Blognotiz 14.08.2021: Schreiben an die Abgeordneten des Bundestagswahlkreis Neustadt – Speyer bezüglich der Lage der deutschen Ortskräfte in Afghanistan und dem Vormarsch der Taliban auf Kabul

Der heutige Samstagmorgen war ein schöner Sommermorgen. Solche schönen Sommermorgentage beginne ich oftmals damit, dass ich etwas Frühsport betreibe, – und soweit ich mich fit fühle über den Grünstadter Berg jogge. Heute wäre bestimmt auch so ein Tag gewesen, aber ich habe diesen schönen Sommermorgen genutzt, um den beiden Bundestagabgeordneten des Bundestagswahlkreis Neustadt – Speyer 209 Johannes Steiniger (CDU) und Isabel Mackensen-Geis (SPD) einen Brief zu schreiben, in dem ich die beiden Parlamentarier eindringlich Bitte, sich für die afghanischen Ortskräfte einzusetzen – „dass die Bundesregierung endlich mehr tut – um die afghanische Ortskräfte, die für Deutschland dienten, möglichst rasch nach Deutschland zu bringen, um ihnen unbürokratisch Schutz zu bieten“.  Die Art und Weise wie die Bundesregierung mit den Ortskräften in Afghanistan umgeht empfinde ich schon mehr als enttäuschend – im Grunde genommen ist es ein skandalöser Vorgang. Dazu brauchte es auch nicht die Lektüre des von Matthias Gebauer und Christoph Reuter verfassten Artikels »Ich muss in Afghanistan bleiben und auf den Tod warten« – um zu der Auffassung zu gelangen, dass die Bundesregierung sich hier nicht mit Ruhm bekleckert.

Eigentlich hatte ich erwartet, dass man die afghanischen Ortskräfte schnellst möglichst nach Deutschland bringt, denn es war und ist nicht zu erwarten, dass sich die afghanische Regierung lange ohne die Unterstützung der USA an der Macht halten würde. Ich teile auch die Meinung des französischen Afghanistanexperten Olivier Roy, dass die USA die „Einnahme von Kabul“ wohl einfach hinnehmen würden[1]. Sollte Kabul letztendlich in der Hand der Taliban fallen, wäre das Schicksal der deutschen Ortskräfte wohl besiegelt, letztlich ist es ein Todesurteil.

In meinem Schreiben bitte ich auch das bittere Schicksal der afghanischen Frauen zu berücksichtigen[2] und empfehle sich dafür an den Maßnahmen der kanadischen Regierung zu orientieren, die ein entsprechendes Hilfsprogramm für  „Frauen in Führungspositionen, Regierungsmitarbeiter, Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Angehöriger verfolgter Minderheiten“ aufgelegt hat. Für die afghanischen Frauen und Mädchen wird die Herrschaft der Taliban ein einziger Alptraum werden, dazu braucht man weder Hellseher noch Afghanistanexperte zu sein[3]!

Ich halte es für richtig, dass die westlichen Truppen Afghanistan verlassen. Aber die überstürzte Art des Abzuges halte ich für fatal, – für alle Afghanen die irgendwie an die westlichen Werte wie Freiheit und Menschenrechte geglaubt hatten ist es ein regelrechter Verrat. Sie – und damit meine ich nicht die unfähige korrupte afghanische Regierung – sondern die junge städtische Generation, die in Kabul und in den anderen Städten des Landes sich ein neues Leben aufgebaut haben – sie haben an den „Westen“ geglaubt! Jetzt lässt man sie leider jämmerlich  im Stich!

Christophe Neff, Grünstadt den 14.08.2021

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Den genauen Wortlaut des Schreibens an die beiden Abgeordneten gebe ich hier in Kursiv weiter:

Frau Isabel Mackensen – Geis

Herrn Johannes Steiniger

Deutscher Bundestag

Platz der Republik 1

11011 Berlin

Grünstadt, 14.08.2021

Liebe Isabel,

Sehr geehrter Herr Steiniger,

ich bin ein in Ihrem Wahlkreis wohnhafter Bürger und schreibe Sie wegen der besorgniserregenden Situation in Afghanistan an[4]!

Kennen Sie das Schicksal des afghanischen Präsidenten Mohammed Nadschibullāh ? Er wurde nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban im September 1996 tagelang gefoltert, danach brutal ermordet und anschließend wurde sein Leichnam öffentlich zur Schau gestellt.

Dieses Schicksal droht den „afghanischen Ortskräften“ die für die Bundeswehr in Afghanistan gearbeitet haben und die das Land nicht rechtzeitig verlassen konnten. Und dies unabhängig davon, ob sie nun direkt für die Bundeswehr gearbeitet haben oder über Subunternehmen angestellt waren. Ähnliches Schicksal wird auch „Ortkräften“ drohen, die für die deutsche Botschaft, Entwicklungsorganisation wie z.B. GIZ, politische Organisationen wie z.B. die Friedrich Ebert Stiftung, oder auch westlichen NGO gearbeitet haben.

Ich möchte Sie deshalb bitten, dass Sie sich dafür einsetzen, dass man alle diese afghanischen Ortskräfte, die für die Bundesrepublik Deutschland, in was auch immer für einer Position gearbeitet haben, unverzüglich nach Deutschland bringt und ihnen Schutz bietet. Die Bundesregierung muss unverzüglich handeln, denn es ist leider abzusehen, dass die Taliban in Kürze die Macht in Afghanistan übernehmen werden.

Wenn man nichts tut, dann wird man leider damit rechnen müssen, dass den afghanischen Ortskräften, das gleiche Schicksal droht, wie damals den „Harkis“ den französische Hilfstruppen in Algerien. Mehrere 1000 dieser Harkis wurden nach der Unabhängigkeit Algeriens durch die algerischen Machthaber ermordet. Aus algerischer Sicht waren diese „Harkis“ Verräter und verdienten den Tod. Aus Sicht der Taliban sind die afghanischen Ortkräfte „Verräter“ und verdienen den Tod! Wenn die Bundesrepublik so wenig wie bisher für diese Menschen tut, – dann ist deren Schicksal besiegelt! Hier muss jetzt und unverzüglich gehandelt werden!

Kurz- und mittelfristig wünschte ich mir, dass die Bundesregierung den Afghanen hilft, die an da das westliche Versprechen von Freiheit und Demokratie geglaubt haben – und im Vertrauen darauf ihre Zukunft in Afghanistan aufgebaut hatten. Ich wünschte mir, dass  die jetzige Bundesregierung, aber auch die zukünftige Bundesregierung den Mut besitzt, ähnlich wie jetzt die kanadische Regierung, die ein Aufnahmeangebot für „Frauen in Führungspositionen, Regierungsmitarbeiter, Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Angehöriger verfolgter Minderheiten“ in Afghanistan macht[5]. Für diese Menschen gibt es in Afghanistan unter den Taliban keine Zukunft mehr, – viele von ihnen müssen auch um ihr Leben fürchten,  wenn die Taliban endgültig die Macht in Afghanistan übernehmen!

An das Schicksal, welches Frauen und Mädchen in einem von den Taliban beherrschten Afghanistan droht,  will ich gar nicht denken, – es wird ein Alptraum werden!

Ich bin kein „No-Border“ – und ich glaube auch nicht, dass Deutschland die Welt retten muss – ganz im Gegenteil!

Ich meine jedoch, dass die Bundesrepublik Deutschland denjenigen, die in Afghanistan für sie als Ortskräfte gearbeitet haben, Schutz bieten muss – und dies unverzüglich – denn ansonsten wird ein Großteil dieser Ortskräfte das Jahresende nicht überleben!

Ich meine auch, dass die Bundesrepublik ihren Anteil daran leisen könnte, dass man ausgewählten Mitglieder der afghanischen Zivilgesellschaft, insbesondere den Frauen in Führungs- und Funktionspositionen (Lehrerinnen, Ärztinnen, Journalistinnen etc.) Schutz bietet!

Es würde mich sehr freuen, wenn Sie sich dafür einsetzten könnten,

–          dass die Bundesregierung endlich mehr tut – um die afghanische Ortskräfte, die für Deutschland dienten, möglichst rasch nach Deutschland zu bringen, um ihnen unbürokratisch Schutz zu bieten

 –          dass die Bundesrepublik Deutschland ein ähnliches Programm – Hilfsprogramm für Mitglieder der afghanischen Zivilgesellschaft –  auflegt wie die kanadische Regierung!

Ich würde mir ggf. erlauben, dieses Schreiben im Wortlaut in meinem „paysagesblog“ zu veröffentlich, ggf. auch diesen Brief an die Regionalpresse weiterzuleiten!

Ich wünsche Ihnen bei ein schönes Wochenende und eine angenehmen und interessanten Wahlkampf!

Es würde mich freuen, wenn Sie sich beide als Abgeordnete des Deutschen Volkes, – in dieser als auch in der nächsten Legislaturperiode, – da sie ja auch beide wieder im nächsten Bundestag unseren Wahlkreis vertreten werden – sich für mein Anliegen einsetzten könnten!

Hochachtungsvoll!

Christophe Neff


[1] Afghanistan : les États-Unis „n’essaieront même pas“ d’empêcher la prise de Kaboul par les talibans, estime le politologue Olivier Roy (Afghanistan: Die USA werden „nicht einmal versuchen“, die Taliban an der Einnahme Kabuls zu hindern, sagt der Politikwissenschaftler Olivier Roy)  – Interview in France Info am 13.08.2021.

[2] Siehe auch „Afghanistan : le cruel abandon des femmes  (Afghanistan: die grausame Aufgabe der Frauen), Leitartikel des Mondes vom 28.07.2021.

[3] Hierzu auch das Video bzw. das Videotranskript „»Wir warten auf den Tod« von Janita Hämäläinen auf SPON vom 14.08.2021. Sowie Andrea Backhaus : „Frauenrechte in Afghanistan: „Die Taliban töten eine Frau nach der anderen“, die Zeit, 14.08.2021 und Women report Afghanistan „Please pray for me’: female reporter being hunted by the Taliban tells her story“, The Guardian, 10.8.2021-

[4] Mehr über meine Person können sie hier in diesen netten Artikel im Schramberger Stadtwerker „Wissenschaftler Christophe Neff, Feuer und Flamme für Waldbrände“  und in dem Wikipedia Artikel über meine Person erfahren!

[5] Canada vows to resettle 20,000 refugees from Afghanistan, as Taliban sweep country (Toronto Star, Friday 13. August 2021)  und der kanadische Einwanderungsminister Marco Mendicino  auf Twitter  “With the situation in Flagge von Afghanistan deteriorating rapidly, the humanitarian need is growing in the region. Today we announced an initial humanitarian effort to welcome over 20K refugees to a new home here in Flagge von Kanada. We will continue to do everything we can to help.”

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