Es ist Donnerstag, 7 November, der Tag ist noch jung, – und die Sonne ist noch nicht sichtbar[1]. Meine Frau bringt mich wieder einmal ins Klinikum Worms zur stationären Aufnahme. Donald Trump hat die US Präsidentschaftswahlen gewonnen, was mich nicht sonderlich überraschte. Ich hatte das ja befürchtet, – man kann das auch hier in diesem Blogbeitrag „Blognotice “27.10.2024” : America where are you going ?“ nachlesen. Trumps Wahlsieg war jedoch viel deutlicher als ich es angenommen hatte. Da werden unruhige Zeit auf uns zu kommen. Über Nacht ist auch die Ampel zerbrochen. Das hat mich auch nicht sonderlich überrascht, aber ich hatte geglaubt, dass die Regierung noch den Haushalt 2025 durchbringen würde. Inzwischen weiß man, dass die FDP den Ampelbruch provoziert hat, ja das ganze quasi generalstabsmäßig vorbereitet hat – das hat unter anderem die bemerkenswerte Recherche Robert Pausch „Das liberale Drehbuch für den Regierungssturz“ welche in der Zeit veröffentlicht wurde, ans Licht gebracht.

An diesem Donnerstagmorgen, an dem ich ins Krankenhaus gebracht werde, denke ich, – was haben Christian Lindner und seine Weggefährten aus der liberalen Freiheitspartei des Gerhart Baum nur gemacht. Das Buch „Freiheit – ein Appell“ liegt bei mir zur Lektüre auf dem Nachttisch. Später habe ich dann erfahren, dass sich Baum, von den „FDP Granden“ regelrecht übers Ohr gehauen fühlt. Letztlich ist die Ampel wegen des fiskalpolitischen Fundamentalismus[2] von Christian Lindner und seiner liberalen Mitstreiter gestorben.
Es wird natürlich Neuwahlen geben, – und ich muss auch an unsere SPD Bundestagsabgeordnete Isabel Mackensen-Geis denken. Wird sie es nochmals in den Bundestag schaffen? Ich habe ja hier in meinem Blog bei der letzten Bundestagswahl für sie unter dem Titel „Meine Erststimme für Isabel Mackensen-Geis!“ geworben. Ich finde, dass sie eine sehr gute politische Arbeit macht und ihren Wahlkreis gut vertritt. Ich hoffe, dass sie wieder den Einzug in den Bundestag schafft. Als ich aus dem Auto aussteige ist das Dunkel der Nacht einem Nebelgrau gewichen. Nebelgrau welches mich während des knapp einwöchigen stationären Aufenthalts fast immer begleiten würde. Der Wormser Dom war von meinem Krankenhauszimmer nur selten zu sehen. Noch seltener war die Sonne zu sehen.

Während des Krankenhausaufenthaltes habe viel gelesen. Über all die Lektüren die ich im Krankenbett verschlungen habe zu berichten, würde hier den Rahmen sprengen. Jedes der gelesenen Bücher (siehe Bibliographie) würde eine eigene Rezension verdienen. Endlich schaffte ich es auch, den hervorragenden betörenden Roman „A outra margem do mar : romance“ von António Lobo Antunes[3], der aber auch keine einfache Lektüre ist, – in der französischen Übersetzung „L’Autre Rive de la mer“ von Dominique Nédellec zu Ende zu lesen. Wie ich schon zweimal in diesem Blog schrieb, António Lobo Antunes würde den Literaturnobelpreis schon mehrfach verdient haben[4]. Der Roman erscheint auch jetzt in der deutschen Übersetzung von Maralde Meyer-Minnemann unter dem Titel „Am anderen Ufer des Meeres“[5], [6]. Ich hatte mir auch überlegt, mir das portugisiesche Original zu beschaffen, um mich dort zumindest abschnittsweise einzulesen. Aber das traue ich mir angesichts der Komplexität der Sprache des Werkes dann doch nicht zu. Schon auf Französisch, was ja immerhin meine Muttersprache ist, – war das kein einfaches Lesevergnügen, aber es hat sich gelohnt ! „Domingas à moi – Gare au vent mademoiselle gare au vent“- Domingas ruft mir zu – „ nehmen sie sich in acht vor dem Wind Mademoiselle, nehmen sie sich in acht vor dem Wind“.

Ja, und dann blieb mir während des Klinikaufenthaltes noch meine Armbanduhr stehen. Meine Tissot Pr 50 Automatik, – hörte auf zu „ticken“. Immerhin die Uhr, die mich fast 25 Jahre meines Lebens begleitete. Ich hatte sie mir nach der Geburt meines Sohnes gekauft, – und sie bis auf wenige Ausnahmen auch immer in dieser Zeit getragen. Inzwischen weiß ich, dass die Uhr wohl Probleme mit der Gangreserve hat. Ich werde sie reparieren lassen und mir vielleicht eine Junghans Uhr kaufen. Ich bin ja mit Junghansuhren aufgewachsen. Meine erste Uhr das war ja eine Junghans. Roland Wittwer, ein Freund der Familie, der mein Leben bis zu seinem Tod im Februar 2002 väterlich begleitete, hat mir diese Uhr in den 1970er Jahren geschenkt. In der Erinnerung sah meine erste Uhr dem jetzigen Junghans 1972 Chronoscope Quarz ähnlich. Vielleicht hatte ich meine erste Uhr ja zum Bestehen des „Grundschulabitur“[7] – also dem erfolgreichen Übergang ins Gymnasium von Roland geschenkt bekommen. In meiner Kindheit in den 1960 und 1970 Jahren war die Firma Junghans das pulsierende Herz der Stadt Schramberg. Wer in dieser Zeit in Schramberg aufwuchs, der wuchs mit der Gewissheit auf, dass man Uhren, nur im Fachgeschäft, beim Uhrmacher oder Juwelier kauft, – niemals im Kaufhaus oder gar bei „Quelle“ oder im Supermarkt. Eine lesenswerte kleine Firmengeschichte der Firma Junghans wurde vor kurzem von Gernot Stähle unter dem Titel „Junghans – Uhren – Federn-Zünder“ verfasst. Aber aus den Erinnerungen, die ich mit meiner Tissotuhr, den Junghansuhren meiner Kindheit verbinde, könnte man noch eine weit größere Geschichte erzählen. Vielleicht sogar ein ganzes Buch füllen. Und über Roland Wittwer der ja auch Prokurist bei Junghans war, – waren wir damals in gewisser Weise der Firma besonders verbunden. Immerhin hatte ja die Idee eine Eisenbahnmodellfirma zu gründen, über die ich schon mehrmals in diesem Blog berichtete, mit der Uhrmachergeschichte der Raumschaft Schramberg zu tun[8]. Aber das ist eine Geschichte die ich irgendwann an andrer Stelle erzählen werde.
Als ich das Klinikum Worms nach quasi einer Woche im Nebelmeer, in der ich den Wormser Dom, sozusagen nur ein paar wenige Stunden gesehen hatte verliess, wusste ich zwei Dinge. Es wird bald zu vorgezogenen Bundestagswahlen kommen. Soweit man den Umfragen Glauben schenken mag, wird dann mit großer Wahrscheinlichkeit Friedrich Merz Kanzler werden. Aber bis zu den Bundestagswahlen kann noch viel passieren, also dass Friedrich Merz Kanzler wird, das ist noch längst keine Gewissheit. Und alleine wird die CDU auch nicht regieren können. Sie wird, wenn sie dann die Wahlen wirklich gewinnt, einen Koalitionspartner brauchen. Ich selbst bin gegenüber Umfragen eher skeptisch, und vertraue eher meinen eigenem politischen „Gefühl“ – und da lag ich bei Trump leider wieder mal ganz richtig[9]. Ich habe das Klinikum Worms auch mit der Gewissheit verlassen dass, soweit die CDU wirklich die Bundestagswahlen gewinnen sollte, wir auch wieder mit einem CSU Verkehrsminister rechnen müssten. Die ganzen Infrastrukturprobleme der Bahn, mit der wir heute zutage zu kämpfen haben, sind weitgehend durch die katastrophale Politik der CSU Verkehrsminister entstanden. Das waren zwischen vom 28 Oktober 2009 bis 8 Dezember 2021 die Herren Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt, Christian Schmidt (kommissarisch) und Andreas Scheuer. Die CSU am Ruder des Verkehrsministeriums zu sehen, – das wird wahrlich wieder im verkehrspolitischen Supergau enden.
Und das zweite was ich wusste, – ich werde mir wieder eine Junghansuhr kaufen, selbst wenn ich die Gangreserve meiner Tissot beim Uhrmacher wieder instandsetzten lasse! Weiterhin sollte ich mir vielleicht ein Tablet kaufen, denn es ist wohl damit zu rechnen, dass ich wohl öfter in stationäre Behandlung gehen muss. Mit einem Tablet wäre es auch möglich im Liegen zu schreiben und auch in gewisser Weise den Paysagesblog weiter fort zuführen. Natürlich kann man auch im Liegen „handschriftliche“ Notizen machen. Das mache ich ja schon bestimmt nun über 45 Jahre, da ich ja noch immer ein klassisches handgeschriebenes Tagebuch führe. Nur habe ich selbst so eine unlesbar Handschrift, dass ich oftmals meine eigenen Tagebuchaufzeichnungen nur sehr schwer „dechiffrieren“ kann.
Beim Verfassen dieses Textes erfahre ich vom Verschwinden des franko-algerischen Schriftstellers Boualem Sansal. Leider spricht in Deutschland (noch) niemand darüber. Immerhin erhielt Sansal im Oktober 2011 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels . Ich verweise auf den Text „Pour Boualem Sansal“ den Pierre Assouline in der République des livres gestern veröffentlichte. Kamel Daoud verfasste im Le Point einen Appel zur Freilassung von Sansal „Des Prix Nobel de littérature se mobilisent pour Boualem Sansal“ den auch Salman Rushdie und Peter Sloterdijk mitunterzeichnet haben. Lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Éditorial der der Tageszeit Le Monde „Boualem Sansal : le silence injustifiable d’Alger“.Man kann nur hoffen, dass die Apelle der frankophonen Schriftsteller und Intelektuellen dazu führen das Boualem Sansal bald wieder auftaucht bzw. freigelassen wird.
Christophe Neff, November 2024, veröffentlicht am 24.11.2024
P.S.: Ich hätte auch gern ein paar Photos des Wormser Nebelmeer, sowie ich es auch es aus meinem Krankenzimmer erblicken konnte, hier veröffentlicht, aber leider ist das „photographieren“ auf dem Gelände des Klinikum Worms verboten.
Bibliographie (die während des Klinikaufenthaltes gelesene Werke sind in Kursiv gedruckt):
Antunes, António Lobo ; Meyer-Minnemann, Maralde (Übers.) (2024): Am anderen Ufer des Meeres. Roman. Aus dem Portugiesischen von Maralde Meyer-Minnemann. München. Luchterhand, ISBN 978-3-630-87735-8
Antunes, António Lobo (2019): « A outra margem do mar : romance » Lisboa : Don Quixote, 2019 ISBN 978-972-20-6842-0
Antunes, António Lobo; Nédellec, Dominique (trad.) (2024) : L’autre rive de la mer. Traduit du Portugais par Dominique Nédellec. Paris 2024, © António Lobo Antunes, 2019 A outra margem do mar , © Christian Bourgois éditeur, 2024, pour la traduction française, pour l’édition numérique. ISBN 978-2-26704964-0.
Antunes, António Lobo (2019): « A outra margem do mar : romance » Lisboa : Don Quixote, 2019 ISBN 978-972-20-6842-0
Baum, Gerhart (2021): Freiheit. Ein Appell. Wals bei Salzburg, 2021. 1. Auflage, © 2021 Benevento Verlag, ISBN 978-3-7109-0124-9
Cohen, Ute (2024): Der Geschmack der Freiheit. Eine Geschichte der Kulinarik. Ditzingen, 2024. 2024 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, ISBN 978-3-15-962278-1.
Klink, Vincent (2023): Tagebuch 2018 – 2024 : mit vielen Rezepten. Mit Herz + Hirn. Stuttgart, 2023 ISBN 978-3-927350-89-2
Kowalczuk, Ilko-Sascha (2024): Freiheitsschock Eine andere Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute. München, 2024. © Verlag C.H.Beck oHG, München 2024. ISBN 978- 3- 406 82214- 8
Mohr, Peter (2024): Einsames Unglück Antonio Lobo Antunes‘ Roman „Am anderen Ufer des Meeres“ blickt zurück auf den Kolonialkrieg. Literaturkritik.de, 20.11.2024
Sá , António (2019): Saudades & decadências (perspectiva sobre “A outra margem do mar”) António Lobo Antunes, A outra margem do mar, Lisboa, Dom Quixote, 2019, 368 pp. In: Limite. Revista de estudios portugueses y de la lusofonía, Vol. 13/2 pp. 252 – 271 (download hier möglich).
Stähle, Gernot (2022): Junghans. Uhren – Federn – Zünder ein Kaleidoskop. Schramberg, 2022 © 2022 Große Kreisstadt Schramberg, erste Auflage. Schriftenreihe des Stadtarchivs und Stadtmuseums Schramberg Band 32, ISBN 978-3-9821496-3-9
[1] Der Verfasser des Paysagesblog leidet an der gleichen Krankheit wie François Mitterrand siehe u.a. « Blognotice 20.10.2024 : Port Leucate octobre 2024 », « Blognotice 18.08.2024: de retour à Grünstadt – et les martinets se sont déjà envolés vers le Sud », « Blognotice 02.06.2024 : « La promesse » d’Anne Lauvergeon » und « Blognotice 06.07.2024: veille du deuxième tour des élections législatives 2024 » und « Erinnerungen und Gedankenfetzen zu Martin Walsers autobiographischem Roman „ein springender Brunnen“.
[2] Des Ausdruck „fiskalpolitischen Fundamentalismus“ findet sich auch in dem Gastbeitrag von Isabelle Weber für die Zeit vom 23.11.2024 „Inflation in Deutschland: Gegen die AfD hilft nur eine andere Wirtschaftspolitik“.
[3] Eine bemerkenswerte Rezension des Romanes hat der Schriftsteller António Sá für die Zeitschrift „Limite. Revista de estudios portugueses y de la lusofonía » verfasst : “ Saudades & decadências (perspectiva sobre “A outra margem do mar”) António Lobo Antunes, A outra margem do mar, Lisboa, Dom Quixote, 2019, 368 pp
[4] Siehe u.a. „Paysages forecast for Nobel Prize in Literature 2018/2019” und “Paysages forecast for Nobel Prize in Literature 2024”.
[5] Kritik der deutschsprachigen Übersetzung von Eberhard Falke in SWRKultur „António Lobo Antunes – Am anderen Ufer des Meeres“.
[6] Bemerkenswerte Rezension der deutschsprachigen Übersetzung des Romanes durch Peter Mohr in Literaturkritik.de „Einsames Unglück Antonio Lobo Antunes‘ Roman „Am anderen Ufer des Meeres“ blickt zurück auf den Kolonialkrieg“.
[7] Siehe u.a. „25 November 1973 Schramberg-Sulgen, Lärchenweg: Sonntagsfahrverbot“
[8] Vgl. u.a. “Erinnerungen an die „märklinModerne““, „Blognotice 11.09.2020: Retrospective on a Facebook post concerning COVID-19 written in April 2020”, „Quel surprise – la 141 R de Märklin“
[9] Siehe u.a. „Blognotice “27.10.2024” : America where are you going ?”.