In Schramberg gab es bis vor kurzem einen von Platanen beschatteten Rathausplatz. Am Freitag den 9.12.2011 wurden die Platanen gefällt um Platz zu machen für „Schrambergs Neue Mitte“. Die NRWZ berichtete unter dem Titel „Schrambergs neue Mitte – Platanen gefällt“, der Schwarzwälder Bote schreibt „Aus Platanen werden Holzhackschnitzel“. Einen Leserbrief von Jörg Birkel mit dem Titel „Glückwunsch zur gelungen Sägeaktionen“ gibt es dazu noch in der NRWZ.
Als ich mitbekam, dass man die Platanen auf dem Rathausplatz in Schramberg „Schrambergs neuer Mitte“ weichen mussten, hatte ich gerade in Robert Schneiders Familienbiographie „les Mitterrand“ ein paar Seiten über die Bedeutung von Bäume und Landschaften im Leben von François Mitterrands gelesen. Landschaften und Bäume hatten für eine François Mitterrand eine tiefe Symbolik, – sie verkörperten für ihn in gewisser Weise – das „Wesen der Landschaft“ im Sinne von Karlheinz Paffen (1973). Wald und Bäume waren, soweit man dem Biographen Schneider folgt, Bestandteile der „paysages géographiques“ von François Mitterrand. In diesem Sinne ist die Familienbiographie „les Mitterrands“ von Robert Schneider auch eine „geographisch -landeskundliche“ Beschreibung der französischen Kulturlandschaften, der „Wesenheit“ der France profonde des 20 Jahrhunderts. François Mitterrand war so mit der althergebrachten Symbolik der Bäume vertraut, dass er bei der Editierung der Briefmarke die seiner Heimatstadt Jarnac 1983 gewidmet wurde, dafür sorgte, dass die Palme als Symbol des Katholischen Glaubens in der Briefmarke verewigt wurde (siehe Schneider, R. 2011, p.90). Auf der Briefmarke von Jarnac sieht man einen einsamen Palmwedel hinter den Patrizierhäusern der Cognachändler am Ufer der Charente, dem ruhigen Flußufer an dem François Mitterrand in Jugendjahren so gern spazieren ging, in den Himmel über Jarnac ragen. Die Schramberger Platanen werden es wohl, jetzt wo es sie nicht mehr gibt, nie auf eine Briefmarke schaffen, – wobei man dazu sagen muss, dass es soweit ich informiert bin „die Palme von Jarnac“ auf der Jarnac gewidmeten Briefmarke so in Realiter nie gegeben hatte, die Palme war nur ein Symbol für den Katholischen Glauben, in dieser von vor hunderten von Jahren von Religionskriegen erschütterten Landschaft Westfrankreichs.
Die Schramberger Platanen hingegen haben natürlich mit Erinnerungen an vergangen Glaubenskriege nichts zu tun, auch wenn im Artikel des Schwarzwälderboten unverholen auf Stuttgart 21 angespielt wird, wobei ja die Diskussionen und Auseinandersetzung um Stuttgart 21 manchmal einem „Glaubenskrieg“ ähnelt.
Für mich verkörperten die fünf Platanen auf dem Schramberger Rathausplatz immer einen gewissen Hauch Mediterranität im ansonsten nicht gerade sonnenverwöhnten Schwarzwald. Vor allem als Student bin ich an warmen Frühsommertag, – oder auch im Herbst bei Strahlungswetter gern über den Wochenmarkt unter dem Platanendach flaniert – welches dem kleinen Platz hinter dem Schramberger Rathaus schon einen gewissen mediterranen Flair verlieh. Nun, diesen Hauch von Mediterranität hat Schramberg nun verloren, nachdem der historische Weinbau schon fast in Vergessenheit geraten ist. Der in Königsfeld geborene Geograph Erdmann Gormsen berichtet mir vor nun fast 15 Jahren fernmündlich von „Privatforschungen“ und „Exkursionen“ die er auf den kulturlandschaftlichen Spuren des Weinbaues in Schramberg als junger Wissenschaftler durchgeführt hatte. Es gibt noch ein anderes seltenes mediterranes Element im Pflanzenkleid der Raumschaft Schramberg. Es ist die Edelkastanie, – Castanea sativa – die man zwischen Schloßberg und Lauterbach noch vereinzelt im Wald finden kann. Und auf dem Moosenmättle befindet sich wohl einer der am höchstgelegensten Edelkastanien in Baden-Württemberg. Im Lärchenweg steht übrigens auch eine schöne Edelkastanie, – sozusagen als Relikt aus Zeiten als Eckenhof und insbesondere der Lärchenweg als geheimes Regierungsviertel von Schramberg gegolten hat. Was der von Hermann Körner (2011) zitierte Theobald der Wochenendausgabe des Schwarzwälder Boten vom 18 Februar 1978 „ Wehe, wehe, alle einflussreichen Politiker einmal eine Meinung gemeinsam und verlangen beispielsweise eine Untergrundbahn oder beheizte Gehwege oder teppichbelegte Fahrbahnen im Lärchenweg“ jedoch nicht wusste – beheizte Gehwege wurden zwar im Lärchenweg nicht angelegt, aber um sich etwas mediterranen Flair auf den Sulgen zu holen, – auf dem es ja damals noch richtig lange Winter gab – hatte sich die damalige SPD – Vorsitzende des SPD OV Schramberg einen Judasbaum (Cercis siliquastrum) in den Garten gepflanzt – und später wurde vom angehenden Geographen der anselbiger Stelle große Teile von Kindheit und Jugend verbrachte zwei Edelkastanien (Castanea sativa) gepflanzt. Der Judasbaum hat es fast fünfundzwanzig Jahre dort oben ausgehalten und hin und wieder auch geblüht. Die Edelkastanienbäume stehen soweit, ich weiß immer noch an Ort und Stelle wo diese vor fast 25 Jahren vom Verfasser dieser Blognotiz gepflanzt wurden. Die fünf Schramberger Rathausplatzplatanen sind zwar unwiderruflich verschwunden, aber vielleicht findet sich ja irgendwo in der Stadt ein anderer Platz auf den man wieder ein paar Platanen pflanzen könnte. Wenn nicht dann, verbleiben vorerst die wenigen Edelkastanien (Castanea sativa) die in der Raumschaft als Park, Garten oder als Waldbaum in der Raumschaft Schramberg wachsen, als letzte mediterrane Vorposten im Pflanzenkleid, im Landschaftbild & Stadtbild der Raumschaft Schramberg.
Zitierte Quellen:
Körner, Hermann (2011) : Vierzig Jahre Wohngebiet Eckenhof, ein Rückblick auf Jahre des Baubooms in Schramberg (Teil 2, Schluss). In:D’Kräz, Beiträge zur Geschichte der Stadt und Raumschaft Schramberg, B. 31, 2 – 10.
Paffen, K.H. (1973) : Das Wesen der Landschaft. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft)
Schneider, Robert (2011): Les Mitterrand. Édition revue et augmentée. Paris, Collection Tempus, (Éditions Perrins), ISBN 978-2-262-03604-1
Christophe Neff, le 14.12.2011