Dunkle Wolken türmen sich über dem Oberrheingraben. Der Wind schiebt immer wieder Wolkenpakete gen Osten, die Birke scheint silbern im Sonnenlicht. Ach ja, letzthin gab es auch Wahlen, aber zumindest bei uns in Deutschland sind die Hohenpriester der Deutungshohheit von politischen Ereignissen schon fast wieder verstummt, – das Ereignis liegt fast schon zu weit entfernt. Soweit man der veröffentlichten Deutungshoheit folgt, dann kann man fast immer von der europaweiten Krise der Sozialdemokratie lesen, aber dass die CDU über 5 % an , ja fast 6% Stimmenanteilen verlor, das scheint irgendwie fast untergegangen zu sein. Ich glaube zwar auch, dass es so etwas wie eine Krise der Sozialdemokratie gibt, aber dass kaum jemand die doch recht beachtlichen Stimmenverluste von CDU und CSU analysiert, interpretiert – dies erscheint mir in der Tat auch beachtlich. Vielleicht ist die Krise der Sozialdemokratie zumindest in Teilen auch eine von den Medien herbeigeredete Krise. Ich glaube jedoch auch, dass angesichts der „Sozialdemokratisierung“ der CDU, sich manch ein Wähler noch fragt weshalb er oder Sie noch SPD wählen soll. In Deutschland ist zumindest in Teilen die Sozialdemokratisierung der CDU meines Erachtens ein großes Problem für die SPD geworden. Weshalb ich der Analyse von Broder „Vielleicht deswegen: Deutschland (und ein großer Teil von Europa) ist in den letzten Jahrzehnten dermaßen gründlich sozialdemokratisiert worden, dass die Marke SPD ihre Singularität verloren hat. Im Bundestag sitzen, mit Ausnahme der FDP, nur noch Parteien mit einer sozialdemokratischen Programmatik, die sich allenfalls in Marginalien voneinander unterscheiden. Die CSU z.B. steht in vielen Fragen links von der SPD, die CDU strahlt oft grüner als die Grünen und die Linke wartet nur auf die Gelegenheit, am Katzentisch der SPD Platz nehmen zu dürfen. Wenn also fast alle Parteien sozialdemokratische Angebote verbreiten, gibt es für den Wähler keinen Grund, die SPD zu bevorzugen“ in Spiegel online eigentlich nur zustimmen kann. Aber vielleicht ist die Sozialdemokratisierung unser Gesellschaft, und vor allem der CDU noch gar nicht soweit fortgeschritten wie wir vielleicht glauben wollen, – da wird es nach den Bundestagswahlen im Herbst, sollte „schwarz-gelb“ die Regierungsmehrheit tatsächlich erlangen, für manch einen noch ein böses Erwachen geben. Das Wahlergebnis der deutschen SPD erscheint mir im Vergleich zu anderen sozialdemokratischen Parteien, da braucht man eigentlich nur über den Rhein zu schauen, so katastrophal nicht zu sein. In Rheinland – Pfalz , im Land des von der SPD-Spitze weggeputschten Kurt Beck hat die SPD im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine Stimmen verloren. In Baden-Württemberg hat die SPD beispielweise 1,5 Stimmenprozent verloren (Bundestrend 0,7%), – da sollten die Putschisten von damals nochmals tief in sich gehen, angesichts diese doch sehr mageren Bilanz. Auf regionaler und lokaler Ebene, – es fanden ja noch Kommunalwahlen in manchen Bundesländern statt, – ergibt sich ein sehr differenziertes Bild.
In der Raumschaft Schramberg, Gegend in der ich aufgewachsen bin, ist die CDU immer noch die dominierende Kraft , aber die SPD konnte immerhin um ein Prozent zulegen . In diesem Zusammenhang erscheint mir jedoch das Ausscheiden von Elke Ringl-Klank aus dem Schramberger Gemeinderat als besonders tragisch. Als ich Filipetti ‘ s Roman „Les derniers jours de la classe ouvrière gelesen“ habe ,(siehe auch mein Billet II. Un blog sur les paysages: ein kleiner Prolog auf Deutsch) habe ich oft an das Ehepaar Dr. Werner Klank und Elke Ringl – Klank aus Schramberg denken müssen, – echtes schramberger sozialdemokratisches Urgestein, – im Grunde die letzten Helden einer aussterbenden Klasse, – etwas prosaischer formuliert – vielleicht einer der letzten Helden der Arbeiterklasse, der Sozialdemokratie vom alten Schlage. Einer der Persönlichkeiten die den SPD Ortsverein Schramberg über Jahrzehnte entscheidend geprägt haben. Im Grunde genommen sollte ich beiden vielleicht irgendwann ein eigenes „Billet“ in meinem Blog widmen, denn irgendwie sind beide Elke und Werner schon ein Teil der politischen Geschichte der Raumschaft Schramberg geworden. Was die politische Geschichte Schrambergs betrifft, sei noch darauf hingewiesen, dass Elke Ringl – Klank zusammen mit Gernot Stähle (2003) eine Broschüre mit durchaus wissenschaftlicher Qualität über die Geschichte der Arbeiterwohlfahrt Schramberg herausgegeben hat. Werner Klank ist ja wieder zum Kreisrat gewählt worden, – hier hat die SPD sogar in der Person von Dr. Josef Günter ein zweites Mandat für Schramberg im Kreisrat errungen. Werner Klank wird also weiterhin als politischer Mandatsträger aktiv sein, wobei ich hoffe, daß seine Frau Elke weiterhin der Sozialdemokratie erhalten bleibt, denn im Grunde genommen, gehören Menschen wie Elke Ringl Klank zu der Sorte Mensch und Politiker die die deutsche Sozialdemokratie dringend braucht, will diese à la longe nicht untergehen. Ansonsten ist die Raumschaft Schramberg wie gehabt fest in CDU Hand, wobei längst nicht mehr die 50 – 60 % Werte wie vor zwanzig/dressig Jahren noch, erreicht werden. À propos Schramberg – als regelmäßiger Leser der NRWZ hat es mir fast den Atem verschlagen als ich erfahren musste, dass das Schramberger Krankenhaus mehr oder weniger kurz vor der Schließung steht. So muß es zumindest dem Leser aus der Ferne beim Lesen der diversen Artikel und Leserbriefe in der NRWZ erscheinen. Man kann nur hoffen, dass sich die Schramberger Mandatsträger aller politischen Couleur zusammentun, und erfolgreich verhindern, dass das Schramberger Krankenhaus geschlossen wird. Aus geographischer Sicht hätte der Verlust des Krankenhausstandortes in Schramberg durchaus spürbare Konsequenzen, – Schramberg würde auch als Mittelzentrum ohne Krankenhaus völlig bedeutungslos, – und würde die Funktion eines Mittelzentrums à la long dann ganz verlieren.
Schwenken wir um nach Grünstadt , – Grandezza und Tristezza der Sozialdemokratie liegen hier ganz nah beinander. Die SPD die einst im Grünstadt fast 35 Jahre die politische Kraft darstellte ist tief abgestürzt, der Bürgermeisterkandidat der SPD Jochen Weber scheiterte in den Bürgermeisterwahlen, ja er schaffte es nicht mal in die Stichwahl, – im Gemeinderat stellt die SPD nur noch 8 von 28 Stadtratsmitglieder. Hier hatte die SPD einstmals die Mehrheit. Die beherrschende Kraft im einst sozialdemokratischen Grünstadt sind nun CDU und freie Wähler. Die Gründe für diesen Absturz sind feudale verkrustete Strukturen und eine vordemokratische politische Kultur die wohl tief im Grünstadter SPD Ortsverein verankert ist bzw. war. Dies zeigte sich übrigens überausdeutlich bei der Kür des Bürgermeisterkandidaten im April 2008 – und hierzu greife ich zu einem Zitat aus der Rheinpfalz vom 21.4.2008 „Dass Jochen Weber, der Sohn von Altbürgermeister Ludwig Weber, sich als einziger Bewerber der Versammlung präsentierte, schien zwar nicht allen Anwesenden zu gefallen, doch nur einer stellte den Antrag, die Wahl des Bürgermeister-Kandidaten zu verschieben. Es sei keine echte Wahl, wenn die Mitglieder nur über einen Bewerber zu entscheiden hätten, sagte Dr. Christophe Neff. Es gebe einen zweiten Interessenten, der allerdings derzeit krank sei. Daher sollte die Wahl verschoben werden. Es gebe keinen Zeitdruck, man könne ruhig acht Wochen zuwarten, sagte Neff , der vor neun Jahren aus Baden-Württemberg nach Grünstadt kam. Wenn jetzt die Wahl durchgezogen werde, wirke das, als gebe die SPD „Ämter als Erbhöfe weiter“. Das habe ein „Geschmäckle“. (Die Rheinpfalz (Unterhaardter Rundschau) (21.4.2008))“ – der Wähler hat das Geschmäckle berechtigterweise nicht sehr goutiert. Wie tief der Absturz der Grünstadter SPD tatsächlich ist, wird richtig deutlich, wenn man dem gegenüber das Ergebnis der wiedergewählten SPD-Landrätin Sabine Röhl die im Kreisdurchschnitt ca. 56 % der Wählerstimmen erhielt, und in Grünstadt sage und schreibe ein Ergebnis von 62 % erreichte, betrachtet. Der glücklose Bürgermeisterkandidat der SPD Jochen Weber erhielt gerade mal knappe 23% der Wählerstimmen. Der fulminante Wahlsieg von Sabine Röhl zeigt zwei Dinge – Sozialdemokraten können Wahlen gewinnen (auch gegen Bundestrends). Die Sozialdemokratie, die zur Zeit von allen möglichen Kommentatoren schon zu Grabe getragen wird , hat auch eine Zukunftsperspektive, soweit diese von politischen überzeugenden Menschen vermittelt und getragen wird.
Abschliessend noch ein kleiner Blick über den Rhein – zum Zustand des P.S. ist eigentlich nicht viel zu sagen. Ich hatte in meinem Villa Jasmin – Billet darauf hingewiesen, dass aus meiner Sicht der P.S. als wichtige politische Größe in Frankreich kaum noch wahrnehmbar sei. Das war sogar noch vor der Europawahl, – und das Ergebnis der Europawahl hat diese Aussage einfach nochmals bestätigt. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Es gibt aber noch einen Punkt den ich in Bezug auf Frankreich herausheben möchte, und hier stimme ich den Aussagen von Claire-Lise Buis in ihrem deutsch – französischen Blog Berlin en parle durchaus überein – und zwar in der Bewertung des Wahlerfolges der Liste Europe Écologie die von Daniel Cohn – Bendit angeführt wurde, – auch wenn ich es nicht ganz so überschwenglich formulieren möchte wie Berlin en parle. Der Wahlerfolg von Europe Écologie zeigt, daß man durchaus mit einem auf Europa fokussierten Wahlkampf Erfolg haben kann, daß man mit der europäischen Idee Wähler mobilisieren kann. Weiterhin, und dies scheint mir fast ebenso zentral zu sein, man kann in Frankreich Wahlen gewinnen ohne in einen plumpen, platten ja zum Teil vulgären Antisarkosyzismus zu fallen. Wahlen gewinnt man mit politischen Argumenten und nicht indem man Sarkozy verteufelt. Der vulgärproletarische Antisarkosyzismus, den man teilweise auch in den Kommentaren der Leserforen von Le Monde findet, mag bei den Schreibern von solchen Kommentaren wohl kurzzeitig ein Gefühl der Befriedigung hervorrufen (und bei manchen Lesern vielleicht auch), aber im großen und ganzen dürfte er politisch eher kontraproduktiv wirken. Ich kann darüber nur den Kopf schütteln.
Ich möchte meinen kurzen Überblick über die politische Landschaft nach Europa und Kommunalwahlen, – in Deutschland, Frankreich, Schramberg und Grünstadt mit folgendem Statement beenden; – die Sozialdemokratie hat zur Zeit wohl auf allen politischen Ebenen keinen leichten Stand, – aber die Sozialdemokratische Idee – die manch einer der politischen Kommentatoren jetzt schon zur Grabe trägt – diese Idee hat durchaus Zukunft, – Sozialdemokraten können auch heute in schwierigem Umfeld Wahlen gewinnen – das zeigt das Beispiel von Sabine Röhl im Landkreis Bad Dürkheim sehr schön.
Christophe Neff, Grünstadt le 11.6.2009
Quellen:
Die Rheinpfalz (Unterhaardter Rundschau) (21.4.2008): SPD legt sich auf Jochen Weber fest .
Filippetti, A. (2003): Les derniers jours de la classe ouvrière. (Stock, le livre de poche)
Stähle, G., Ring-Klank, E. (Hg.) (2003): 75 Jahre Arbeiterwohlfahrt Schramberg. AWO Schramberg.
Ja, ich glaube, dass sowohl SPD als auch PS in Zukunft wieder Wahlen gewinnen koennen, und zwar, wenn beide Organisationen wieder lernen, dass Politik Ideen und Loesungen zu anstehenden Problemen, Zukunftsperspektiven bieten und anzeigen soll, statt sich zu verzetteln bei der Verteilung virtueller Pfruenden oder aber sich damit zu begnuegen, auf den politischen Gegner einzuschiessen. Das vor allen Dingen gilt , nach meinem Erleben,fuer die franzoesischen Sozialisten.
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