognotiz 31.07.2025: der Juli geht zu Ende und die Mauersegler sind schon fortgezogen

Der Juli geht zu Ende. Die Mauersegler haben Grünstadt auch schon verlassen. Ich beobachte die Segler schon seit Coronazeiten, nicht nur die Mauersegler, sondern alle Vögel die über dem Stadthimmel von Grünstadt die ich eindeutig erkennen kann. Aber die Präsenz der Mauersegler in Grünstadt verleitete mich dazu, eine Art täglicher Vogelliste zu führen. Ich führe sie noch heute und weiß daher recht genau, in welchem Zeitraum die Mauersegler den Grünstadter Himmel bevölkern. Aus meinem Interesse an den „Seglern“ habe ich mir in dieser „Mauerseglersaison“ das schöne und auch sehr informative Buch „Mauer- und Alpensegler“ von Alfred Engler gekauft[1]. Die letzten Mauersegler im Grünstadter Stadthimmel in diesem Jahr 2025 habe ich dann auch am Montag den 29.07.2025 beobachtet. Wahrscheinlich wird man in diesem Jahr hier in Grünstadt keine Mauersegler mehr sehen.

Den Fortgang der Jahreszeiten kann ich auch auf meinen regelmäßigen Fahrten ins Klinikum Worms beobachten. Die Maladie de Mitterrand[2] und die ganzen Komplikationen, die sich aus der Behandlung dieser Krankheit ergeben, bedingen es, dass ich regelmäßig dorthin ins Klinikum fahre. Mit dem Auto kann man die Strecke bequem „erledigen“, wenn sein muss auch mehrmals am Tag. Meistens fahre ich über Pfeddersheim durchs Pfrimmtal, manchmal auch „außenherum“ über Flörsheim-Dalsheim. Wenn ich eine „GoPro“-Kamera hätte, könnte ich eine jahreszeitliche Videolandschaftsanalyse über meine Wegstrecken von Grünstadt ins Wormes Klinikum vice versa machen. Jetzt ist der Hochsommer da, die Mähdrescher sind schon gefahren, und die Getreidefelder sind abgeerntet. In Pfeddersheim gibt es auch die Pfeddersheimer Bluthohl, also die Straße nach Mörstadt. So könnte ich auch mal fahren. Vor 500 Jahren tobte hier im Juni 1525 im Bauernkrieg die Schlacht bei Pfeddersheim. Aber der Bauernkrieg ist schon längst aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. In der Schlacht von Pfeddersheim sind wohl soviele Menschen zu Tode gekommen, dass das Blut der Gefallenenen die Straße nach Mörstadt mit Blut füllte, – daher kommt wohl der überlieferte Name „Pfeddersheimer Bluthohl“.

Ich könnte auch mit dem Zug fahren. Aber das wäre ein erheblich zeitintensiverer Vorgang. Umsteigen in Bahnhof Monsheim und vom Bahnhof mit dem Bus ans Klinikum. Zweimalige ambulante Termine am Tag sind nur so schwer machbar – bzw. man muss den Tag dann am Klinikum Worms verbringen. Früher gab es auch in Worms mal eine Straßenbahn, sowie es auch einmal eine direkte Bahnverbindung Grünstadt – Worms gab. Mit etwas Phantasie könnte man sich vorstellen, dass man in Worms wieder ein modernes Straßenbahnnetz kreiert und diese neue Wormser Straßenbahn auch ans Klinikum fahren lässt. Die stillgelegte Bahnstrecke nach Grünstadt könnte man auch wieder reaktivieren und einen „Tram-Train“ nach Karlsruher Modell von Grünstadt in die Wormser Innenstadt und ans Klinikum fahren lassen. Das ließe sich auch mit anderen Destinationen verwirklichen. Aber das wird natürlich nie kommen, genauso wie die „Flomersheimer Kurve“, die Direktzüge ohne Umsetzen des Zuges in Frankenthal von Grünstadt nach Ludwigshafen oder Mannheim erlauben würde, wahrscheinlich nie kommen wird[3]. Ohne Umsetzmanöver (Fahrtrichtungswechsel) in Frankenthal wären direkte Eisenbahnverbindung von Grünstadt nach Mannheim in ca. 40 Minuten durchaus machbar. Nur leider fehlt der politische Wille das auch umzusetzen !

Soweit ich irgendwann wieder meine Arbeit am KIT aufnehmen kann, werde ich wohl wieder mit dem Auto fahren müssen. Und schon vor der Diagnose der Mitterrandschen Krankheit im Winter 2024 fielen mir die Autofahrten zum KIT immer schwerer. Die Verkehrsdichte hat auf dem südwestdeutschen Strassennetz in den letzten so erheblich zugenommen.  Und dann gibt es ja noch die Zellertalbahn, deren Reaktivierung von Jahr zu Jahr verschoben wird[4]. Wenn dann, wie geplant, im Jahre 2028 die Bahnstrecke Mannheim – Saarbrücken wegen der „Generalsanierung“ fünf Monate voll gesperrt wird, könnte man die wieder reaktivierte Zellertalbahn sehr gut als Ausweichstrecke für die gesperrte Bahnstrecke Mannheim – Saarbrücken nutzen. Aber das scheint sowieso niemanden zu interessieren.

Und überhaupt haben wir nach der Hitzeperiode Ende Juni/Anfang Juli – eine Hitzeperiode, die ich im Artikel „Mittwoch, 02.07.2025: ‚Canicule‘ Grünstadt – Sausenheim 16:00 Uhr 38,1 Grad“ thematisierte – wieder einen ganz normalen, sehr niederschlagsreichen mitteleuropäischen Sommer, wie er in meiner Kindheit und Jugend durchaus normal war. Damit sind die Herausforderungen, die uns durch den Klimawandel drohen, fürs Erste für einige Zeit schlichtweg vergessen. Mehr Verkehr von der Straße auf die Bahn bzw. das Binnenschiff zu bringen, das nannte man „klimaökologische Verkehrswende“, und das wollte man vor Urzeiten, als die berühmte Ampel noch regierte, in Bewegung bringen. Übrig geblieben aus diesen Zeiten ist davon das „Deutschlandticket“ – aber das wird wahrscheinlich auch bald das Opfer von alternativlosen Spar- und Budgetzwängen werden.

Was mich in diesen letzten Juliwochen auch sehr beschäftigt hat, ist die Lage in Gaza. Die Bilder aus Gaza erinnern mich an die Bilder aus dem Biafrakrieg in meiner Kindheit. Ich habe darüber in den letzten Tagen zwei Blogbeiträge auf Französisch verfasst: „Ces images insoutenables qui me rappellent les souvenirs des enfants du Biafra“ und „Blognotice 30.07.2025: et encore les souvenirs du Biafra se mêlent aux images de la famine à Gaza“. Ich hatte mir erst überlegt, das auch noch ins Deutsche oder ins Englische zu übersetzen, aber inzwischen denke ich, dass DeepL – oder auch Le Chat AI von Mistral – so gute Übersetzungen liefert, dass ich mir das auch sparen kann. Diejenigen die sich für den Inhalt der Artikel interessieren und deren Französischkenntnisse nicht für die Lektüre dieser Artikel ausreicht die werden dann einfach diese KI unterstützten Übersetzungstool nüzten.

Heute veröffentlichte der ehemalige französische Premierminister Dominique de Villepin in der Tageszeitung Le Monde einen aufrüttelnden Aufruf: „Dominique de Villepin: ‚Nous avons le devoir moral absolu de nous opposer à cette folie meurtrière à Gaza‘“[5]. Man wünschte sich, dass dessen Appell auch in Deutschland gelesen und wahrgenommen wird. Als Abonnent der Wochenzeitung Die Zeit würde ich mir wünschen, dass „Die Zeit“ den Text von Dominique de Villepin übersetzt und publiziert.

Abschließend noch: Aus dem Zimmer in Grünstadt, in dem ich gerade meinen Blogbeitrag schreibe, kann man nicht nur „Vögel“ über dem Stadthimmel von Grünstadt beobachten, sondern, wenn man ein Fernglas benutzt, auch ganz deutlich den Wormser Dom sehen.

Bibliographie:

Engeler, Alfred (2025): Mauer – und Alpensegler. Flugakrobaten ohne Grenzen. Bern, © 2025, Haupt Verlag Bern, ISBN 978-3-258-08410-7

Christophe Neff, Grünstadt, 31.07.2025


[1] Über die Mauersegler und andere Segler wie z.b. Fahlsegler berichtet ich auch im Paysagesblog schon mehrfach wie z.B. in „Blognotice 18.08.2024: de retour à Grünstadt“ und „Blognotice 20.10.2024 : Port Leucate octobre 2024

[2] Siehe auch „Cahiers de maladie (Cancer de la prostate) »

[3] Siehe hierzu „Freitag 10 November 2023: Klimakleber vor dem KIT“.

[4] Zur Zellertalbahn in diesem Blog siehe auch „ Blognotice 17.03.2017: Il y avait une fois un train direct Worms – Paris via la Zellertalbahn“.

[5] Dominique de Villepin : « Nous avons le devoir moral absolu de nous opposer à cette folie meurtrière à Gaza »  – « Pour l’ancien premier ministre, se taire face à l’horreur de la situation dans l’enclave palestinienne n’est plus possible, le silence serait une forme de complicité. Chacun a le devoir d’agir et de nommer le crime en cours, affirme-t-il dans une tribune au « Monde ». Le Monde, 31.07.2025. Auch auf Englisch verfügbar « Dominique de Villepin: ‚We have an absolute moral duty to oppose this murderous madness in Gaza‚”

Mittwoch 02.07.2025: „Canicule“ Grünstadt – Sausenheim 16:00 Uhr 38.1 Grad

Screenshot der Wetterstation Grünstadt – Sausenheim vom 02.07.2025

Solche Temperaturen wie sie am Mittwoch 02.07.2025 in der Agrarmeteorologische Station Grünstadt Sausenheim gemessen wurden, um 16:00 Uhr 38.1 Grad  habe ich in Mitteleuropa nur selten erlebt. Wobei in der von der Agrarmeteorologie Rheinland-Pfalz betrieben Wetterstation schon höhere Temperaturen gemessen wurden. Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass ich hier in Grünstadt noch nie so hohe Temperaturen erlebt hatte und wir wohnen schon seit Frühsommer 1999 in Grünstadt. Am 26.08.2016 wurden hier in Grünstadt-Sausenheim 40,6 Grad gemessen. In beiliegender Tabelle habe ich die Temperaturmaxima der letzten zehn Jahre der besagten Wetterstation sowie die Anzahl der Hitzetage, also der Tage über 30 Grad eingetragen.

JahrTemperaturDatumHT
2025[1]38,102.07.202511
202434,913.08.202418
202335,409.07.202318
202237,304.08.202230
202124,718.06.20217
202035,509.08.202017
201938,425.07.201925
201835,431.07.201827
201734,719.07.201716
201640,626.08.201621
20153907.08.201529

T.1 Jahrestemperaturhöchstwerte und Anzahl der Hitzetage der Klimastation „Grünstadt-Sausemheim“ (Agrarmeteorologie Rheinland-Pfalz )zwischen 2015 und 5 Juli 2025.

Ich bin zwar kein Klimatologe, aber man wird schon sagen können, dass Grünstadt und die Unterhaardt, wohl durchaus zu den Regionen in Deutschland gehört, in denen überaus hohe Sommertemperaturen erreicht werden, Temperaturen die durchaus denen im Mittelmeerraum ähneln. Weshalb ich diese vergangen Hitzeperiode Ende Juni/Anfang Juli als so belastend empfunden habe, weiß ich nicht so genau. Vielleicht liegt es am Alter, vielleicht auch an den mit der „Maladie de Mitterrand“ einhergehenden Komplikationen[2]. Solche Hitzeperioden kannte ich natürlich schon aus dem mediterranen Südfrankreich oder auch aus meinen „années Tunisiennes“ also meiner beruflicher Tätigkeit in Tunesien[3]. Rückblickend muss ich sagen, dass abgesehen davon, dass ich diese Hitzeperioden erheblich besser wegsteckte, bzw. ich früher dieses „trockene“ Hitze sogar richtig mochte, – das lag bestimmt auch daran, dass ich wesentlich jünger war. Aber das alltägliche Leben war dort in Südfrankreich rund um Nîmes auch der Hitze angepasst, die Wohngebäude auch ohne Klimaanlagen im Sommer kühl.  Das Landleben im Hochsommer rund um das kleine Dorf Aubord in der Ebene der Vistrenque südwestlich von Nîmes in der meine Großeltern lebten, spielte sich in den frühen Morgenstunden ab[4]. Die  Feldarbeit begann mit dem Sonnenaufgang und dauert bis in die Mittagsstunden danach war erst mal „Sieste“ – die Mittagsruhe. Danach wachte das Leben erst in den wieder Abendstunden auf. Selbst in der Großstadt „Nîmes“ waren im Hochsommer die Straßen und Plätze in den 1970er und auch in den 1980er Jahren fast menschenleer. Doch die Landarbeit in Südfrankreich rund um Nîmes hat sich auch gewandelt, wie unlängst eine Reportage von „  Agathe Beaudouin“ im Le Monde „Dans le Gard, les ouvriers agricoles face à la canicule : « Plus il fait chaud, plus il faut ramasser les fruits[5] » zeigte, – nur an besonders heißen Tagen wird nur bis 14 Uhr 30 gearbeitet. Und der Großteil der Erntearbeiter kommt aus dem Ausland, hauptsächlich aus Ecuador und Kolumbien. Weiterhin besaßen meine Großeltern ja auch eine Ferienwohnung in der von Georges Candilis in den 1960er Jahren entworfenen Ferienanlage Port Leucate. Sie hatten sich diese Ferienwohnung als sie in Eckbolsheim wohnten als „Sommerfrische“ in den 1960er Jahren gekauft um der Sommerschwüle im Großraum Strasbourg zu entkommen[6]. Und tatsächlich war die Griffouliere[7] so verschattet gebaut, dass es auch im Hochsommer immer angenehm kühl war. Und soweit es Port Leucate betrifft, waren die Tageshöchsttemperaturen bei der diesjährigen „Canicule“ an der Klimastation von Meteo France[8] auf dem Cap Leucate doch erheblich geringer als die in Wetterstation Grünstadt Sausenheim gemessenen Temperaturwerte.

Der Klimawandel wird uns hier auch hier in Mitteleuropa vor gewaltige Herausforderungen stellen. Vor der Gefahr zunehmender Waldbrände durch den Klimawandel warne ich ja schon seit Jahrzehnten. Aber was mir selbst bis vor einigen Jahren nicht so richtig klar war ist, dass unsere Gebäude, Schulen, Altenheim, Krankenhäuser nicht für solche hohen Temperaturen ausgelegt sind. So frage ich mich, ob man bei der Modernisierung des Kreiskrankenhaus Grünstadt an den Klimawandel, den Anstieg der Temperaturen im Sommer, den Hitzeschutz mitbedacht hat [9] ? Die durch den Klimawandel häufiger werdenden Hitzewellen werden die Frage des Hitzeschutzes und auch der Notwendigkeit von Klimanlagen in Krankenhäusern, Altenheimen und Schulen neu diskutiert werden müssen. Canicule ist übrigens das französische Wort für Hitzewelle. In Frankreich werden die Hitzewellen seit 1947 inventarisiert, – die Hitzewelle die Grünstadt die 38.1 Grad bescherte war übrigens die fünfzigste  seit 1947 in Frankreich[10].  Soweit ich informiert bin fehlt so eine Statistik für Deutschland.

Aus der französischen Statistik lässt sich entnehmen, dass die Frequenz, die Dauer und die Intensität der „Canicule“ immer mehr zunimmt[11]. Ich gehe mal davon aus, dass das in Deutschland ähnlich sein wird, auch wenn ich dazu so nichts finden konnte, außer der kleinen DWD-Notiz „Markante Hitzewellen seit 1950“ aus dem Jahr 2017. Sehr informativ fand ich in diesem Zusammenhang den Aufsatz von Claudia Winklmayr et al „Heat in Germany: Health risks and preventive measure[12] aus dem Jahr 2023.

Die Herausforderungen, die der Klimawandel für Mitteleuropas mit sich bringt gehen weit über den Hochwasserschutz oder die Erhöhung „Waldbrandrisiken“ mit denen ich mich auch beruflich befasst habe  hinaus[13],[14]. Im letzten Jahr betreute ich beispielsweise eine Abschlussarbeit über die Einsatzmöglichkeiten von amphibischen Löschflugzeugen zur Waldbrandbekämpfung in Baden-Württemberg[15]. Mir scheint, dass vor allem die Risiken für Daseinsvorsorge und Gesundheit in Deutschland noch nicht richtig zur Kenntnis genommen werden. Und überhaupt scheinen die Risiken, die der Klimawandel für Deutschlands Zukunft bergen bei der aktuellen Bundesregierung kaum präsent zu sein, – sie werden förmlich in den Hintergrund gedrängt. Das ist wirklich besorgniserregend! Wie ich es schon im Beitrag „Klimakleber vor dem KIT“ im November 2023 schrieb – dass ich jemals mit der Bahn ans KIT pendeln werde – erschien schon damals utopisch – jetzt mit der neuen Bundesregierung wird es quasi unmöglich gemacht. Eine klimagerechte Verkehrs- & Energiepolitik scheint mit dieser Bundesregierung in weite Ferne gerückt[16]. Das Wort „Klimaresilienz“ scheint für die aktuelle Bundesregierung ein unbekanntes Fremdwort zu sein[17]. Man wird sich an Hitzeperioden, Waldbrandgeruch in der Luft, Hochwasserszenarien gewöhnen müssen. Und letztlich wird man auch nicht darum herum kommen Klimaanalagen in Krankenhäuser[18], Schulen und Altenheimen einzubauen. Und zwar unabhängig davon wer gerade den Kanzler stellt,  welche Parteien die Bundesregierung stellen.

Christophe Neff, Grünstadt im  Juli 2025

P.S. 06.07.2025 20:15 : Auch wenn ich die Radiosendung „Wie wirkt sich der Klimawandel auf unsere Gesundheit aus? – Extremes Wetter, wie beispielsweise eine Hitzewelle, wirkt sich auf die Gesundheit des Menschen aus. Alina Herrmann untersucht gesundheitliche Folgen und Präventionsmaßnahmen.“ auf SWR-Kultur erst nach dem Erstellen dieses Blogbeitrages gehört habe, denke ich, dass diese Radiosendung den von mir verfassten Text sehr gut ergänzt.


[1] Werte 2025 bis einschließlich Freitag, 04.07.2025.

[2] Maladie de Mitterand = in Frankreich zumindest in der „Generation Mitterrand“ gängige Bezeichnung für Prostatakrebs, siehe u.a. „Wintersonnenwende 2024“ und „Cahiers de maladie (Cancer de la prostate)“.

[3] Siehe u.a « Impressions du « Deuxième Symposium International de l’AGT : « Territoires, Changements globaux et Développement Durable», 12-17 novembre 2018, Hammamet –Tunisie » » und « Les belles de Tunis sont en deuil » sowie « Villa Jasmin – quelques pensées personnelles en vagabondant sur le téléfilm de Férid Boughedir ».

[4] Die Bedeutung vom Sommerreisen zu den französischen Großeltern für Menschen mit deutsch-französischem Hintergrund ist sehr schön dargestellt in Nils Minkmar’s Blogbeitrag „Die große Pause“.

[5] Siehe Agathe Beaudouin « Dans le Gard, les ouvriers agricoles face à la canicule : « Plus il fait chaud, plus il faut ramasser les fruits  – Dans le département du sud de la France, en vigilance orange ce week-end, la récolte des fruits bat son plein. Les journées commencent le plus tôt possible pour éviter la chaleur, mais le travail reste harassant. », Le Monde, 29.06.2025.

[6] Siehe u.a. „Se ressourcer – auftanken, – über versteckte Orte in der Zeit vom 14. Juli 2022 – und andere Ferne und Nahe „Aufladestationen““.

[7] Wohnviertel in Port Leucate, – mit dem Kyklos, den Clapotis einer der ersten Ferienwohnanlagen von Port Leucate.

[8] Die Messwerte der Meteo-France Klimastation „Cap Leucate“ lassen sich hier auf dem Site von Infoclimat einsehen.

[9] Siehe u.a.:  Christopher Lennart Vogel „Krankenhaus-Sanierung: Kreistag gibt grünes Licht – Das Kreiskrankenhaus Grünstadt soll umfassend modernisiert werden. Der Kreistag hat der Planung am Montag zugestimmt. Wird so die Gesundheitsversorgung im Landkreis gesichert?“. Die Rheinpfalz, 27. Mai 2025.

[10] Siehe auch « Canicule : 84 départements en vigilance orange, l’« épisode caniculaire intense » s’étend sur toute la France. Les températures pourront dépasser localement les 40 °C durant cette vague de chaleur. Son « paroxysme » est attendu en milieu de semaine, avec « des minimales très élevées, comprises entre 20 °C et 24 °C », dit Météo-France. », Le Monde, 30.6.2025.

[11] Siehe u.a. « Changement climatique : quel impact sur les vagues de chaleur ? », Meteofrance 15.06.2025

[12] Winkelmayer, C. et al. (2023): Heat in Germany: Health risks and preventive measures. Journal of Health Monitoring · 2023 8(S4), DOI 10.25646/11651 , Robert Koch Institute, Berlin

[13] Hieranbei die ersten Blogartikel von Paysages zum Zusammenhang von Klimawandel und Zunahme von Waldbrandrisiken „Feux de forêts et lectures de paysages méditerranéens: (Écologie et biogéographie des forêts du bassin méditerranéen ; The Nature of Mediterranean Europe – an Ecological History ; Le feu dans la nature – mythes et réalité)”, « 1949 – l‘incendie meurtrier dans la Forêt des Landes », « The Fatal Forest Fire – remembering the “1949 Mega fire” in the „Forêt des Landes” (South West France) ».

[14] So setzte ich mich schon seit „Jahrzehnten“ für den Einsatz von amphibischen Löschflugzeugen zur Waldbrandbekämpfung in Deutschland ein. Siehe u.a. „Neff, C. (2010): Waldbrände in Mitteleuropa – Bestandsaufnahme und Zukunftsszenarien. Was kommt auf die Feuerwehren im Lkr. Rottweil zu? (DOI: 10.5445/IR/1000149170, KITopen) , „Sommer 2015 – zur Waldbrandgefahrenlage in der Raumschaft Schramberg (17.08.2015)“ sowie das Interview „Drohen uns Waldbrände, die Pfälzer Siedlungen verschlingen?“ vom 28.06.2022 in der Rheinpfalz.

[15] Vgl. Volk, Steffen (2024): Einsatzpotentiale von amphibischen Löschflugzeugen in Baden-Württemberg. Bachelorarbeit, Bachelor of Education, Geographie, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), (Betreuung Dr. C. Neff & Dr. C. Mager KIT-IFGG), DOI: 10.5445/IR/1000185792 (KITopen).

[16] Hierzu auch der Spiegel Kolumnist Christian Stöcker : „Die Welt verändert sich gerade in wachsendem Tempo, und zwar in beängstigender und rettender Weise gleichzeitig. Eine Bundesregierung, die beides aktiv ignoriert und auf die Technik von vorgestern setzt, tut auch der deutschen Wirtschaft keinen Gefallen. Sie legt die Weichen für den Zug Deutschland um in Richtung Abstellgleis.“ „Energiepolitik unter Friedrich Merz Schwarz-rot regiert für eine Parallelrealität“, der Spiegel, 06.07.2025.

[17] Siehe hierzu: Petra Pinzler & Bernd Ulrich „Wie ausgestorben Die Regierung schreibt die Umwelt- und Klimapolitik ab. Sie schadet damit der Bevölkerung – und sich selbst.“ Die Zeit, Nr. 28/2025, Aktualisiert am 5. Juli 2025.

[18] Siehe hierzu auch:  Philipp Kollenbroich „Hitzeschutz Warum sind deutsche Intensivstationen nicht klimatisiert? Hitze wird häufiger und intensiver. Räume zu kühlen, könnte Leben retten. Doch die Technik wird in Deutschland geschmäht.“ Der Spiegel, 32/2024, 03.08.2024.

Zum Welttag des Tagebuches am 12. Juni 2025

Am Morgen, des Donnerstag 12 Juni erfahre ich im Radio, dass es einen Welttag des Tagebuches gibt (Kurzform Tag des Tagebuchs)[1]. Also zwei Tage nach meinem 61. Geburtstag. Tagebuch schreibe ich schon seit gefühlten Ewigkeiten, ich würde mal sagen, so ca. 45 Jahre. Über das Tagebuch schreiben hatte ich auch schon vor ein paar Wochen im Beitrag „Blognotiz : Palmsonntag 13.04.2025“ ein paar Zeilen verfasst. Abgesehen davon, dass ich selbst Tagebuch schreibe, hatte ich mich schon immer fürs Tagebuchschreiben interessiert, wusste dass es in Emmendingen ein deutsches Tagebucharchiv gibt[2], aber von einem Tag des Tagesbuches hatte bis zu diesem Donnerstagmorgen noch nie etwas gehört. Nach dem „Hören“ des besagten Tagebuchrundfunkbeitrags suchte ich nach einem Eintrag „Welttag des Tagebuches“  bzw. „Tag des Tagebuch“ in der deutschen Wikipedia, aber da scheint dieser Tag doch noch nicht vorhanden zu sein. Eine Suche auf Französisch unter „Journée mondiale du journal intime“ führt auch zu keinem besseren Ergebnis. Hingegen finde ich bei Weka France einen Hinweis auf eine „Journée mondiale du blog 2025“, also sozusagen einen Welttag des Blogs. Auch auf Englisch konnte ich unter „World Diary Day“ nichts Verwertbares finden.

Der Tag des Tagebuches bzw. der Welttag des Tagebuches scheint wohl nur im deutschen Sprachraum bekannt zu sein. Er soll an den 12 Juni 1942 erinnern, als Anne Frank von ihrem Vater ein Notizbuch erhielt und mit dem Tagebuchschreiben begann[3]. Dieses Notizbuch sollte die Grundlage des berühmten „Tagebuches der Anne Frank“ werden. Wer diesen Tagebuch Gedenktag, den man wohl nur im deutschsprachigen Raum kennt, initiiert hat, das konnte ich bei meiner kleinen Recherche nicht herausfinden. Ich habe das Tagebuch der Anne Frank zum ersten Mal wohl als „Unterstufenschüler“ gelesen, so in der 6. oder gar 7. Klasse. Das Buch hatte mich ziemlich aufgewühlt, aber zum Tagebuch schreiben hat es mich bestimmt nicht bewegt. Ich hätte es auch schon fast als verwerflich empfunden mich an Anne Franks Tagebuch zu orientieren.

Überhaupt – was bewegt einem zu Tagebuch schreiben ? Was hat mich als Mittelstufenschüler des Gymnasium Schramberg Anfang der 1980 Jahre, oder sogar früher, bewogen ein Tagebuch zu führen? Tagebuch, welches ich bis zum heutigen Tage mehr oder weniger regelmäßig bis zum heutigen Tag mit „Tagesnotizen“ fülle.

In meinem persönlichen Umfeld gab es meinen französischen Großvater Jean Migliori, der regelmäßig ein „Journal“ führte. Er notierte mit Akribie das lokale Wettergeschehen, – und kommentierte das Weltgeschehen. Das Weltgeschehen das war vor allem die Lektüre seiner geliebten Tageszeitung – dem Le Monde. Wetteraufzeichnungen, das Festhalten seines Gesundheitszustandes und die Kommentare zu einzelnen Artikel aus der „Le Monde“ – und hier und da ein paar Zeichnungen – das war sein Tagebuch. Manchmal las er mir auch abschnittsweise daraus vor. Und für uns seine deutsch-französischen Enkelkinder aus Schramberg-Sulgen en „Forêt –Noire“ hat er auch mal eine ganze Bildergeschichte gezeichnet[4]. Heute würde man das als eine Graphic Novel bezeichnen. Ich denke, dass zumindest bei mir das Tagebuch Schreiben meines Großvaters Jean Migliori einer der Beweggründe war, dass ich selbst eines führte. Und ich wurde durch die gemeinsame Lektüre des Monde zum Le Monde Leser, und irgendwann dann auch zum Abonnenten von Le Monde. Und dieser Blog begann ja auch im Mai 2009 als Abonnentenblog der Tageszeitung Le Monde[5] vor über 16 Jahren.

Und was den Blog paysages betrifft – angesichts der derzeitigen Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Amerika – muss ich leider feststellen – dass meine Befürchtungen, die ich in „Blognotice “27.10.2024” :  America where are you going ?“ niedergeschrieben hatte leider immer mehr zur Realität werden. Ich hätte es mir anderes gewünscht – und ich hoffe trotz allem, dass die USA immer noch eine Demokratie bleiben! Der aktuelle Spiegel, – hat den Entwicklungen in den USA – seine aktuelle Titelstory gewidmet „ Will man da noch hin“? Soweit die USA eine liberale Demokratie bleiben, würde ich bestimmt einmal dahin wollen. Als Kind und Jugendlicher habe ich ja immer von einer Reise in die USA geträumt. Aber zurzeit erscheint mir eine Reise unter der Präsidentschaft von Donald Trump weder wünschenswert noch durchführbar.

Am Tag des Tagebuch 2025 schrieb ich dann auch noch einen kurzen Tagebucheintrag. Ich verbrachte auch wieder viel Zeit bei der Hausärztin/meiner Urologin. Die Maladie de Mitterrand, – und die ganzen damit verbunden postoperativen Komplikationen bestimmen meinen Tagesablauf. So hatte ich mir das vor über einem Jahr, Ende Juni 2024 kurz vor der totalen Prostatektomie bestimmt nicht vorgestellt. Aber grundsätzlich habe ich ja eine gute Prognose, – und man muss trotz aller Widrigkeiten die einem Begegnen das Beste daraus machen. In Deutschland ist der Begriff „Maladie de Mitterrand“ quasi unbekannt, ich hatte schon im Winter darüber geschrieben[6]. Dafür hat die Diagnose Prostatakrebs durch Veröffentlichung der Prostatakrebsdiagnose des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Joe Biden auch in Deutschland einer erhöhte Medienaufmerksamkeit bekommen[7]. In diesem Zusammenhang fand ich den Artikel der Spiegeljournalistin Irene Berres „Prostatakrebs ertasten? Was Männer über Früherkennung wissen müssen“ besonders gelungen. Im Grunde genommen sollte jeder Mann über 40 diesen Artikel lesen.

Im Tagebucheintrag des 14 Juni findet sich auch eine Notiz über den Air India Absturz, also den Absturz des Air-India-Flug 171 am Morgen des 12. Juni. Ich musste da gleich an Kindheitstage denken, denn für mich war damals der Name Air India mit Flugzeugkatastrophen im Montblanc Massiv verbunden. Das war der Air-India-Flug 245, also die Lookheed-749A « Malabar Princess » die am dritten November 1950 am Rocher de la Tournette Montblanc Massiv zerschellte.  In Frankreich wurde dieses Flugzeugunglück „Accident du Malabar Princess“ genannt. Dieses Ereignis hat auch das kulturelle Gedächtnis Frankreichs geprägt, – so schrieb Henry Troyat den Roman „la neige en deuil“ – der dann die Vorlage für den amerikanischen Spielfilm „der Berg der Versuchung (the mountain)“ von  Edward Dmytryk mit Spencer Tracy in der Hauptrolle bildete. Mich hatte dieser Spielfilm, den ich auch als Kind mehrfach gesehen hatte schwer beeindruckt. Sechzehn Jahre später , am 24 Januar 1966, zerschellte dann eine weitere Air India Maschine im Montblanc Massiv, – es war der Air-India-Flug 101.

Am Welttag des Tagebuches habe ich auch noch ein bisschen gelesen, so wie ich es fast jeden Tag tue. Die Anfrangskapitel des Buches„Das Camembert-Diagramm – Ein etwas anderes Frankreich Porträt“  der Spiegel Journalistin Nadia Pantel. Das Buch ist eine Art neuer geographische Landeskunde im Sinne einer „Gastogeographie“ – „géographie gastronomique“ Frankreichs[8]. Das Buch entdecke ich durch den im Spiegel abgedruckten Auszug „Steak frites und Nationalismus“. Auch schon vor der Lektüre dieses interessantes Text war mir klar, dass Steak frites – und in manchen Gegenden Frankreich auch Moules frites den Charakter eines Nationalgerichtes haben. Ich selbst verbinde die beiden Gerichte auch mit der gastronomischen Geographie Frankreichs bzw. der Frankophonie da man ja Moules frites durchaus auch Belgien zuordnen könnte und beide Gerichte schmecken mir außerordentlich gut. Wobei man sagen muss, dass es immer noch schwer ist ein gutes Steak frites – und das Steak wohlgemerkt „saignat“ in Deutschland im Restaurant zu finden. Gleiches gilt auch für ein schönes Moules frites Gericht. Aber dazu könnte man auch hinzufügen, dass man außerhalb Schwabens in Deutschland keinen guten Wurstsalat finden kann[9]. Vielleicht schreib ich ja irgendwann etwas mehr über dieses interessante Buch von Nadia Pantel. Abschließend sollte man noch bemerken, dass es in der deutschsprachigen Wikipedia keinen Artikel über das Steak Frites gibt, – hingegen findet man ein kleines Artikelchen über die Moules frites.

Und dann las ich auch noch ein paar Seiten in „Marseille – Die große Flucht der Literatur“ des Publizisten Uwe Wittstock[10]. Das Buch hatte mir ein Freund vor der Prostataop geschenkt, – und ich hatte auch schon ein paar Seiten darin gelesen, – und nun habe ich es ein Jahr nach der OP endlich zu Ende gelesen. Es ist ein hervorragendes Buch, über das vielleicht auch einmal mehr schreiben sollte. Es ist ein Buch das auch meine eigene persönliche Familiengeschichte tangiert, ja das Tagebuch schreiben in einem gewissen Sinne berührt. Es waren die Ereignisse in Montoire, also die Entrevue de Montoire am 24.10.1940 die meine französischen Großeltern in die Résistance trieben[11]. Montoire das war der Beginn der Kollaboration zwischen Vichy – Frankreich und Nazi-Deutschland.  In Uwe Wittstocks Buch begegnet man den „Ereignissen von Montoire“ auf der Seite 231. Diese offizielle Kollabaration zwischen Vichy-Frankreich und Nazi-Deutschland empörten das Volkschulslehrerehepaar Jean Migliori und Germaine Migliori née Monasse so sehr, dass Sie sich der jungen Widerstandbewegung der Résistance anschlossen. Und so kam ich als Enkel des „Instituteur“ und „Resistant“ Jean Migliori, Sohn italienischer Einwanderer, zum Tagebuch Schreiben. Durch meinen Großvater der mir die Freude am Schreiben, am Tagebuch führen an seinem Schreibtisch in Aubord in den 1970er Jahren vermittelte. Tagebuch hat er wohl mindestens seit Mitte der 1930er geführt als er seine Stelle als Volkschullehrer in Hussigny antrat. Und dieses Tagebuch fütterte er relativ regelmäßig bis zu seinem Tod im Jahr 1980 im südfranzösischen Nîmes mit Tagebuchnotizen und Bildskizzen. 

Abschließend sei noch hinzugefügt, dass das „Tagebuch Schreiben“ angeblich zur Zeit eine kleine Renaissance erfährt. Die Coronaepedemie und die daraus folgenden Lockdowns sollen zu vermehrten Tagebuch führen geführt haben[12]. Ich habe da doch so meine Zweifel, ob diese sogenannte „Tagebuchrenaissance“ wirklich nachhaltig war, ja ob sie überhaupt jemals stattgefunden hat. Ich kenne jedenfalls niemanden aus dem erweiterten Freundes und Bekanntenkreis der dauerhaft über Jahre ein Tagebuch führt.

Bibliographie:

Anne Frank Fond (Hrsg); Frank, Anne; Pressler Mirjam (Übers.) (2024): Anne Frank Gesamtausgabe : Tagebücher – Geschichten und Ereignisse aus dem Hinterhaus – Erzählungen – Briefe – Fotos und Dokumente.Anne Frank ; herausgegeben von Anne Frank Fonds, Basel ; aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler ; mit Beiträgen von Gerhard Hirschfeld, Mirjam Pressler und Francine Prose, Fischer Taschenbuch Verlag Juni 2024, ISBN 978-3-596-71077-5 (Paperbackausgabe), ISBN 978-3-10-402068-6 (E-Book/epub)

Pantel, Nadia (2025): Das Camembert-Diagramm. Ein etwas anderes Frankreich Porträt. Copyright © 2025 by Rowohlt · Berlin Verlag GmbH, Berlin, ISBN  978-3-644-02189-1

Wittstock, Uwe (2024): Marseille. Die große Flucht der Literatur,  © C.H.Beck,  oHg, München 2024, ISBN 978-3-406-81490-7

Bild: Scan des Tagebuch des Verfassers, Auszug des Eintrages vom 12.06.2025

Christophe Neff, Grünstadt im Juni 2025


[1] Hierzu „Tag des Tagebuchs – Kein Spiegel der Seele, aber wertvolle Zeitdokumente: Was Tagebücher uns verraten“, SWRKultur, 12.6.2025.

[2] Webpräsenz des „Deutschen Tagebucharchives“ in Emmendingen.

[3] Dazu u.a. „Heute ist Tag des Tagebuchs! , Literarisches Zentrum Gießen e.V. “ und „Tag des Tagebuchs am 12. Juni, Arbeitsstelle Holocaust Literatur 12.06.2023“.

[4] Les OVNI à Schramberg-Sulgen en  Forêt-Noire ! (Jean Migliori ca. 1971) (Titel aus dem Gedächtnis rekonstruiert)

[5] Zur Geschichte des Paysagesblog siehe auch « Paysages –   quinzième année d’existence sur la toile donc déjà cinq ans sur wordpress.com (billet trilingues français, allemand, anglais) ».

[6] Siehe u.a „Wintersonnenwende 2024“ und « Cahiers de maladie (Cancer de la prostate) »

[7] Siehe u.a. Irene Berres & Veronika Hackenbroch „Metastasen und Hormontherapie – Fortgeschrittener Prostatakrebs – was Joe Bidens Diagnose bedeutet. Die Nachricht ging um die Welt: Joe Biden hat Prostatakrebs. In diesem Stadium ist die Erkrankung nicht mehr heilbar, aber Therapien können ihr Fortschreiten verzögern.“ Der Spiegel, 20.05.2025

[8] Vgl. „Schwäbisch – Französische Lesenotizen zu „Mein Schwaben“ von Vincent Klink

[9] Siehe u.a. „Schwäbisch – Französische Lesenotizen zu „Mein Schwaben“ von Vincent Klink

[10] Eine lesenswerte Buchkritik des Buches schrieb Florian Ilies in der Zeit „ „Marseille 1940“: Die Schutzengel der Geschichte – Anschaulich und atemlos: Uwe Wittstock erzählt in „Marseille 1940“, wie flüchtende jüdische Intellektuelle vor der tödlichen deutschen Gefahr aus Frankreich gerettet werden konnten.“ Die Zeit, 08/2024, 16. Februar 2024

[11] Siehe u.a. « Quoi qu’il arrive, la flamme de la résistance française ne doit pas s’éteindre et ne s’éteindra pas (18.06.1940 – 18.06.2010) »

[12] Siehe u.a. „Tagebücher – Warum wir sie schreiben und wie die Forschung sie nutzt“, SWRKultur, das Wissen, 11.4.2025

Im wunderschönen Monat Mai – Mai 1945 Weltkriegsende in (West) – Europa

Ein Klavier steht in der Trümmerwüste, – ein paar Löwenzahnblüten schimmern gelb im grauen Schutt, – und dann erklingt eine Stimme und man hört die Dichterliebe, die Worte Heinrichs Heine in der Vertonung von Robert Schumann …..

Im wunderschönen Monat Mai[1],

Im wunderschönen Monat Mai,

Als alle Knospen sprangen,

Da ist in meinem Herzen

Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,

Als alle Vögel sangen,

Da hab ich ihr gestanden

Mein Sehnen und Verlangen.

(Heinrich Heine, Buch der Lieder, Lyrisches Intermezzo , Hamburg 1827, Hoffmann und Campe)

So stellte ich mir manchmal als Jugendlicher das Kriegsende im Mai 1945 vor. Bildlandschaft ähnlich der Bilder aus dem Film „zwischen Gestern und Morgen“ von Harald Braun, der ja tatsächlich im Frühjahr des Jahres 1947 in den Trümmerlandschaften der Stadt München gedreht wurde. Oder wie die Trümmerlandschaften Berlins im Wolfgang Staudte Film „die Mörder sind unter uns“.  Aber so hat es das wahrscheinlich nie gegeben, wobei selbst das nicht ganz unmöglich gewesen wäre …..

Bei den Schramms in Saulgau in Karlstraße gegenüber dem Bahnhof stand wohl 1945 ein Klavier im Hause. Aber Schuhmann Liederzyklus „Dichterliebe“  hat man wohl nicht darauf gespielt. Saulgau war vom Bombenkrieg quasi verschont geblieben. Trümmerlandschaften gab es dort nicht. Die gab es in Ulm und Friedrichshafen. Saulgau war ein kleines oberschwäbisches Städtchen voller Flüchtlinge im Mai 1945. Das große Sterben war vorbei, – Endlich ! Und in der Karlstraße gegenüber dem Saulgauer Bahnhof hoffte man, dass irgendwann die Männer der Neffs und der Pischls, die Brüder und Söhne der Familie zurück kommen würden. Dass der Krieg verloren war, das wusste man in meiner Familie seit Stalingrad[2]. Oder man hat es geahnt. Das habe ich als Kind, als sogenannter Kriegsenkel, selbst mitbekommen. Ich habe über diese Zeit schon in einem  Buchkapitel in einem Zeitzeugenbuch über die Zeit des Zweites Weltkrieges in Bad Saulgau berichtet[3]. Die Schatten des Weltkrieges wirkten bis in meine Kindheit nach. Nicht nur in meiner Familie, denn ich begegnete diesem Schatten während meiner Kindheit in der Raumschaft Schramberg überall. Darüber habe ich auch mehrfach schon in diesem Blog berichtet[4].  Im französischen Teil meiner Familie hat man im Mai 1945 vor allem gehofft, dass Libéro Casciola , ein Cousin meines Großvaters aus der deutschen Deportation lebend nach Hause kommen würde. Meine französischen Großeltern hofften das eigentlich bis an ihr Lebensende. Aber Libéro kam nie zurück[5]. Und meine Großmutter hoffte, natürlich inständig, dass der Krieg im Fernen Osten, in Indochina zu einem Ende kommen würde, – und ihr Bruder Victor die japanische Kriegsgefangenschaft überleben würde. Ja, und er kam dann auch nach der Kapitulation Japans im August 1945 stark abgemagert aber wohlbehalten zurück. Im Mai 1945 hatte man in Frankreich sehr viele Hoffnungen in die neue aus der Resistance und dem Gaullismus gewachsene neue IV Republik gesetzt[6]. Aber diese neue IV Republik scheiterte an ihren inneren Widersprüchen und vor allem an der Zukunft des „Empire colonial français“.  Das wusste man aber damals im Mai 1945 noch nicht. Die Ereignisse von Sétif in Algerien im Mai 1945 wurden im französischen Mutterland kaum wahrgenommen. Ich selbst habe davon erst Ende der 1980er Jahren als Student in einem der Romanistik Kurse von Mireille Zimmermann an der Universität Mannheim von diesen tragischen Ereignissen erfahren. Sétif, das war wohl der Anfang vom Ende des „Empire colonial français“ – des französischen Kolonialreiches. Für Frankreich waren mit dem Ende des zweiten Weltkrieges die Kriege nicht vorbei. Das ist so in Deutschland auch kaum bekannt. Während der Indochinakrieg im Wesentlichen die Sache von „Kolonialtruppen“ und der Fremdenlegion war, – wurde Frankreich vom Algerienkrieg, – den sogenannten „événements d’Algérie“ quasi zerrissen. Im Gegensatz zum Indochinakrieg und den anderen Kolonialkriegen, wurden in Algerien auch systematisch französische Wehrpflichtige in den Krieg eingezogen. Damit hatte der Krieg wieder Einzug in viele französische Familien gefunden.

Die IV Republik ist letztlich am Algerienkrieg zugrunde gegangen. Auch in meiner französischen Familie haben diese „“événements d’Algérie“ tiefe Spuren hinterlassen. Der Krieg als stetiger Begleiter des Tagesgeschehens in Frankreich endete erst mit den Verträgen von Evian 1962 und der algerischen Unabhängigkeit. Im Mai 1945 haben die Menschen beidseits des Rheines wohl einfach gehofft, dass bessere Zeiten anbrechen, – die Kriegsgefangenen und Vermissten wieder nach Hause kommen, die Familien wieder zueinander finden. Dass das „Sterben“ und das „Morden“ endlich aufgehört hatte.

Zum 80 Jährigen Kriegsende in Deutschland gab es wieder eine Vielzahl von Texten in den Medien, – von denen ich wahrscheinlich die wenigsten gelesen habe, wobei mich vor allem der Text von Susanne BeyerEine Suche in der Vergangenheit und was sie mit mir macht“ im Spiegel[7] und der Radiobeitrag „Das Kriegsende 1945 im Familiengedächtnis: Die Geschichte von Opa „Pépé Robert““ von Marie – Christine Werner sehr bewegt haben[8] . Die Lektüre von Susanne Beyers Text hat mich dann auch dazu veranlasst, mir ihr Buch „Kornblumenblau“ zu kaufen.

Sehr bewegt hat mich auch der Text „den Hass entlarven“ von Andreas Funke[9], der in der Rheinpfalz, sprich der Regionalausgabe „Unterhaardter Rundschau“, der am Samstag, den 10. Mai veröffentlicht wurde – und hier vor allem der Satz „Ich bin Jahrgang 1962, großgeworden mit Geschichten vom Krieg, fast damit überfüttert worden[10]. Ich bin zwar Jahrgang 1964 aber letztlich war es bei mir ähnlich. Der Krieg war in meiner Kindheit die ich vor allem in der Raumschaft Schramberg, aber auch in Saulgau, Eckbolsheim einem Vorort von Strasbourg und Aubord in Südfrankreich verbrachte überall, – da waren die Erzählungen aus dem Familien – und Freundeskreis, die Erzählungen der Schulkameraden – das Versehrtenschwimmen im Schwimmbad, die Suchmeldungen des roten Kreuzes, die noch hier und da an manchem Kaufhausschaufenster, beim örtlichen Friseur und in den Amtsstuben klebten. Manchmal hatte ich als Kind das Gefühl als wäre der Krieg ein dunkler Schatten über den man durchaus im privaten spricht, aber über den in der Öffentlichen Wahrnehmung kaum gesprochen wurde. Pazifist war ich im Gegensatz zu Andreas Funke nie. Davor hatte mich schon die französische Familiengeschichte bewahrt. Ohne Waffengewalt, – ohne Resistance und alliierte Landung in der Normandie – hätte es niemals eine „Liberation“ – eine Befreiung von den Schrecken der Naziherrschaft gegeben. Weder in Frankreich noch im Rest Europas. Folglich habe ich mich während des Grundwehrdienstes in der Luftlandebrigade 25 im Sommer 1985 in Calw zum Reserveoffizier ausbilden lassen[11], und danach eine Vielzahl von Wehrübungen abgeleistet bis ich meine Uniform und meine Ausrüstungsgegenstände im Oktober 2021 abgegeben habe[12].

Jeden Tag wenn ich aufstehe, schaue ich aus dem Fenster und Blicke in die aufgehende Sonne über dem Odenwald. Und seit Februar 2022 lese ich fast jeden Morgen von Luftangriffen auf die Ukraine. Auch die letzte Nacht gab es wieder Tote in Kyjiw durch russische Raketen und Drohnen. Der Krieg ist wieder nähergekommen. Wir hatten in (West)-Deutschland seit dem Ende des zweiten Weltkrieges sehr viel Glück von den ganzen Kriegen, die es seit Ende des zweiten Weltkrieges überall auf der Welt gab, nie direkt oder indirekt betroffen zu sein. Das ändert sich gerade. Die Zeit der großen Sorglosigkeit ist vorbei. Der Krieg tobt ein paar hundert Kilometer vor unserer eigenen Haustür und fordert jeden Tag seine Opfer. Man kann nur hoffen, dass dieser Krieg bald ein Ende findet, und die Ukraine als souveräner Staat und werdende Demokratie überlebt. Denn sollte die Ukraine nicht überleben, dann wird der Krieg uns in Deutschland mit fast unausweichlicher Sicherheit auch noch erreichen.

Blick über die Dächer von Grünstadt auf den Odenwald am frühen Morgen des 24.02.2025 6 Uhr 50, © Christophe Neff, 24.02.2025

Bibliographie:

Beyer, Susanne (2025): Kornblumenblau : Der geheimnisvolle Tod meines Großvaters 1945 und die Frage, was er mit den Nazis zu tun hatte. Eine Spurensuche – Ein SPIEGEL-Buch. München, 2025. Copyright © 2025 by Deutsche Verlags-Anstalt, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München, und SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH & Co. KG, 20457 Hamburg. ISBN 978-3-641-33099-6

Neff, Christophe (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259. (Ein PDF – Sonderdruck des Buchbeitrages kann in der KITOPEN Bibliothek heruntergeladen werden DOI: 10.5445/IR/1000159193)

Photo: Als Begleitphoto zu diesem Blogbeitrag habe ich eines meiner zahlreichen Photos – Blick über die Dächer von Grünstadt bei Sonnenaufgang auf den Odenwald ausgewählt. Es zeigt den Tagesanbruch des 24 Februar 2025, – den ich photographierte, weil sich an jenem Morgen der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine zum dritten Mal jährte ! © Christophe Neff, 24.02.2025

Grünstadt, im Mai 2025


[1] Fritz Wunderlich hat für mich bestimmt einer der schönsten Interpretation der Dichterliebe präsentiert, hier der Link zu einem Tondokument auf Youtube „Schumann: Dichterliebe, Op. 48: I. Im wunderschönen Monat Mai“

[2] Siehe u.a. „Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg“ und „« Blognotiz 16.11.2014: Novembererinnerungen an Saulgau – Gedanken zum Volkstrauertag 2014 ».

[3] Neff, C. (2023): Der Schramm, der Bahnhof und der Krieg. . In: Scheck, Conny; Gelder, Maria Margarete (Hrsg): Aus dem Grau der Kriegszeit. Geschichten hinter der Geschichte. Spuren Lebendig Gemacht, Band III, Bad Saulgau Mai 2023, S. 252 – 259. (Ein PDF – Sonderdruck des Buchbeitrages kann in der KITOPEN Bibliothek heruntergeladen werden DOI: 10.5445/IR/1000159193)

[4] Siehe u.a. auf Deutsch « Blognotiz 16.11.2014: Novembererinnerungen an Saulgau – Gedanken zum Volkstrauertag 2014 » , « Blognotiz 13.03.2022: Erinnerungen an eine Bahnreise nach Saulgau im März 2010 »  , « Saulgau Oberschwaben Oktober 2022: Photos, Buchlektüren und Kindheitserinnerungen » , « „Net schon wieder Ulm“ : Über die Buchpräsentation „Aus dem Grau der Kriegszeit – Geschichten hinter der Geschichte“ in der Bad Saulgauer Stadthalle am Donnerstag den 25.5.2023  », « Erinnerungen  und Gedankenfetzen zu Martin Walsers autobiographischem Roman „ein springender Brunnen“ », « Lesenotizen zu „der Bücherfreund“ von Monika Helfer (Text) & Kat Menschik (Illustrationen) »  und auf Französisch  « Quoi qu’il arrive, la flamme de la résistance française ne doit pas s’éteindre et ne s’éteindra pas (18.06.1940 – 18.06.2010) » , « Blognotice 6.5.2011 : – souvenir d’une longue attente pour un enfant du Pays-Haut mort en déportation », « Blognotice 22.01.2013: pensées personnelles franco-allemandes sur le cinquantième anniversaire du Traité de l’Elysée », « Notice de lecture « Simone Morgenthaler : Sur la route avec Tante Jeanne » » um hier nur die wichtigsten Texte aus meiner Feder zu nennen.

[5] Siehe u.a. : « Blognotice 6.5.2011 : – souvenir d’une longue attente pour un enfant du Pays-Haut mort en déportation » in diesem Blog.

[6] Siehe auch Michel Winok (2025): Michel Winock, historien : « Depuis la seconde guerre mondiale, la France a perdu son rôle d’exportatrice des idées politiques » La Résistance rêvait d’instaurer un nouveau régime démocratique. Les tensions partisanes ont perturbé la gestation du projet, et la France a fini par passer d’un excès (le régime d’assemblée) à l’autre (le bonapartisme), explique le spécialiste de la vie politique française dans un entretien au « Monde ». LeMonde.fr, 20.05.2025.

[7] Susanne Beyer (2025): Eine Suche in der Vergangenheit und was sie mit mir macht. Ein Essay von Susanne Beyer.

[8] Werner, Marie-Christine (2025): „Lagerhaft und Zwangsarbeit in Deutschland. Das Kriegsende 1945 im Familiengedächtnis: Die Geschichte von Opa „Pépé Robert““ Radiobeitrag, SWRKultur 08.10.2025

[9] Über den evangelischen Pfarrer in Grünstadt Andreas Funke habe ich in diesem Blog schon mehrfach berichtet u.a. in « Souvenirs des chants d’Israël, « La Caravane des Cavaliers  (Chayreth Harochvim) » » und « Blognotiz 27.04.2025: Ostern 2025 „Mulier, quid ploras? – Frau warum weinst du ?“ »

[10] Funke, Andreas (2025): Den Hass entlarven. Krieg soll nach Gotteswille nicht sein. In: Über den Kirchturm hinaus, Unterhaardter Rundschau, die Rheinpfalz, Nr. 108, Samstag 10.05.2025. Internetausgabe unter : Grünstadt: Pfarrer Andreas Funke über Kriegserlebnisse und Friedensgenerationen. Die Rheinpfalz 07.08.2025.

[11] Siehe u.a.  « Ottmar Schreiner – Sozialdemokrat, Fallschirmjägeroffizier und Katholik (21.04.2013) »  und Himmelheber, Martin (2017): „Schramberger Auswärts Wissenschaftler Christophe Neff Feuer und Flamme für Waldbrände“ , Der Stadtwerker, Kundenzeitschrift der Stadtwerke Schramberg, DOI: 10.5445/IR/1000164977  .

[12] Siehe u.a. « Die Truppen des Zaren Putin greifen die Ukraine an! (Übertragung der « Blognotice 24.02.2022: les troupes du Tsar Poutine attaque l’Ukraine » aus dem Französischen) ».